The Steve Gibbons Band


…noch so’n Geheimtip!

In einem seiner Musikladen-Specials wird Mike Leckebusch demnächst die Steve Gibbons Band auf dem Bildschirm präsentieren. Vielleicht gibt es dann wieder zwei bis drei Leute mehr, die ihre hervorragende LP „Down In The Bunker“ kaufen oder zu ihren Auftritten kommen, auch wenn am selben Abend Nina Hagen und Santana angesagt sind.

Hamburg ist bekanntlich nicht London, wo an ein und demselben Abend fünf verschiedene Acts volle Häuser haben. Aber das ist manchen heimischen Veranstaltern, die vom Verscherbeln mehr oder weniger bekannter Gruppen leben, offenbar egal. Und so kann es dann passieren, daß eine so herausragende Gruppe wie die Steve Gibbons Band zu einem Fernsehauftritt („Musikladen“) und zu Livekonzerten nach Deutschland kommt und niemand so recht darüber Bescheid weiß, weil so gut wie keine oder aber ganz falsche Werbung fürs Konzert läuft. Aber was weiß man in Birmingham schon von der deutschen Veranstalterszene? Also spielte einer der schärfsten Geheimtips der letzten Jahre im spärlich besuchten „Winterhuder Fährhaus“, während bei Nina und Carlos – beide gut promotet fürchterlich gedrängt wurde.

Steve, der Mann mit der verwegenen Attraktivität eines Zigeuners, gibt sich zurückhaltend. Auch noch mit geschorenem Bart und mit geschnittenen Haaren bleibt er der Blickfang, nicht nur wegen seiner schreiend grünen Socken. Noch so einer, der sich nur in seiner Musik auslebt. Voller Energie und Ausdruck auf der Bühne, muß er im Gespräch erst einmal auflaufen. Jahre des Hungerns haben ihn und den Rest der Gruppe so genügsam gemacht, daß sie mit ihrer Rolle als Kultband der Birmingham-Szene eigentlich schon zufrieden sind. (Zu ihren engsten Freunden zählt übrigens die Reggae-Band Steel Pulse). Wenn sich darüberhinaus noch etwas abspielt, umso besser.

Jahrelang sahen sie darum keine Veranlassung, Birmingham zu verlassen. „Wir haben seit Jahren eine treue Gefolgschaft. Die Leute kommen, weil sie den wachsenden Erfolg ihrer Band mitgenießen wollen,“ erklärt Steve. „Es gibt Gruppen, die schon früher abwandern, um eben erfolgreicher zu werden. Aber die identifizieren sich auch nicht so stark mit der Szene. Wir nehmen das sehr ernst.“ Die Birmingham-Szene, die immerhin Anfang der 60er Jahre Gruppen wie die Moody Blues, die Move, die Spencer Davis Group, später Traffic hervorbrachte, blüht auch heute wenn auch weniger spektakulär. „In Birmingham lebt eine intensive Live-Szene,“ erklärt Steve, „unter anderem, weil es eben viele Möglichkeiten für kleinere Bands gibt, aufzutreten. In London ist es dagegen ganz anders, weil dieses city feeling nicht existiert. Dort ist alles dezentralisiert, zu kosmopolitisch. Die Musiker identifizieren sich weniger mit der Stadt, weil sie meistens aus anderen Orten kommen.“

Der Sprung ins kalte Wasser war aber auch für Gibbons und seine Leute angesagt. 1975 schleppten die Who sie als Support mit. Nach vier Jahren trennten sich Steve, die Gitarristen Dave Caroll und Bob Wilson, Bassist Trevor Burton und Drummer Bob Lamb vorübergehend von den vertrauten, intimen Clubs, um auf die Riesenbühnen zu steigen. Der inzwischen verstorbene Peter Meiden, Entdecker der Who, hatte Pete Townshend nämlich einem Londoner Gig der Steve Gibbons Band mitgenommen. Townshend soll sprachlos gewesen sein. Dieses straighte Rock’n’Roll-Feeling hinter der musikalischen Flexibilität, das fesselnde Charisma dieses dynamischen Sängers, dessen Stimme vom Elvis-Timbre zum schnarrenden Dylan-Appeal umschlagen konnte, faszinierten ihn. Fortan kümmerte sich das Who-Management um die Gibbons-Leute, und Daltrey verpflichtete sie für sein Goldhawk-Label. Vorher hatte man Steve allerdings noch aus den vertraglichen Schlingen eines gewissen Tony Secunda befreit.

