Suggs
Mit Madness transportierte der Brite die 2-Tone-Rhythmen Jamaikas in den britischen Pop. Sein musikalischer Horizont geht indes viel weiter.
Ich wuchs auf mit …
Sketches of Spain
Als ich ein Kleinkind war, sang meine Mutter in Bars – ein Job, der natürlich in den Abendstunden stattfand. Sie kam spät nach Hause, um drei oder vier in der Nacht. Ich hörte dann die Tür, und oft danach den Plattenspieler. Es war fast immer Sketches Of Spain von Miles Davis. Ich kann jeden Ton dieser Platte mitsingen. Auflegen würde ich sie allerdings nie. Es war eine sehr traurige Zeit für uns.
Der erste Song, den ich selbstbestimmt hörte …
The Rolling Stones
Around And Around
Wir waren gerade nach London gezogen – in ein Apartment, das bereits möbliert war. In meinem Nachtkästchen fand ich zwei Schallplatten ohne Hüllen, nur das blanke Vinyl. Der Vorbesitzer muss sie dort vergessen haben. Vielleicht interessierte er sich auch einfach nicht mehr dafür. Eine davon war von Manfred Mann, die andere von den Stones – Around And Around, ihr erstes verdammtes Album! Man kann also sagen, dass ich mich früh für R’n’B britischer Prägung interessierte. Später kam dann Glamrock. Bowie, T.Rex, der ganze Kram. Ich interessierte mich vor allem für Steve Harley, den Sänger von Cockney Rebel. In der Schule trug ich sogar sein Markenzeichen, eine Melone.
Punk entdeckte ich durch …
The Clash
White Riot
Im „Melody Maker“ las ich 1977 einen Artikel über eine junge Band, die The Clash hieß. Ich mochte, wie der Sänger aussah – und kaufte mir ihre Single „White Riot“. Ein paar Tage später ging ich in einen Club, der in dem Artikel erwähnt wurde. Das Roxy, vielleicht zwei Minuten entfernt von meinem Zuhause. Ein Erweckungserlebnis – jeder in diesem Laden war so wie ich! Also anders, verkleidet, individuell. Das Ding war jedoch: Weil es noch nicht so arg viele Punk-Platten gab, spielte der DJ auch jede Menge Reggae. Das interessierte mich viel mehr. Sie dürfen nicht vergessen: Punk ging ein, zwei Sommer lang. Punk war schon 1978 mausetot, ein Modeding.
Der beste Ska-Song ist …
The Specials
The Selecter
Die Specials sah ich früh, es muss 1978 gewesen sein. Sie gaben damals ein Konzert in einem kleinen Pub in der Nachbarschaft. Es haute mich um, es haute mich wirklich um. Sie spielten „Gangsters“ und ich dachte: „Heilige Scheiße! Das ist Musik, die mehr Energie besitzt als alles, was ich jemals hörte.“ Jerry Dammers landete aus irgendeinem Grund an jenem Abend zu Hause bei mir und erzählte davon, dass er jetzt dieses Label gründen würde, 2 Tone Records. Da unterschrieben wir dann auch – das war der Beginn der ganzen verrückten Zeit mit Madness. Noch besser als „Gangsters“ gefiel mir aber die B-Seite „The Selecter“.
Die Pet Shop Boys coverten „My Girl“ – ich würde von ihnen gerne nachspielen …
Pet Shop Boys
Being Boring
Wie die meisten Leute höre ich vor allem die Musik, die mich prägte, die Musik meiner Jugend. Deswegen ist es für mich schwer, auf diese Frage zu antworten. Die 80er-Jahre sind nicht unbedingt die Zeit, die ich mit musikalischer Qualität verbinde. Aber die Pet Shop Boys haben gewitzte, sehr klassische Popsongs geschrieben, und in der Tat könnte ich mir eine sanfte Cover-Version von „Being Boring“ gut vorstellen. (pfeift)
Zuletzt kaufte ich …
Hall & Oates
She’s Gone
Ein Vinyl. Für ziemlich wenig Geld. Die Band ist natürlich völliger Dreck, aber aus irgendeinem bizarren Grund habe ich die Platte mitgenommen. Ich kaufe eine Menge Platten und bin wirklich gerne in Secondhand-Läden. Einen sehr guten gab es in Holloway, in meiner Straße. Leider ist sein Besitzer vor einem halben Jahr die Treppe heruntergestürzt und gestorben. Noch kurz davor holte ich dort die Get Happy von Elvis Costello.
Randnotizen
* Madness gründeten sich 1976 und spielten zunächst unter dem Namen The Invaders. Eineinhalb Jahre später stieß Graham „Suggs“ McPherson zur Band. 1979 erschien die Debütsingle „The Prince“ auf 2 Tone Records. Bald darauf wechselte man zu dem legendären Punk-Label Stiff Records.
* 15 Singles brachten Madness in den britischen Single-Charts unter. Die Nummer eins erreichten sie nur einmal, 1982 mit „House Of Fun“.
* Suggs veröffentlichte in den 90er-Jahren zwei Solo-Alben und arbeitete unter anderem mit Morrissey und Jules Holland. Auch produzierte er Spartacus, das Debüt-Album der britischen Rave-Band The Farm, die er zeitweise auch managte.
* Mit Oui Oui Si Si Ja Ja Da Da ist vor Kurzem das zehnte Album von Madness erschienen.