So kann es nicht weitergehen
Als Field Music, die großartigste unbekannte Band der Gegenwart, mit ihrem Studio auf die Straße gesetzt wurde, entdeckte sie ihr Kämpferherz.
Irgendetwas muss man schließlich an sich haben, wenn sich einer wie Al Kooper aus der Reserve locken lässt und erklärt: „Ihr seid meine Lieblingsband!“ Der Mann ist eine Rock’n’Roll-Legende, spielte mit Bob Dylan und Blood, Sweat & Tears, war Lehrbeauftragter am Berklee-Musikcollege in Boston. Und in seiner Freizeit hört Kooper also sehr gerne die Musik der Band Field Music. Fragt sich nur, warum der Rest der Welt Koopers Euphorie bisher nicht nachvollziehen will – seit vier Alben, die Gruppe gründete sich 2004, hat sie nun schon die Gelegenheit dazu. So bleiben Field Music eben die großartigste unbekannte Band der Gegenwart (und ihre zwischenzeitlichen Nebenprojekte The Week That Was und School Of Language sind fast noch populärer).
Angeführt wird das Quartett von Peter und David Brewis aus Sunderland. Die 280 000-Einwohner-Hafenstadt im Norden Englands leidet unter hoher Arbeitslosigkeit und Gewaltproblemen. Wie wenig dort für Musiker zu holen ist, haben die beiden Brüder erfahren müssen, als ihnen mitgeteilt wurde, dass das von der öffentlichen Hand finanzierte Gebäude, in dem sich ihr Studio befindet, geschlossen wird. Peter und David war freilich schon immer klar, dass es nicht einfach für sie werden würde. Im Gegensatz zu den befreundeten Bands Maxïmo Park und The Futureheads würden sie niemals abheben, durchstarten, hoch fliegen. Field Music schürfen dafür zu tief, sie arbeiten konzeptionell, ihr Indie-Rock ist eine Fortschreibung des Art-Rock, der von schweren Brütern wie King Crimson, Peter Gabriel und XTC begründet wurde. Dabei bleibt diese hochmelodiöse Musik aber immer klar und verständlich.
Auf Plumb, ihrem neuen, vierten Album, gilt das umso mehr für den Inhalt. Der Rauswurf aus ihrem Studio hat sie nämlich zum Nachdenken gebracht. Schuld daran, das soziale Einrichtungen schließen müssen, ist für sie die von den Konservativen angeführte Koalitionsregierung, die nach altem Thatcher-Muster alles wegstreicht, was nicht profitabel ist. Kultur sowieso. Also haben die Brewis-Brüder auf Plumb nun ihr Kämpferherz entdeckt und verlesen eine Protestnote nach der anderen. So werden aus Randfiguren plötzlich potenzielle Anführer.
Albumkritik S. 88