Sounds now!


Wer hat gesagt, dass man bei warmen Temperaturen nur leichte Kostzu sich nehmen muss?Auf der ME-CD 127 finden sich zehn anspruchsvolle Songs aus ein paar der besten Alben dieses Sommers. Produktion Christoph Lindemann Foto Denis Pernath

1 Spoon

The Underdog

Swing when you’re winning: Die Sonne Kaliforniens inspirierte die texanische Band zu diesem besonders launigen Popsong.

Spoon haben die Songs ihres neuen Albums GA GA GA GA GA mal wieder mit ihrem langjährigen Produzenten des Vertrauens Michael McCarthy aufgenommen. Bis auf „The Underdog“-die swingende und unverschämteingängige Nummer entstand mit Jon Brion (Fiona Apple, Aimee Mann, Kanye West) in Los Angeles. „Er war sehr höflich, hat nicht besonders oft die Klamotten gewechselt und trug immer unfassbar gestreifte Socken“, berichtet Sänger Britt Daniel. Ob es allerdings nur die gestreiften Socken waren, die die Band, die Daniel Mitte der 90er-Jahre in Austin gegründet hat, in eine derart ausgelassene Stimmung gebracht haben, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen.

2 1990s

SeeYou AtTheLights

Und gleich nochmal unbeschwerte Klänge: Englands gefeierte Straßenpoeten auf der Suche nach ihrem eigenen „Summer of Love“.

„Wir spielen, really happy party music“, sagt Sänger Jackie McKeown.“Sie wird dein Leben nicht verändern, sie wird es aber erträglicher machen.“ Und erträglicher machen kann die schottische Band unser Leben nur, weil ihr von Bernard Butler produziertes Debüt Cookies nur wenig mit dem zu tun hat, was man gemeinhin als.,Really Happy Party Music“ bezeichnet: Die Songs des Trios sind clever, textlich ein wenig verschroben und musikalisch von einigen der besten Momenten inspiriert, die 40 Jahre Popmusikgeschichte auf der britischen Insel hervorgebracht haben. Und diese Mischung kann tatsächlich glücklich machen. „Ich hab’keine Message, ich will dir nichts erzählen“, sagt McKeown. „Ich will dir nur ein bisschen Last abnehmen.“Mission accomplished!

3TheMendoza Line

Catch A Collapsing Star

Noch immer ein Indie-Geheimtipp: Alt.Country-Ballade von der Band aus Brooklyn, die eine grandiose Platte nach der anderen veröffentlieht.

„It’s our limitations that make us what we are“, singen Shannon McArdle und Timothy Braceyin „Catch A Collapsing Star“ full of light and full of fire, das siebte Album der Band aus New York, ist eine Studie über die Grenzen, an die wir als Mensch im Kleinen und an die Nationen im Großen immer wieder stoßen. „Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass es meine Pflicht als Künstlerin ist, Sachen mit einem gewissen inhaltlichen Anspruch zu schreiben“, sagt McArdle. In diesem Song widmen sich die beiden den Themen Schuld, Schmerz und Reue auf eine poetische Art, die bisweilen an Bob Dylan erinnert. „Ich werde nicht anfangen, mich mit Dylan zu vergleichen“, sagt Tomothy Bracey. „Aber dass er ein großer Einfluss ist, das kann und will ich nicht verleugnen.“

4 Portugal. The Man

Shade

Ernster, gewichtiger (und endlich auch wirklich großartiger!) Rock von der berühmtesten Band der Stadt Wasilla in Alaska.

„Ich finde, dass diese Platte besser repräsentiert, wer wir sind“, sagt Bassist Zach Carothers über das neue Portugal-The-Man-Album. „Am Anfang ging es uns mehr um Beats – wir wollten so ein Beatles-meets-Wu-Tang-Clan-Ding machen. Aber wir haben uns entwickelt. Wir haben einen Drummer engagiert und gelernt, live zu spielen. Jetzt haben wir etwas gefunden, mit dem wir uns musikalisch wohlfühlen.“Tatsächlich haben Portugal. The Man einen Reifeprozess durchschritten:CHURCH MOUTH ist ein tiefgründiges, vielschichtiges und wuchtiges Rockalbum und rechtfertigt erstmals das Lob, das einige Kritiker der Band bereits bei ihrem letzten Album „WAITER: YOU VULTURES‘ haben zuteil werden lassen.

5 Architecture In Helsinki

Red Turned White

Stets bemüht, die eigenen Grenzen zu erkennen, um sie dann zu überschreiten: Die australische Band kehrt mit einem neuen Sound zurück.

Cameron Bird von Architecture In Helsinki fasziniert beim Songwriting vor allem „das Element des Unbekannten“. Gleichzeitig aber läge ihm nichts ferner, als unvorbereitet an die Arbeit zu gehen: „Als Musiker sehe ich es als meine Pflicht an, alles, was um mich herum in Sachen Musik passiert,auf dem Schirm zu haben. Was unsere Band macht, muss ich dann allerdings möglichst weit von allen Einflüssen fernhalten.“ Spannende Haltung, spannende Band. Und vor allem: ein spannendes neues AIbum „PLACES LIKE THIS“, aus dem wir „Red Turned White“ vorstellen, ist ein modernes und brillant produziertes Stück Musik, das schwer zu beschreiben ist, das in keine Schublade passt (die Genre-Bezeichnungen „Jungle“ und „Funk, Grunge. Psychedelic“, die die Band selbst in Umlauf bringt, bringen nicht wirklich Erkenntnisgewinn) und das man einige Male hören muss. um es zu begreifen.

