THE SISTERS OF MERCY


Raserei im Nebel! Wie ausgehungert die deutsche Schwesternschaft war, zeigte der frenetische Jubel, als Andrew Eldritch und seine neue Mannschaft ihre neue Show vorstellten. Da konnte eigentlich gar nichts schiefgehen. Kaum dampften die ersten Nebelschwaden von der Rampe, kaum ertönten die ersten Takte von „First And Last And Always“, da dämmerte es dann auch dem letzten Zweifler, daß sich alle falschen Bet-Schwestem besser zur Missions-Arbeit in die Talmi-Katakomben zurückziehen sollten.

Doch die neuen Sisters Of Mercy gehen nicht unbedingt auch neue Wege. Die sauber aufeinander abgestimmten Gitarren-Duelle von Tim Bricheno und Andreas Brunn klangen allenfalls sauberer und präziser als frühere Versionen, Tony James pumpte schicksalsschwere Akzente in die Soundwälle und Dan Donovan (von Big Audio Dynamite) kümmerte sich um Dr. Avalanche, die wohlbekannte Syndrum-Maschine, die mit gebieterischer Lautstärke unnachgiebig die Bauchdecke flattern ließ. Andrew Eldritch selbst war leicht indisponiert und hatte mit Erkältung und Kehlkopfentzündung zu kämpfen, was ihn leicht mürrisch und verkniffen erscheinen ließ — aber eine Frohnatur und Stimmungskanone war er ja sowieso nie. Seine fast panische Abneigung gegen Konzerte kämpfte er indes nieder und agierte mit der Coolness eines Top-Managers.

Live zeigte sich noch deutlicher auf dem neuen Album VISION THING, daß die neuen Mitschwestern zwar kompetente Sidemen, aber keineswegs Impulsgeber sind. Herrscher Andrew bestimmt den Ton und die Richtung, und er hat immer recht. Das Bühnen-Design lieferte mit dicken, hängenden Ketten und sparsamen, gezielten Lichteffekten stets den richtigen Rahmen für die atmosphärische Massage der Songs. Die strenge Sisters-Show verfehlte denn auch diesmal nicht ihre Wirkung.

Die Sisters Of Mercy haben sich in alter Klasse zurückgemeldet — mit Pathos, Power und neugewonnener musikalischer Brillanz, vor allem auf seiten der zwei Gitarristen. Auch wenn sich im dichten Nebel nicht immer feststellen ließ, wer gerade welches Solo spielte.