Supergrass


Supergrass pflegen eine heute selten gewordene Tugend: die Bescheidenheit. Im Gegensatz zu ihren meist großkotzigen Kollegen hatten die Oxforder sich und die britische Insel nicht für den Nabel der Welt. Ohne von heruntergeschlucktem Stolz Bauchschmerzen zu bekommen, tourt das Trio hierzulande einsichtig durch kleine Clubs. Ihr Live-Debüt in Deutschland gaben Supergrass im Hamburger Logo, einer der ersten Adressen für Brit-Importe. Großzügig wie sie sind, räumten die Engländer ihrer Vorgruppe viel Zeit ein. Vierzig Minuten standen The Presidents of the United States of America auf der kleinen Logo-Bühne – nur zehn Minuten weniger als der Hauptact. Die Musiker aus Seattle spielen Pop Punk der freundlichen Sorte: eingängige Melodien und Rhythmen zum Mithopsen, versehen mit einem Schuß Schrägheit. Ihr Ehrgeiz beschränkt sich darauf, Spaß zu bringen und diesem Anspruch wurden die Amerikaner bravourös gerecht. Obwohl die Präsidenten nicht das originellste musikalische Konzept im Gepäck haben, verströmten sie – wenigstens für die Dauer ihres Auftrittes – die Aura der Einzigartigkeit.

Supergrass gingen danach den umgekehrten Weg. Während ihr Debüt ‚I Should Coco‘ vor Kreativität nur so zu bersten scheint, leidet die Band live am Vorgruppen-Syndrom: sie wirkt gesichtslos und austauschbar. Von der Vielseitigkeit des Albums kam im Konzert bestenfalls eine leise Ahnung rüber. Die hymnische Single ‚Alright‘ schmierte ohne das scheppernde Piano deutlich ab, und das verträumt-psychedelische ‚Sofa (Of My Lethargy)‘ fehlte im Set gleich ganz. Auf den Spaß der Helium-getränkten Stimmen in ‚We’re Not Supposed To‘ mußte man live sowieso verzichten. Doch die Musik von Supergrass sollte eigentlich auch ohne instrumentale und produktionstechnische Kniffe ihre Qualitäten entfalten.

Den Songs von Gaz Coombes, Mickey Quinn und Danny Goeffey fehlt es nicht an Dynamik. Der Konzert-Opener Td Like To Know‘, ‚Mansize Rooster‘ und ‚Sitting Up Straight‘ sind eigentlich wie geschaffen, um den Laden in Schwung zu bringen. Aber schlechter Mix und mangelnde Abstimmung haben schon viel bessere Lieder kaputtgemacht: Sänger Gaz hatte Schwierigkeiten, sich gegen die krachenden Gitarren und das dominante Schlagzeug zu behaupten. Bei ‚Mansize Rooster‘ irritierte der Tonlagen- und Tempowechsel in der zweiten Strophe. Der kleine Lapsus wäre eigentlich kaum erwähnenswert, hätte das Trio ihn durch Intensität und Atmosphäre wieder wettgemacht. Doch genau das ging an diesem Abend wohl über die Kräfte der gesundheitlich angeschlagenen Jungs mit den kinnlangen Koteletten. Die berühmten Funken flogen ohnehin schon eher spärlich durchs Logo. Bei den Hochgeschwindigkeits-Songs hätte aber der eine oder andere überspringen müssen. Nur: Die an sich aufgeschlossenen Hamburger hielten sich zurück – sieht man einmal von dem jungen Mann ab, der anfangs tanzend die Bühne erklomm (keine sportliche Höchstleistung in einer Location, in der man schon in der dritten Reihe kaum noch die Bühne sehen kann).

Spätestens als Supergrass mit ‚Odd‘ und ‚Time‘ in den langsamen Teil abtauchten, war die Langeweile fast mit Händen greifbar. Doch gerade in der musikalischen Trägheit bewies das Trio zum ersten Mal an diesem Abend Größe: Entrückt und wild versanken die drei in der Musik. Trotz ihrer Jugend und Grimassenschneiderei haben Supergrass mit Fun-Punk ä la Green Day nichts zu tun. Ihre Ernsthaftigkeit und musikalische Tiefe wird sie miese Konzerte wie diese überleben lassen.

Nach dem Berlin-Konzert am 4. Dezember mußten Supergrass ihre Tour abbrechen. Grund: ein schwerer Krankheitsfall in der Familie von Mickey Quinn. Die ausgefallenen Shows werden am 21. Februar in München (Strom) und am 22. Februar in Köln (Luxor) nachgeholt.