Tony Secunda hatte jahrelang Steve’s Karriere blockiert. Ende der 60er Jahre wollte der ehemalige Move-Manager nach bewährtem Muster eine Supergruppe aufziehen. So steckte er einige Musiker zusammen in ein Landhaus (eine Methode, die offenbar seit Traffic sehr in Mode war). Steve war dabei, Denny Laine. der gerade seine Moody Blues-Zeit hinter sich hatte, und unter anderem auch Trevor Burton, ehemals Bassist bei den Move und heute bekanntlich bei Gibbons. Die Sache kam jedenfalls nicht in Gang, und Steve setzte sich ab. 1971 nahm er dann für Secunda’s Wizard-Label eine Solo-LP auf: „Short Stories“. Zu den Mitwirkenden zählte übrigens auch Gitarren-As Chris Spedding. Kurz darauf tat er sich mit dem Rest einer Band zusammen, die sich Idle Race nannte und zu deren Gründungsmitgliedern einst der spätere ELO-Boß Jeff Lynne zählte. Aus Idle Race wurde schließlich die Steve Gibbons Band. Weil Steve all die Jahre hindurch noch an Secunda’s Vertragspapier gebunden war, gab es natürlich auch keine Möglichkeit, irgendwoanders eine LP aufzunehmen. So kam es, daß die erste LP, „Any Road Up“, erst 1976 erschien produziert vom Who-Bassisten John Entwistle.“.Rollin‘ On“ folgte noch im selben Jahr.

Verglichen mit der Live-LP „Cought In The Act“ und natürlich mit der jüngsten, „Down In The Bunker“, klingen die zwei ersten LP’s zwar noch ein wenig flach, obwohl der Reiz des Gibbons’schen Tremolo schon deutlich aus den Rillen kam. Auf ihrer bisher letzten LP, produziert von Tony Visconti, schafften sie es nun, ihre musikalische Vielseitigkeit so perfekt zu präsentieren, daß der Spannungsbogen vom hartgesottenen 50er Rocker bis hin zum dylanesk vorgetragenen Countrysong wie aus einem Guß ins Ohr geht.

„Viele Bands verfolgen nur einen bestimmten Stil,“ erklärt Steve dazu, „entweder Heavy Metal oder Country. Wir spielen alle Facetten der elektrischen Musik durch, und das unterscheidet uns eben von den meisten Gruppen. Mit der dritten Studio-LP haben wir’s zum Glück geschafft, alles ohne Bruch miteinander zu verbinden.“ Auffällig blieb Gibbons‘ starke Dylan-Affinität bei Songs wie „Celita“ oder „Big J.C. zum Beispiel. „Ich klang noch viel stärker wie Dylan in den 60er Jahren,“ lächelt er. „Ich bewundere ihn eben sehr. In den 60er Jahren kam er für mich gleich nach Elvis, der mich in meiner Jugend stark beeinflußte. Es ist eben irgendwie drin und bahnt sich seinen Weg ‚raus. Ich fände es falsch, wenn ich es mit Gewalt unterdrücken würde.“

Trotz saftiger Rock’n’Roll-Fetzer wie „Eddie Vortex“, die bei einem Gibbons-Gig die Clubs zum Kochen bringen, gibt es im Repertoire der Band durchaus eine Menge sensibler Balladen, die im kleinen Kreis besser an den Mann zu bringen sind als in 10000er Hallen. „Steve’s Songs verlangen einen engen Kontakt, weil die Zuschauer dann sein Gesicht sehen können,“ erklärt Trevor Burton. Und: „Auf einer großen Bühne muß man alles so stark übertreiben.“ Daß ihnen so etwas nicht ganz geheuer ist, merkt man ihnen an. Große Lust, die große Schau abzuziehen hat keiner, auch nicht der neue Saxophonist Nick Pentelow. Gute Musiker sind sie allemal, doch die action überlassen sie lieber ihrem frontman.

Würden sie denn nochmal im Vorprogramm der Who auftreten, oder wollen sie in Zukunft lieber headliner sein? Natürlich würden sie, denn die Who gehören ja immerhin zu den besten Bands der Welt. Falschen Stolz kennen sie da nicht, und überhaupt findet Steve diese Unterteilung in Support- und Hauptgruppe ziemlich albern. „Das hat sich in den letzten Jahren so eingebürgert,“ meint er. „Als ob man als Support immer etwas Minderwertiges bieten würde. Unser Beitrag wäre nicht minder kraftvoll!“ Er erinnert sich: „In den 60ern war es so, daß man mehrere Künstler auf Tournee schickte, verschiedene Gruppen gleichberechtigt in eine Show integrierte. So wie Stiff Records das heute mit ihren Leuten tun? „Genau! So ergibt sich eine Vielfalt der Unterhaltung von der Ballade bis zum Rock’n’Roll. Ich fand es auch ganz gut, wenn comedy acts dabei wären. Stiff kommt schon ziemlich nahe dran! Zwanzig Minuten für jeden Set, keine Umbaupausen, weil alle über eine Anlage spielen, und niemand ist Top Of The Bill.“ Könntest du dir vorstellen, zum Stiff-Stall zu gehören? Steve überlegt… „Jaaa, wenn wir keinen Schallplattenvertrag hätten, könnte ich mir schon vorstellen, daß wir die Art von Band wären, die Stiff unter Vertrag nimmt.“