„Tobi isst mal schnell 3 Mettbrötchen“
Alle (und deine Mutter) erzählen sich ihr Leben mit Twitter. Alltagspoesie in 140-Zeichen-Häppchen. Hier ist eine neue Elite im Begriff zu entstehen", sagt der Internetkritiker.
„HI TWITTERS“, schrieb Oprah Winfrey im April in schreienden Großbuchstaben in ihrem ersten Posting bei Twitter. „FEELING REALLY 21st CENTURY“. Und auch wenn Twitter-Gründer Biz Stone (35) wenig später in den New York Times erklärte, dass seine Schäfchen „Twitterers“ und nicht „Twitters“ heißen – böse war er Oprah nicht. Nachdem die vermutlich populärste Afroamerikanerin der US-Geschichte zum ersten Mal so unbeholfen „getwittert“ hat, verzeichnete das Unternehmen 43 Prozent mehr Traffic. Twitter – das seinen Benutzern erlaubt, allen „Freunden“ 140 Zeichen lange Botschaften zu schreiben (“ Matthias kocht sich Nudeln… Yummy!“) — hat sich zu einem Internet-Phänomen entwickelt. Nach der Gründung im August 2006 dümpelte das Unternehmen zunächst im Untergrund dahin, im letzten Jahr aber schössen die Benutzerzahlen um 900 Prozent nach oben. Schuld an der steigenden Beliebtheit ist zum einen Facebook: Viele Benutzer der Social-Networking-Seite gewöhnten sieh an die Twitter-artigen „Status-Updates“, gruselten sich aber zunehmend vor dem restlichen Informationsmüll („Stefan just took the Reiches YPS-Gimmick bist Du?‘-Quiz and the result is: Die Urzeitkrebse!“, etc.). Zum anderen erfreut sich Twitter so großer Popularität, weil es von Celebrities genutzt wird. Ashton Kutcher gehört zu den größten Stars: Er sammelte schneller eine Million „Abonnenten“ seiner Alltagsberichterstattung als der Twittcr-Schlagzeilen-Service von CNN. „Wir leben in einer Zeit, in der eine einzelne Stimme im Netz ebenso viel Relevanz hat wie ein ganzer Medien-Konzern“, sagte er im Interview mit Larry King. „Das hat mich schockiert. „Drei Wochen davor hatte er ein Foto von Demi Moores Allerwertestem getwittert, das er „heimlich“ geknipst hatte. Beim Bügeln. Auch das hatte er getwittert. Twitter ist das Paradies für Menschen, die „Hello“ und „InTouch“ lesen. Wöchentlich ein neues Drama: Jennifer Aniston verließ John Mayer, als sie sah, dass er den ganzen Tag getwittert hatte, obwohl er angeblich keine Zeit für einen Anruf hatte. Dann beleidigte Nine lnch Nails‘ Trent Rcznor Chris Cornell, als er twitterte, dass er sich für dessen aktuelles Album „fremdschäme“. www.celebritytweet.com sammelt alle Star-„Tweets“: „Wenn dein Partner dich nicht oral befriedigen will ist es dann okay, dir das woanders zu holen?“.
fragte Ludacris im April seine gut 80.000 Twitter-Anhänger. Der vielleicht schönste Tweet im letzten Monat lautete: „Pete Wentz@markhoppus haha“.
Andrew Keen, einst einer der schärfsten Kritiker der Blogkultur, hat Twitter überraschend in sein Herz geschlossen. „Künstler, Journalisten, Musiker und Autoren der alten Schule haben keine Chance mehr“, sagte er dem Spiegel. „Wer überleben will, musspermanent an seinem Internet-Image feilen. Twitter ist ein gutes Beispiel dafür. Hier ist eine neue Elite im Begriff zu entstehen.“
Was diese Elite, die da angeblich entsteht, zu einer solchen machen soll, ist nicht ganz klar. Hebt sie sich über die twitterlose Masse ab, in dem sie ihr Leben in einem Bad aus gelinde unterhaltsamem, letztendlich aber sinnlosem Informationsschlamm verbringt? Immerhin hat sie eine Antwort auf die Frage gefunden, die Snoop Dogg im April twitterte: „Yall really like tha twizzle ishh?“
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