The Mars Volta – München, Kleine Eiserhalle
Yes mit den Mitteln des Funk-Metol-Alternative Rock: This is my definition of prätentiöser Wichtigtuer-Unfug.
The Mars Volta, diese crazy cunts. Sehen super aus, waren mal die großartigen At The Drive-In und machen jetzt den Progressive Rock wieder, äh, „salonfähig“. Könnte schlechtere Voraussetzungen für einen potenziell grandiosen Konzertabend geben. Gut, die Platte ist sperrig, aber live müsste das doch knallen wie Sau. Was?
Sie spielen jetzt schon eine Stunde und man denkt über Progrock nach. Ein Problem von Prog ist, dass er mitunter nicht weifi, wo er hin will und das Getüdel im Selbstzweck verbläht. Und es schwant: Diese Musik hier hat nicht den Schimmer einer Ahnung, wo sie hin will. Okay, ganz manchmal keimt Spannung, dann krallt sich aus dem ungefähren Gejamme heraus ein Bassriff fest, zieht an, das Schlagzeug hakt ein, Omar Rodriguez-Lopez legt ein Gitarrenriff dazu, plötzlich drückt alles in eine Richtung, es brizzelt – aber 97 Prozent dieser Momente lösen sich nach 30 Sekunden wieder ins Diffuse auf, schwurbeln davon in einen dieser unendlich eitlen, sich unendlich wichtig nehmenden Noise-Freejazz-Jams, die gefühlte zwei Drittel des Konzertes ausmachen. The Mars Volta erinnern an Led Zeppelin, wurde geschrieben. Das tun sie tatsächlich, und zwar genau an die vier Minuten im Mittelteil von „Whole Lotta Love“, wo der Song in diesem Jam-Zwischenreich festhängt, bevor ßonzos mächtiges Break und Jimmy Pages Gitarre den Bann lösen. Diese vier Minuten, minus die Erlösung, ins Unendliche gestreckt, das ist The Mars Volta live. Ständig bauen sie irgendetwas auf, schwillt irgendetwas zu einer Intensität, die auf eine Klimax, etwas Orgasmatisches hoffen lässt – aber es passiert nichts. Ein Konzert wie ein geloopter coitus interruptus. So gewillt wäre man, ihnen all die zermürbende Weitschweifigkeit zu verzeihen, würden sie nur EIN EINZIGES MAL etwas wirklich Erstaunliches. Unfassbares, Unerwartetes, Bewegendes, Haarsträubendes, Adrenalinpumpendes tun. Einen Teufel tun sie.
Es ist vielmehr ärgerlich. Dies ist genuin lustfeindliche Musik; Musik, die zwar ständig so tut, als sei das Gegenteil der Fall, die sich aber jeder urtümlichen emotionalen Hingabe verweigert (Abteilung: wir rocken nicht unter unserem Niveau) – insofern die genaue Definition von verkopfter, elitärer Wichtigtuer-Wichse. Es wird einem hier so gut wie nichts geboten oder gegönnt, worauf man abheben könnte: Keine Songs, keine Strukturen, keine Seele, kein Soul, kein Herz, kein Arsch, kein Charme oder Humor, keine Inhalte, die halbwegs nachvollziehbar wären, nicht einmal – somit tragen sie noch nicht einmal dem niedersten Beweggrund von Progrock Rechnung einfach nur schnöde Virtuosität. Omar ist ein erstaunlicher Gitarrist, ja. Man denke sich aber mal den tollen Afro, die freaky Physiognomie und Motorik weg, und er ist nur noch halb so erstaunlich mit seinem ewigen 08/15-Santana-auf-Peyote-Gegmedel und wenigen irgendwie tollen Ergüssen. Cedric Bixler ist ein explosiver Frontmann, aber blendet man dieses Explosive – das hier ohnehin wie eine Parodie seiner At The Drive-In-Bühnenpersona wirkt – mal aus, bleibt nicht viel mehr als über weite Strecken gleichförmiges Falsett-Gejaule. Bei At The Drive-In war Bixter die Hälfte der Konzerte damit beschäftigt, dem Publikum wichtigheimerisch das gefährliche Moshen auszureden. Das ist jetzt nicht mehr nötig: Abgesehen von den kurzen Parts, in denen die Sache tatsächlich mal rockt oder funkt, steht das Gros der Leute wie angewurzelt da und man glaubt in vielen Gesichtern die Anstrengung zu erkennen, sich das Gedöns schön zu hören.
Es ist schon spät, endlich ist der Hauptset zu Ende. Der Bassist schafft es aber nicht einmal jetzt, den Rand zu halten, sondern soliert durch irgendwelche Verzerrer nichtssagend-enervierend die Zeit zwischen Set und Zugabe voll. Der Applaus, der schließlich pflichtschuldig aufbrandet ist genau derselbe, den auch der Bassist von Sting bekommt, wenn Minute fünf seines komplexen Fretless-Workouts anbricht. Es ist niederschmetternd. Ein Mädchen meint danach, man müsse sich da schon drauf einlassen, müsse vor allem die Platte kennen. Sie habe die mittlerweile 15 Mal gehört und fand das jetzt schon totl, irgendwie. Wirklich: zu viel Arbeit, zu wenig Lohn.