The Singles


Und schon wieder was Neues vom Washingtoner Produzentenduo Benoit & Sergio auf DFA: die 12-Inch „Principles / Everybody“ (DFA). Der Track „Principles“ hüllt housig-discoide Anmutung in einen feinen Psych-Pop-Nebel ein. Während „Everybody“ auf der B-Seite einen Hauch von Melancholie in der vermeintlichen Leichtigkeit balearischer Versatzstücke entdeckt.

Eine hübsche 10-Inch (blaues Vinyl) legt uns der Mann vom Kurierdienst gerade auf den Schreibtisch. Es ist „The Mindeater“ (Sophomore Lounge – US-Import) von Bonnie „Prince“ Billy / The Phantom Family Halo. Die Zusammenarbeit zwischen Bonnie Billy und dem Multiinstrumentalisten Dominic Cipolla hat vier Lieder hervorgebracht, von denen allein schon der spooky Minimal-Folk des Titelsongs das Eintrittsgeld wert ist. Aber da ist ja auch noch das Everly-Brothers-Cover „I Wonder If I Care As Much“, das als knackiger Countryrocker, circa Neil Young, Zuma, beginnt und sich im Verlauf von fast acht Minuten in eine psychedelische Extravaganza verwandelt, von der die frühen Grateful Dead geträumt haben dürften.

Kommen wir von Bonnie „Prince“ Billy zu Bonnie „Prince“ Billy und seiner 10-Inch-Single „There Is No God / God Is Love“ (Domino/Good To Go). Der kluge Singer/Songwriter fährt nämlich mehrgleisig und veröffentlicht seine Musik auf verschiedenen Labels. Der Song auf der A-Seite, der die Existenz Gottes leugnet, ist ein Folkrocker mit elektrischen Gitarren als Leadinstrument. Der andere, der das genaue Gegenteil tut, kommt als traditionalistischer Countryfolker mit herzergreifenden weiblichen Harmony-Vocals. Die Erlöse aus den Verkäufen dieser Single werden u.a. dafür verwendet, die Sauerei, die BP im vergangenen Jahr im Golf von Mexiko angerichtet hat, zu beseitigen.

Geschmackvoll gestaltete Cover wie das der 12-Inch „Acid Trax“ (Afro Acid) von DJ Pierre & Green Velvet Vs Phuture sorgen seit zweieinhalb Jahrzehnten dafür, dass elektronische Musik auch in Kreisen der Gitarren-Faschisten mehr und mehr Freunde findet. Immer wenn es um den legendären DJ Pierre geht, mit der Band Phuture „Erfinder“ von Acid House, sind Rerecordings und Remixe seines größten Hits „Acid Tracks“ nicht weit. Neben dem (remasterten und beschleunigten) Original des einflussreichen 1986er-Zwitscher-Hits gibt es hier das „2011 Remake“ des Tracks, das naturgemäß fetter produziert ist, aber dem Original nicht das Wasser reichen kann. Gewinner unter den drei Neubearbeitungen ist der „Kris Menace Remix“, mit dem der deutsche DJ und Produzent eine Elektro-Transfusion legt, aber den Spirit des Originals besser trifft als Pierres Neuaufnahme.

Wenn einer vor 15 Jahren so Bahnbrechendes geleistet hat wie Josh Davis mit seinem Debütalbum Endtroducing …, fragt man sich, bringt’s der eigentlich noch, der DJ Shadow? Die „I Gotta Rokk EP“ (Universal) – als Vorbote auf das im Herbst erscheinende neue Album The Less You Know The Better – gibt Antworten auf diese Frage, die nicht in jedem Fall „ja“ lauten. Der Titeltrack rokkt wirklich, klingt wie eine komische Mischung aus The Prodigy und ganz frühen Beastie Boys. „I’ve Been Trying“ ist dann Davis‘ Auslegung von Pink Floyd’scher Lagerfeuerromantik. Allein „Def Surrounds Us“ sagt „ja“ als verspielter, experimenteller Elektro-Track mit 8-Bit-Anmutung.

Das Paradoxe an Berlin: trotz der fast 900 Quadratkilometer Fläche findet das Wesentliche doch in mikrokosmischen Gebietseinheiten statt. Oder anders: im richtigen „Kiez“ läuft man immer denselben Pappnasen über den Weg. Neulich an der Ecke Bergmannstraße/Gneisenaustraße in X61, wie wir Berliner sagen, federt Aérea Negrot (ausdrücklich: keine Pappnase) vorbei – Sängerin von Hercules & Love Affair und Solokünstlerin in her own right. „Right Body Wrong Time“ (BPitch Control/ Kompakt) ist ihre zweite 12-Inch mit vier Tracks, die mit minimalem Einsatz das maximale Ergebnis erzielen, sich irgendwo zwischen discoidem House, Dub und experimenteller Weirdo-Elektronik bewegen, dazu die Wahnsinnsstimme der Venezolanerin. Wir freuen uns aufs Album. Vielleicht bringt sie es ja persönlich vorbei, wenn sie wieder mal in der Gegend unterwegs ist.

Die erste 12-Inch mit Remixen von Tracks des Radiohead-Albums The King Of Limbs, „Little By Little / Lotus Flower“ (XL Recordings), wundert uns schon ein bisschen. Sie ist nicht auf 20 Stück limitiert und scheint in jedem ordentlichen Plattenladen erhältlich zu sein. Der „Caribou Remix“ von „Little By Little“ kreist um eine hübsche Pianomelodie. Jacques Greene lässt in seinem Remix von „Lotus Flower“ auch keinen Stein auf dem anderen – beide vermitteln aber hundertprozentig ein Radiohead-Gefühl.