Starlight Mints – The Dream That Stuff Was Made Of
Bei den Starlight Mints steht die Popmusik Kopf - und schneidet dabei noch Grimassen
6 Das Quintett aus der Gegend um Oklahoma City hat mit seinem Debütalbum THE DREAM THAT STUFF WAS MADE OF in der Heimat derart viel Staub aufgewirbelt, dass jetzt auch der Rest der Welt in Begeisterung nachzieht. Und das vollkommen zu Recht. Und schon wird die journalistische Denkmaschine angeworfen. Wie kann man dieser Band und dieser Platte Herr werden? Wo kommt das her und wo wird das hingehen? Und wo steht dieses Album im Cesamtkoordinatensystem unserer Zeit, zwischen Robbie Williams‚ Swing-Revival, dem wieder erwachten Kampfgeist Marke Strokes und White Stripes oder Björks großer Kunstgala? Ganz schön viel Ballast, den man da auf eine Band legen kann, die quasi aus dem Nichts aufgetaucht ist und die bisher noch keinerlei Forderungen gestellt hat, also machen wir uns einfach mal etwas locker. THE DREAM THAT STUFF WAS MADE OF macht in erster Linie Laune. Nach Jahren des bedeutungsschweren Fortschritts, der technischen Neuerungen und der verzweifelten Trendsuche tut es richtig gut, hier endlich einmal eine Band vorstellen zu dürfen, die keine kryptischen Vorbilder hat und die nicht den Ansatz hat, die Musikszene zu revolutionieren. „Es mag wie ein Klischee klingen“, sagt Gitarrist Andy Nunez, „aber wir mögen bloß die Musik, die eigentlich alle mögen: Wir lieben die Beach Boys, die Beatles, die Pixies und die Kinks.“ Und damit sind wir auch schon beim Zitatpop angelangt. Auch wenn sich heute fast jeder Songwriter wie ein Aal windet, wenn es um diese Thematik geht, so ist die Popmusik der vergangenen fünfzig Jahre doch ein einziges Zitieren und Klauen, ein Neu-Zusammensetzen-und-dann-als-etwas-Neuesverkaufen-Wollen – nichts, aber auch gar nichts ist einfach so vom Himmel gefallen, auch wenn uns das mancher vielleicht gerne weismachen würde. Die Starlight Mints wollen uns dagegen überhaupt nichts weismachen, sie schreiben eigentlich nur ganz „einfache, traditionelle Popsongs“, wie Nunez betont, die aber im Endeffekt ein bisschen seltsam ausfallen, weil Nunez und Allan Vest, der Hauptsongwriter der Band, „schräge Vögel“ seien – man könnte sie wohl aber auch als Kindsköpfe bezeichnen. Wie ihre Kollegen aus dem Elephant 6-Studiokollektiv in Athens, Georgia (Olivia Tremor Control, Beulah, Of Montreal, Apples in Stereo und andere), Grandaddy, Pavement oder die Flaming Lips – die großen Onkels, mit denen sie sich das Management teilen -, ziehen die fünf Starlight Mints bestens gelaunt über das große Spielfeld der Popmusik und plündern, was nicht niet- und nagelfest ist. In „Sir Prize“ etwa haben sie sich eben mal die pieksenden Gitarrensalven aus „Dead“ von den Pixies ausgeliehen, in „Blinded By You“ feiern wir ein Wiederhören mit den sphärischen Keyboardtönen von David Bowies „Ashes To Ashes“, und in „The Twilight Showdown“ imitiert Allan Vest wahrlich perfekt den jungen Gordon Gano (Violent Femmes). Den Vogel schießen die Starlight Mints allerdings mit ihrer Version des Abzählreims aus dem Jahrzehnte alten Rock ’n‘ Roll-Standard „Blue Suede Shoes“für ihre Hitsingle „Popsickle“ ab: „Take onefor the money /and twofor the blow / and three altogether / now here we go.“ Das ist dreist, passt aber ganz einfach so wunderbar zum Bläser beschwingten Hüftwackler-Pop der Band, dass man ihnen unmöglich böse sein kann. „C’mon kids, we’re having a ball“, singen sie im Refrain, und das ist hier wirklich wörtlich zu nehmen. Unbeschwert lassen die Starlight Mints ihre Songs wie bunte Luftballons einfach steigen. In „Sugar Blaster“ etwa bringen sie – basierend auf einem Sechziger-Jahre-Drumbeat und dem Schlachtruf „Who’s the master, my sugar blaster?“- alles zusammen, was die Stimmung heben kann: Surfgitarren, Handclaps, Tamburin und einen „Ba-bada-da-da“-Refrain. Da lassen die B-52’s aus ihren besten Tagen grüßen. Das Schöne an den Starlight Mints aber ist, dass sie es in ihrer Musik nie beim bloßen Ideenklau belassen, sondern die Zitate aus hundert Jahren Popmusik wie Samples in ihre höchst eigenen Songs einfügen, die an sich schon wieder zitatfähig sind. THE DREAM THAT STUFF WAS MADE OF ist eine Platte für bessere Zeiten.