6 Happy Mondays

Anti Warhole (On The Dancefloor)

„Als waren sie nie weg gewesen , wäre gelogen. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der die Happy Mondays 2007 den Zeitgeist treffen,

ist doch beeindruckend.

Was für ein – im besten Sinne – psychopatischer Song: „Anti Warhole(On The Dancefloor)“ hat einen herrlich sinnfreien Text, neongrelle Synthie-Sounds und einen tödlichen Beat,der mehr von M.I.A. als von 20J ahren Manchester beeinflusst zu sein scheint. Das neueAlbum UNCLE DYSFUNKTIONAL – es ist das erste seit YES PLEASE von 1992 -ist überraschend modern ausgefallen. Aber dass die Band in Bestform ist, konnte man schon im März ahnen, als sie bei Channel 4 zum TV-Interview eingeladen war: Auf die Frage, ob Shaun Ryder noch über irgendetwas sprechen wolle (nachdem es davor Über vier Minuten lang nur um seine neuen Zähne und die Gerüchte um die Beziehung von Bandkollege Bez ging), lautete seine von einem breiten Grinsen begleitete Antwort:“No, fuck Off“

7 To My Boy

The Grid

Ein seltenes Paar: Cuter Popsong, gute Beats.

Bis Sam White und Jack Snape „das Gefühl uon Einsamkeit“, das sie als Duo (angeblich) oft empfinden, „in eine My-Chemical-Romance-artige Nummer-1-Single verwandeln“so lautet nämlich der erklärte Plan der beiden -, wird noch viel Wasser die Mersey hinabfließen. Im Augenblick haben die Liverpooler viel zu großes Interesse an kantigem, tanzbarem Elektropop. Und den beherrscht zur Zeit niemand so gut wie To My Boy: Das Debüt MESSAGES, aus dem „The Grid“ als Single ausgekoppelt wurde, ist jedenfalls ein extrem kurzweiliges Album geworden.

8 Frog Eyes

Evil Energy, The III Twin Of …

Rock – obwohl, ist das Rock? als geistige Nahrung: Wer bei diesen Klängen nicht den Faden verliert, wird vermutlich seine helle Freude an ihnen haben.

Ein dreisekündiges Intro, eine manische und fast undurchschaubare Strophe, die bereits nach 30 Sekunden von einem Refrain abgelöst wird, für den man sterben könnte. Danach ein atemloser, progartiger Instrumentalteil, bevor es kurz vor Schluss für einen Augenblick so scheint, als würde alles von vorne beginnen. Was für ein Ritt. Und „Evil Energy, The III Twin Of…“ ist lediglich ein kurzer Ausschnitt aus einem Album, das in seiner Gesamtheit mehr als 13mal so lang ist. Die „Evil Energy“ ist übrigens der kranke Zwillingsbruder von „Eagle Energy“. Aber das bringt uns schon zum nächsten Frog-Eyes-Song auf TEARS OF THE VALEDICTORIAN, dabei haben wir ja diesen noch nicht mal ansatzweise verdaut.

9 Mice Parade

The Last Ten Homes

Melodien, Rhythmen und die Lust am Experiment: Mice Parade bleiben eine der innovativsten „kleinen“ US-Bands der Gegenwart.

„Klein“ hat im Zusammenhang mit Mice Parade eine doppelte Bedeutung: Zum einen hat Adam Pierce einen Großteil des Katalogs der Band im Alleingang eingespielt, zum anderen sind Mice Parade außerhalb der kunstinteressierten Indieszene kaum bekannt.Zumindest in letzterem Sinne könnten Mice Parade eine „große“ Band sein: Innovative, ungewöhnlich strukturierte Songs wie „The Last Ten Homes“ (wunderbar: die hypnotischen Vocal-Arrangements ab der Zwei-Minuten-Marke) funktionieren längst nicht nur auf intellektueller Ebene. „The Last Ten Homes“ stammt aus dem neuen (siebten und ersten selbstbetitelten) Album MICE PARADE, das Pierce in einer zum Studio umgebauten Garage in den Wäldern bei Bear Mountain, Kalifornien, aufgenommen hat.

10 Emily Haines & The Soft Skeleton

Doctor Blind

Auf den Spuren uon Aimee Mann: Die Sängerin uon Metric emanzipiert sich mit ihrem Solo-Debüt.

Emily Haines ist das Gesicht von Metric und Teilzeitmitglied dergroßartigen BrokenSocial Scene – vorallem aber ist die Kanadierin eine wunderbare Sängerin und eine beeindruckend vielseitige Songschreiberin. Mit ihrem liebenswerten Solo-Debüt KNIVES DON’T HAVE YOUR BACK überwindet sie endgültig eine alte Angst: „Ich wollte [als Kind beim Singen] nie von irgendjemandem gehört werden“, erzählt sie. „Während ich mit Metric gearbeitet habe, entstanden diese Songs am Klavier. Egal wo ich gelebt habe – ich hab’sie nie jemandem vorgespielt. Ein Freund hat mir schließlich geraten, sie aufzunehmen. Sonst wären sie ja alle verloren gegangen“