Soap & Skin in der Bush Hall, London
Hemmungslose Weirdness und emotionale Wucht: Anja Plaschg erfreut London.
Für die Wahl des Veranstaltungsortes gibt’s schon mal volle Punktzahl: Der mit Kronleuchtern und röten Vorhängen bestückte Saal der Bush Hall war schon Kulisse für „intime“ Konzerte von Pop-Größen wie Lily Allen und Amy Winehouse, aber auch diverse „Burlesque-Nights“ mit den dazugehörigen Ausschweifungen. Geübte weibliche Gesangsstimmen ist der Laden also genauso gewohnt wie hemmungslose Weirdness. Das ist auch gut so, denn heute gastiert hier mit Anja Plaschg alias Soap & Skin eine organische Kombination von beidem. Die 18-Jährige, ganz in Schwarz gekleidet und mit einem von Haarspangen im Zaum gehaltenen dunklen Schopf, würdigt das sitzende Publikum während des Konzerts keines (gesprochenen) Wortes-ein sehr leises „Thank you a ausgenommen, und die fatalistischen Texte gehen in ihrem affektierten, deklamatorischen Gesang fast unter. Aber weggucken oder-hören will keiner, so fesselnd ist die manische, verstörendc Performance von Plaschg, die mit minimaler Begleitung maximalen Effekt erzielt: Aus einem Laptop auf dem Klavier tönen wahlweise industrielle Beats oder wabernde Synth-Schwaden u nd Backgrou nd-Gesang/Geheul, während Plaschg mit korrespondierender Wucht (im majestätischen „Fall Foliage“) bzw.
Präzision und Feingefühl („Cry Wolf“) die Tasten bearbeitet. Ihren Gesang zu beschreiben, ist eine undankbare Aufgabe – er eri n nert mal an Börk (die emotionale Kraft), mal an Sigur R6s (das Ungreifbare, Fliehende). Vor dem Refrain in „Spiracle“ bricht gar ein gutturaler Schrei aus ihr heraus. Das Show-Element kommt bei der Österreicherin trotz Schüchternheit nicht zu kurz – wobei die dramatischen Einlagen oft arg theatralisch wirken. Etwa, wenn das Bühnenlicht ausgeht und Plaschg zwischen den Sitzblöcken cinherstakst und unartikulierte Schreie ausstößt. Oder als sie während des lärmigen Outros zum „Marche Funebre“ ihren Klavierhocker verlässt und marionettenhaft auf der Stelle marschiert, um dann wortlos hinter der Bühne zu verschwinden. Zwischen den Songs, wenn Plaschg am Weißweinbecher nippt und ins Mikrofon kichert, mag man noch eine gewisse – einnehmende – Nervosität erkennen. Aber die sollte mit der Zeit und edem weiteren gelungenen Auftritt weichen.
Story & Albumkritik ME 4/09
www.myspace.com/soapandskin