Stone Temple Pilots
Viel zu lange dauerte die drogenbedingte Zwischenlandung der Stone Temple Pilots. Inzwischen hat Chefpilot Scott Weiland im Kampf gegen das Heroin wieder festen Boden unter den Füßen. Grund genug, in New York City erneut voll durchzustarten.
New York City/Madison Square Garden
Lange nicht hat New York einem Konzert so entgegengefiebert. Und die Leuchtschrift „Ticket-scalping is unlawful and illegal“, die in riesigen Lettern über dem Vorplatz des „Garden“ an der 7th Avenue blinkt, hängt umsonst da: Es sind kaum Kartenjäger vor Ort, die Lage für sie wäre ohnehin aussichtlos, denn die Show ist restlos ausverkauft.
Punkt neun Uhr wird das Licht an der Hallendecke heruntergedimmt, und 16.000 Augenpaare sehen zunächst nur eine aus strahlend weißem Stoff gearbeitete gigantische Muschel im Bühnenhintergrund – ein eindrucksvolles Bild völliger Unschuld. Und der Unschuldsengel, der da auf die Bühne schlendert, steht dem in nichts nach: Scott Weiland erscheint im edlen schwarzen Einreiher mit schneeweißer Krawatte. Indes: Seinen ramponierten Gesundheitszustand sieht man ihm an. Die ausgemergelte Figur wirkt zerbrechlich, das ausgezehrte Gesicht mit den tief in den Höhlen liegenden Augen ist das eines Junkies. Der Begrüßungsjubel für den gerade aus den Fängen des Heroins Entkommenen fällt herzlich und üppig aus – die Fans scheinen sich über die Wiederkehr des Sängers ehrlich zu freuen.
Gitarrist Dean DeLeo, Bassist Robert DeLeo und Drummer Eric Kretz verrichten ihre Arbeit bestens gelaunt und scheinen froh, endlich wieder auf einer Bühne zu stehen. Weiland strahlt nervöse, fast dämonische Energie aus, wenn er zu ‚Pop Love Suicide‘, ‚Vasoline‘ oder ‚Daisy‘ über die breite Bühne wirbelt. Aus dem gitarrenorientierten Grunge der ‚Core‘-Gründerzeit der Pilots hat sich inzwischen der vielschichtige Psychedelic-Pop von ‚Tiny Music‘ herausgeschält – eine Mischung, die sich beim bunt gemischten Publikum breiten Zuspruchs erfreut und ganz prima rüberkommt. Zur powervollen Musik läuft im Hintergrund eine abwechslungsreiche, in ihren Mitteln drastische und in der Aussage gelegentlich platte Videoshow: Die Projektionen zeigen bei ‚The Big Empty‘ Gehenkte, die am Galgen baumeln, oder bei ‚Pretty Penny‘ eine Wiese mit blühenden Blumen.
Nach zehn Songs und einigen Momenten völliger Dunkelheit kehren STP auf einem übergroßen orientalischen Diwan mit weinrotem Brokatkissen zum Akustik-Set bei Kerzenschein zurück. Vier Songs (sehr schön: das Led Zeppelin-Cover ‚Dancing Days‘) sind genau einer zu viel: Trotz diverser Instrumentenwechsel können STP den Spannungsbogen nicht halten. Ein Manko, das für die komplette Show gilt: Das Ganze hat einige Längen, die mehr als zwei Flugstunden (27 Songs) werden zur Geduldsprobe. Abgesehen davon, daß nicht alle Songs den Standard von ‚Interstate Love Song‘, ‚Trippin‘ On A Hole In A Paper Heart‘ oder ‚Lady Picture Show‘ erreichen – weniger wäre an diesem Abend mehr gewesen. Sei’s drum, daran läßt sich im Verlauf der Tour noch arbeiten.
Überraschend kündigt Weiland mitten in der Show „zwei spezielle Freunde“ an: Aerosmiths Dicklippe Steven Tyler und Axeman oe Perry. Die Gäste bringen zwei Songs, ‚Sweet Emotions‘ und ‚A Lick And A Promise‘, bevor sie den Held des Abends ausgiebig umarmen und sich verdrücken – genau die Sorte Pathos, die das Volk liebt. Ebenso das Ende: Zu ‚Big Bang Baby‘ segeln bunte Luftballons auf die Fans nieder. Und die sehen aus, als wollten sie sagen: Guten Flug, Scott!