Trend Smart Fashion: Made in Innovations
Fashion-Insider, die sich in den vergangenen 15 Jahren an modischen Rückkehrern sattgesehen haben, dürfen sich freuen: Seit Mode und Technologie als Smart Fashion gemeinsame Sache machen, hat die Branche ihren innovativen Charakter zurückgewonnen.
Wenn wir heute ein aus LED-Lichtern, Metallen und Federn konstruiertes Cape als Ausstellungsstück oder Mode-Accessoire live an einer DJane wie Lovra erblicken, beginnen unsere Augen vor Neugier und Überraschung mit den LEDs um die Wette zu funkeln. Kaum zu glauben, dass Designer wie Alexander McQueen und Hussein Chalayan ihrer Zeit um mehr als eine Dekade voraus waren, als sie bereits gen Jahrtausendwende erste Mode in Verbindung mit Technologie präsentierten und intelligente Kleidung entwarfen.
Pioniere der Vergangenheit aus Modedesign und Technik
Während McQueen für Frühjahr/Sommer 1999 ein Fashionshow-Finale zeigte, bei dem zwei computergesteuerte Maschinen das weiße Kleid eines Models mit schwarzer und neongelber Farbe besprühten, entwarf Chalayan für Herbst/Winter 2006 Kleider, die sich selbst transformierten – von der bodenlangen Abendrobe zum kurzen Day-Dress dank versteckter, technischer Mechanismen.
Chalayan war so begeistert von der Synergie aus Technik und Mode, dass er auch in den kommenden Kollektionen darauf setzte: Für Herbst/Winter 2007/08 zeigte er mit „Airborne“ seine berühmten Video-Kleider. Mithilfe von 15.000 eingewebten LED-Lichtern veränderten die weißen Kleider ihre Optik zu leuchtenden Print-Dresses mit Google- Earth-Aufnahmen einer aufblühenden Rose oder Haien im Ozean. Auch Accessoires wie ausfahrbare Kapuzen an Mänteln oder Kopfbedeckungen, die ihre Farbe wechselten, schienen Chalayan bereits Mitte der 2000er eine Selbstverständlichkeit. Gleiches galt für Kleidungsstücke, die Laserstrahlen emittierten oder den ersten Fashion-Film mit Nick Knight, den er als Pionier für Frühjahr/Sommer 2008 in Paris präsentierte.
https://youtu.be/TTisE2f5d0o
Ein weiterer Wearables-Pionier erster Stunde ist der amerikanische Professor Steve Mann. 1981, mehr als 30 Jahre vor Google Glasses, erfand er als Student am Massachussets Institute for Technology mit dem „Eye Tab“ eine auf dem Kopf tragbare Videokamera mit Minicomputer, die alles aufnahm, was man sah. Snapchat lässt grüßen. Das damalige Design war allerdings alles andere als sexy-smart, sondern eher klobig und geeky. Memo: Streber sein ist nicht uncool, danach aussehen allerdings schon.
Intelligente Kleidung versus sexy Look
Leider hatte Google diese Nachricht bis zur Vorstellung seiner ersten Datenbrille von Google Glass am 28. Juni 2012 offenbar nicht erhalten. Die Verbraucher-Version der ersten Wunderbrille mit Minicomputer, die Informationen in die Brillengläser einblendet, ging im April 2014 für umgerechnet ca. 1.200 Euro an den Verkaufsstart, landete aber nie im offiziellen Handel und legte letztlich einen Flop hin. Endstation: Einstellung des Verkaufs von Google Glass Mitte Januar 2015.
Was war passiert? Googles High-Tech-Gestell lieferte zwar futuristisch-fantastische Funktionalität für Tech-Nerds, die nie wieder auf ihr Smartphone hätten schauen müssen, um Fotos zu machen, Nachrichten zu lesen oder Navigation zu erleben – die modebewusste, technologieaffine Klientel wurde allerdings mit dem unausgereiften Design vergrault. Schnell holte Google sich Unterstützung von der etablierten, belgisch-amerikanischen Mode-Designerin Diane von Furstenberg, die sich bereits 2012 als Fan der Tech-Brille zeigte, indem sie Models, Team und Front-Row-Stars wie Sarah-Jessica Parker zur Kollektionspräsentation mit Google Glasses ausstattete. Doch im Alleingang mit den technischen Entwicklern von Google schaffte es auch Furstenberg nicht, die Nerd-Gläser mit Launch einer Kollektions-Kooperation Ende Juni 2014 zum stilsicheren Must-have zu machen.
