Stephan Eicher Carcassonne


Stationen einer Reise. Als Stephan Eicher vor drei Jahren die selbstgewählte Isolation als Computertüftler verließ, um wieder mit Menschen zu musizieren, hieß das Ergebnis „My Place“. Ausgangspunkt eines Weges, auf dem er sich mittlerweile in Frankreich und in der Schweiz zum Pop-Star sang und spielte. „Engelberg* hieß sein letzter Ruhepunkt, ein Refugium in den Schweizer Alpen, wo er in aller Abgeschiedenheit mit seiner Wunschbesetzung, der damals schon Pino Palladino und Manu Katche als unschlagbare Rhythmussektion an Baß und Schlagzeug angehörten, das gleichnamige Album in einem Kursaal einspielte.

„Carcassonne“ geht konsequenterweise einen Schritt weiter. Ein Hotel in der mittelalterlichen Altstadt der südfranzösischen Stadt gleichen Namens diente als Kulisse für Eichers vorläufiges Meisterwerk. Zwischen versprengten amerikanischen Touristen, die sich in die außersaisonale Verlassenheit der romantischen Kulturstätte verirrt hatten, in dunkelrot gekleideten Sälen und Zimmern des Hotel de la Cite arbeitete im Frühjahr dieses Jahres eine Musikerschar, die noch um einiges illustrer war als die des Vorgängers. Neben dem altbewährten Starmusiker-Team Palladino/Katche, das bekanntermaßen auch schon Sting oder Peter Gabriel-Platten veredelte, steuerte Richard Lloyd, mit Tom Verlaine kreative Keimzelle der New Yorker Postpunk-Kultformation Television, schroffe Saitenklänge bei. Sonny Landreth, Slide-Gtarrist in bester amerikanischer Südstaatenmanier, sorgte für schwüle Gefühle von Staub und Straße, der deutsche Keyboarder und Pianist Achim Meier für den sicheren Grund, auf dem Eichers Melodien traumwandeln. Gastmusiker mit mittelalterlichen Instrumenten verewigen die schwere Atmosphäre der Schaffensstätte aus einer anderen Zeit. Dazu singt Stephan Eicher, auf französisch, englisch und Schwyzerdütsch mit überschwenglicher Melancholie von großen Emotionen und rauht mit seiner wohlklingenden Stimme die Oberfläche auf. „Carcassonne“ ist zu schön, um traurig zu sein, und mit einer Hingabe eingespielt, die so ehrlich ist, daß sie nie peinlich werden kann. Wer das für Kitsch hält, soll weiter im Kühlschrank leben.