Sprachrohr im Geldsumpf


Um den eigenen Ausverkauf zu verhindern, verzichtete Dave Chapelle auf enorm viel Geld und lud lieber zur "„Block Party".

Von Elvis haben wir gelernt, daß 50 Millionen Fans sich nicht irren können. Daß sich 50 Millionen Dollar hingegen als verhängnisvoller Irrtum herausstellen können, diese Erfahrung mußte Dave Chappelle machen. Und ist fast daran zerbrochen: Einen Vertrag über diese Summe hatte der erfolgreichste schwarze Komödiant seit Chris Rock, in Deutschland vor allem bekannt durch die Kifferkomödie „Half Baked“, am 3. August 2004 mit dem USamerikanischen Comedy Channel abgeschlossen, wo seine unabhängig produzierte TV-Show Woche für Woche ein immer größeres Publikum vor den Bildschirm lockte. Allein der Sketch mit dem blinden M i tglied des Ku Klux Klan, das nicht weiß, daß es schwarz ist, lohnte das Einschalten. Es war der höchstdotierte Kontrakt mit einem Künstler, den ein Kabelsender jemals abgeschlossen hatte. Und die Show zeigte die respektloseste und bissigste Comedy, die es im freizügigen Kabelfernsehen je zu bestaunen gab. Nur wollte beides nicht so recht zusammenpassen: Die 50 Millionen Dollar nagten am Gewissen Chappelles, der sich als Sprachrohr des kleinen Mannes versteht und seine Unabhängigkeit – Voraussetzung für seinen ätzenden Humor- in Gefahr sah.

Am 18. September2004 veranstaltete Dave Chappelle an einer Straßenkreuzung im Viertel Bedford-Stuyvesant in Brooklyn eine „Block Party“ für die Anwohner und 5000 weitere Gäste, die per Zufallsauswahl Tickets bekamen und mit Bussen zu der geheimgehaltenen Location gekarrt wurden, ohne zu wissen, was genau sie dort erwartete. Sie wurden angenehm überrascht: Chappelle hatte ein paar gute Freunde eingeladen: Unterstützt von einer von Roots-Drummer Puestlove geleiteten Band, traten in loser Reihenfolge Kanye West, Jill Scott, Dead Prez, Johnny Legend, Erykah Badu, Talib Kweli und schließlich (ihr erster Gig nach der Reunion) die Fugees auf- oder anders gesagt: die komplette „Intelligentsia“ des Hip-Hop. Fernab von Allmachtsphantasien und kruder Ghettoromantik bot das Ereignis eher eine kurze Utopie vom friedfertigen schwarzen Planeten, vor dem niemand Angst haben muß. Und es war auch eine Entschuldigung Chappelles für das, was er selbst als Sellout betrachtete: Integrität, wollte er die Menschen wissen lassen, ist immer wichtiger als kommerzielle Interessen. Das war kein Lippenbekenntnis: Kurz danach tauchte der Komödiant ab und ging nach Südafrika; ein Jahr lang wußte niemand, wo er sich aufhielt. Mit einem Auftritt bei Oprah Winfrey kehrte er Anfang des Jahres zurück ins Rampenlicht. Und jetzt mit „Dave Chappelle’s Block Party“, dem Film über seine Gewissenskämpfe und das vielleicht beste HipHop-Konzert aller Zeiten (siehe „Kino/TV“). Was aus den 50 M illionen Dollar geworden ist? Obwohl er seine TV-Show fortsetzen will, hat Chappelle den Scheck nicht eingelöst. Und hat auch nicht vor, es zu tun.

www.davechappelle.com