Videopremiere: Das Song-Debüt der Schauspielerin Sandra Hüller drückt uns gegen die Wand


Schon das erste Stück von Sandra Hüllers erster EP gibt einem das gute Gefühl: Hier nutzt nicht einfach die nächste Schauspieler*in ihre Prominenz für ein bisschen Karriere-Aufblähung oder um das Publikum mit öffentlichen Zuschaustellungen aus dem Hobbykeller zu langweilen. Der Song „My Love (Last Breath)“ packt einen richtig.

Leider immer noch nicht fertig, aber längst überfällig: unser „Fragebogen für Schauspieler*innen, die jetzt auch noch singen (müssen)“. Für die nächsten Prahls und Liefers´, die es auch nicht lassen können, mit ein paar, sicherheitshalber ironisch verpackten Kritikpunkten und Bosheiten in und zwischen Zeilen gespickt. Für Sandra Hüller wollten wir den jetzt endlich mal fertigmachen und rüberschicken, denn die außergewöhnliche und (mehrfach) ausgezeichnete Theater-, Fernseh- und Filmschauspielerin („Toni Erdmann“, „Requiem“ u.a.) tut das jetzt eben auch – sie bringt eigene Musik heraus.

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Doch dann haben wir „My Love (Last Breath)“ angehört, dieses nicht einmal zwei Minuten lange Stück Experimental-Bläser-Rock, in dem Sandra Hüller einen mal eben an die Wand sireniert wie die junge PJ Harvey, nur noch ein wenig gellender und fast noch dringlicher. Und dann ließen wir das mit dem Fragebogen bleiben und sagten umso lieber zu, als wir gefragt wurden, ob wir die Online-Videopremiere für ihr Song-Debüt übernehmen möchten.

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Sandra Hüller hat uns hierzu auch noch ein paar Fragen beantwortet. Denn da kommt noch mehr. Eine EP, die allerdings noch keinen festen VÖ-Termin hat, mit weiteren Stücken, klanglich und stilistisch ziemlich unterschiedlich, so ihr Versprechen. Aber Fakt sei auch: „Mein Beruf ist und bleibt Schauspielerin. Das habe ich gelernt. Weil aber immer wieder Fragen kamen, auch aufgrund einiger Theaterproduktionen, die auf Musik aufgebaut sind, wann ich denn mal eine Platte mache, dachte ich, naja, vielleicht jetzt.“

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Die im thüringischen Suhl geborene Schauspielerin erzählt, dass sie schon als Teenager Musik gemacht und mit Bands zusammengearbeitet hat, sich auch danach immer wieder auch an eigenen Songskizzen probierte. Als Autodidaktin, die kein Instrument beherrscht, benötigt es allerdings die Ausarbeitung des Berliner (Theater-)Musikers Daniel Freitag, der bereits zwei Alben veröffentlich hat, um daraus Songs entstehen zu lasse. Was sie ihm dabei nicht vorspielen konnte, versuchte sie als Gesang zu transportieren, sei es die Bläserstimmen in „My Love (Last Breath)“ oder diese seltsame Wehmut bulgarischer Frauenchöre, die sie zeitweise gepackt hatte.

Das Video zu „My Love (Last Breath)“ ist aber nicht nur musikalisch, sondern auch visuell, nun, einigermaßen „schräg“. Die namhafte Schauspielerin: darin unsichtbar. Stattdessen: drei Männer in Jeans-Rocker-Outfits, die ohne Blasinstrumente, sondern an Bass, Gitarre, Schlagzeug seltsam asynchron und leicht zeitlupig performen.

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Die Idee zu dem Video stammt von Regisseur Michael Venus, mit dem Sandra Hüller gerade dessen Langspielfilm-Debüt „Schlaf“ gedreht hat. Wir sehen die Leipziger Band Tarentatec, die den Song live in ihrem Proberaum spielt – hören tut man allerdings das Original von Sandra Hüller. Sie erzählt: „Klar war, ich will in dem Video nicht auftauchen, ich fand das komisch, als Schauspielerin da zu sehen zu sein. Warum kann ich nicht erklären.“ Eine eigenartige und eigenartig anziehende Bild-Musik-Schere, die man sich, nicht zuletzt wegen der kurzen Spielzeit, immer wieder geben möchte.