Ulrich Tukur: Kulturschock
Für das miefige deutsche Puder-Feuilleton schon fast ein Skandal: Ulrich Tukur, hochgelobtes Schauspiel-Talent mit Zadek-Zeugnis, schnappt sich eine Quetschkommode und produziert eine Platte mit schrägem Bänkel-Sound.
Die konservativ seriöse Hochkulturwelt schreit auf: Ulrich Tukur, Lieblingskind der deutschen Theaterkritik, meistgelobter und mehrfach ausgezeichneter Jungschauspieler der Nation mit dem bewiesenen Zeug zur wahren Bühnengröße, hat sich in die Niederungen der Popkultur herabgelassen. Und wie! – Textprobe: „Warum nur hast du den Hamster an die Wand genagelt? Er war doch so ein wunderschönes Tier. Der Hamster an der Wand ist eine wahre Schand.“
Das kommt davon, wenn man sich hauptberuflich permanent mit Literatengut auseinandersetzen muß. Tukur selbst sieht es mit Schmunzeln: „Natürlich sagen jetzt viele Mein Gott, warum macht er denn sowas, der verliert ja völlig den Bezug zu sich selbst.‘ Aber das ist mir scheißegal. Ich mach‘ auch noch eine Platte, rein aus Trotz. Sich über die Engstirnigkeit der Leute hinwegzusetzen ist doch eine wahre Freude.“
Außer einem Ruf, dem er sich nicht verpflichtet fühlt, hat Tukur ohnehin nichts zu verlieren. Und so mischt er mit Ex-Ideal-Mann F. J. Krüger an der Gitarre, auf dem Longplayer TANZPALAST unverfroren Schlagervergangenheit der Zwanziger, traditionelle Tanzrhythmen und späte NDW-Klänge zu einer eigenen skurrilen Liedermischung. Die vielerorts bemühten Hans Albers-Vergleiche hat der Bühnentroubadour mit Wohnsitz St. Pauli allerdings langsam satt. Er hat seine eigene klingende Vergangenheit als Musiker der Straße: „Damals waren wir der Hit in Tübingen. ,Schleim- und Behelfsjazz‘ hieß die Band, ein versoffener abgestürzter Hochadliger, der ein Benzinfaß mit Besenstiel und Wäscheleine bearbeitete, ein wahnsinniger Geiger, ein Rhythmusgitarrist und ich am Akkordeon. War toll. Wir hatten sogar Radio- und Fernsehauftritte. Und immer genug Geld zum vertrinken.“
Seinem zweiten Karriereanlauf in Noten sieht Tukur genauso gelassen entgegen: „Mir hat’s Spaß gemacht, und ich habe jetzt immer das passende Geschenk für entfernte Bekannte zur Hand. Wenn ich Glück habe, kann ich weitermachen, und wenn nicht, dann spiel ich halt drei Jahre den Mc-Beth.“