Ähnlich ergeht es der smarten Apple Watch. Noch ist die intelligente Uhr zwar Marktführer vor Samsung und Lenovo, aber im zweiten Quartal 2016 brachen die Apple-Watch-Verkäufe gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 55 Prozent ein. Der Must-have-Faktor bleibt aus, weil Apples Uhr zwar schick, aber auch sehr teuer und dabei ziemlich langsam ist.
Smarte Mode-Impulse aus Deutschland
It- und Fashion-Entrepreneure wie die Berlinerinnen Lisa Lang, CEO des Wearable- Technology-Startups ElektroCouture, und Anita Tillmann, Initiatorin der Austausch- Plattform #FashionTech Berlin, haben dieses Manko der Zusammenarbeit zwischen den Branchen Mode und Technik sowie deren enormes Marktpotenzial erkannt. Sie vernetzen, dolmetschen, brainstormen, entwickeln und fördern die Zusammenarbeit zwischen Größen der Tech-Branche und kreativen Jungdesignern. „Beide Branchen haben erfahren, dass sie sich ohne das Pendant nicht erfolgreich entwickeln können. Als logische Konsequenz hat man gemeinsam Tech-Fashion etabliert,“ so Lisa Lang.
Kongruent zur fortschreitenden Entwicklung von Smart Wearables steigt auch deren Nachfrage. Im Mai 2016 bescherte ein im Dunklen leuchtendes Kleid der Schauspielerin Claire Danes bei der diesjährigen Met-Gala, dem Mode-Event des Fashion-Olymps, weltweit begeisterte Presse.
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Global agierende Mode-Retailer wie Asos, Topshop oder Selfridges haben neben großen Tech-Konzernen wie etwa Telekom, Siemens oder Osram längst die Fühler in den neuen Modemarkt ausgestreckt, tauschen sich aus und lassen sich mit Investment-Projekten aufeinander ein. „Innovation ist wichtig“, weiß Anita Tillmann und erklärt: „Stillstand kostet ein Unternehmen mehr Geld als das Investment in Innovation und Zukunft. Wir haben #FashionTech, The Conference on the Future of Fashion, gelauncht, um den Einfluss der Digitalisierung auf die Modebranche abzubilden“, erklärt Tillmann ihr Projekt und fügt hinzu, dass Wearable Design und Smart Textiles die derzeit am schnellsten wachsenden Trends in der Modebranche sind.
Das Zusammenspiel von Fashion und Technologie gestaltet die Zukunft der Modebranche.
Anita Tillmann
So existieren in den USA mittlerweile Sport-Shirts von Ralph Lauren, die den Herzschlag ihres Trägers, dessen Atmung und Kraftanstrengung messen und per App auf iPhone oder Apple-Watch übertragen. Im Frühjahr 2017 wird Levi’s die erste smarte Fahrrad-Jeansjacke für den kommerziellen Markt launchen. Der intelligente Clou: Via Bluetooth und leitfähiger Fäden wird eine Verbindung zum Smartphone des Trägers hergestellt – per Berührung, Druck und Position der Hand am linken Ärmel der Jeansjacke kann man Lautstärke und Musikwiedergabe regeln, oder Google Maps öffnen.
Die Zukunft von Wearables heißt Ready-To-Wear.
Lisa Lang
„Das ist die eigentliche Revolution“, weiß Lisa Lang und ergänzt: Leuchtende T- Shirts oder Sportswear, die Elektrosmog vom Körper weg transportiert, Gerüche neutralisiert und Körperwärme zurück reflektiert, werden bald international bei Retail-Ketten für jedermann und kleines Geld erhältlich sein. „In den kommenden drei Jahren wird in diesem Bereich auch in Deutschland extrem viel passieren“, schwärmt Lang verheißungsvoll. „Neue Berufe, wie etwa der des Fashion-Technologen, werden sich in Zukunft ebenso selbstverständlich etablieren, wie einst der Web-Designer. „In weiteren mindestens fünf Jahren müssen neue Standards in Bezug auf Recycling und Cyber-Security von Tech-Konzernen und Modeunternehmen entwickelt werden“, weiß die Expertin und ihre Kollegin Tillmann prophezeiht: „Das Zusammenspiel von Mode und Technologie gestaltet die Zukunft der Modebranche. Teil dieser Entwicklung zu sein und diese maßgeblich zu gestalten, das ist ein unglaublich spannender Job.“