Das Festival in den japanischen Alpen ist eines der bestgehüteten Geheimnisse des Sommers – noch.
Schon der Anfang verspricht Großes: Boredoms, die Experimental-Heroen aus Osaka, bespielen nicht nur die Bühne, sondern auch das Publikum. Bedeutet: Ein halbes Dutzend Schlagzeuger lässt sich auf hohen, baugerüstähnlichen Wagen an verschiedene Stellen vor die Hauptbühne fahren und drischt inmitten der Festivalbesucher eine gute Stunde lang urgewaltig los. Wir sind in Japan. Genauer: in der Präfektur Nagano in den japanischen Alpen. Noch genauer: auf dem Taicoclub-Festival, einem Allnighter irgendwo im Spannungsfeld zwischen Pop, Techno und Avantgarde, der seinen Status als Geheimtipp langsam, aber sicher loswird. Innerhalb weniger Tage war die Sause ausverkauft. Die Zelte der Besucher – auch bei nur einer Nacht nehmen die Japaner den Outdoor-Aspekt eines Festivals und die standesgemäße Ausrüstung SEHR ernst – kauern sich an die steilen Hänge hinter der Waldbühne, die in ihrer hölzernen Rustikalität ein wenig an eine Berghütte erinnert. Dort erleben wir den ersten Höhepunkt: King Krule, der gerade mal 17-jährige Brite, den man früher als Zookid kannte und der unter seinem neuen Namen unfassbar traurigen Frickel-Blues spielt, den seine Begleitmusiker deutlich analoger inszenieren als auf CD. Am Abend zuvor, so erzählt man uns, habe er beim gemeinschaftlichen Karaoke The Smiths gegeben. Wie gerne hätten wir das gehört!
Später dann Mouse On Mars, Animal Collective und Africa Hitech. Das Duo holt die auch im gelösten Zustand eher zurückhaltenden Japaner mit einem ungeheuer intensiven Breakbeat-Set in die Sonne des nächsten Tages. Gegen sechs Uhr früh, als die Wärme sich langsam ins Tal schiebt, übergeben sie an einen dezent angedrufften Ricardo Villalobos. Ein angemessener Ausklang für eine Nacht, die uns vor allem eines lehrt: Ein Festival kann auch anders funktionieren als bei uns. Ohne Bannerwerbung, die einem den Blick auf die Bühne verstellt, ohne Massen an Securitys. Dafür mit japanischem Steckerlfisch als Snack und mit angemessener Rücksicht: Jede Dose, jeder Becher landen sofort im richtigen Mülleimer. Das Taicoclub-Festival findet in einem Naturschutzgebiet statt, und das wissen auch die Besucher.
