Snap!


Brüder und Schwestern, ich weiß nicht, wo diese Welt enden wird“, schreit Turbo B ins Mikro und schickt noch das obligatorische „Peace!“ hinterher. In dieser zwielichtigen Minute zwischen Nebelschwaden und Flashlight. die paradox wirken angesichts des Golfkrieges, steht der gewichtige Turbo da wie ein General und brüllt „Peace“. Friede auf der Tanzfläche. Friede am Golf: So simpel ist das. Und auch so: Petroleum führt zum Krieg. Aber Erdöl ist auch der Rohstoff, aus dem Platten gemacht werden, beispielsweise eine Million Maxis von „I’ve Got The Power“.

Doch Turbos tiefer Schrei nach Frieden verhallt in der vollen Theaterfabrik, und dann wird getanzt. Turbo macht unmißverständlich klar, daß er die Körper kreisen sehen will; er will die Power. Zum Glück konnte er mit Hilfe seines Labels Logic die Einberufung an den Golf abwenden, und so freut sich Turbo, daß er seine Show abziehen darf. Aber die Vibes springen erst dann richtig über, als er seine Human-Beat-Box-Salven losläßt: Versiert rattert, blubbert, ploppt und spuckt Turbo ins Mikro — als wäre er lieber ein Rhythmuscomputer als ein

Mensch. Und das Volk gröhlt. denn zum ersten Mal weiß es: that’s live.

Turbos Beat-Box-Einlage — obwohl perfekt wie eine Maschine — ist das menschlichste Element an diesem Abend, denn die Musik kommt zu 80 Prozent vom Band. Kaschiert wird das durch ein Schlagzeug, einen Plattenspieler (natürlich auch mit vorgefertigten Rhythmus-Tracks), und eine Synthesizer-Gitarre, mit der Rico Sparks unentwegt rumfuchtelt. Ein paar clevere Effektgeräte tun ihr Übriges, um den Sound zum Live-Erlebnis zu machen. Niemanden interessiert es, was der DAT-Recorder hinten in der Ecke dazuspielt: alle Augen richten sich auf den überpräsenten Turbo, auf die neue Sängerin und das Tänzerpärchen im Lichtkegel. Schließlich geht der Baß doch bestens in den Unterleib, und der Beat fährt in die Beine — warum soll da das Gehirn noch eruieren, woher der Sound kommt?

Snap ist genauso live wie der Krieg — auch wenn niemand beurteilen kann, woher die Nachrichten kommen, wie sie zensiert, gefälscht oder gesampelt wurden. Und die Rhetorik, mit der Turbo sein Publikum anstachelt, verkündet neue Hoffnung und Frieden und mehr Macht. Als „The Power“ ertönt, glaubt jeder im Saal, ein Stück davon zu besitzen. Wie ein echter Live-Act ist Snap sogar in der Lage, ein paar Zeilen aus Whitney Houstons Song „I Wanna Be Your Baby Tonight“ einzustreuen. Das beweist dem letzten Zweifler, daß Snap! nicht nur das LP-Material abgespeichert hat und aus dem Computer abruft.