Warum starb das Rockidol? Michael Hutchence hinterläßt Trauer und Ratlosigkeit
„Wenn Stars sich umbringen, finden die Leute das okay. Dann haben sie was zu lesen“, hat Michael Hutchence vor nicht allzu langer Zeit mal gesagt. Leise fügte er hinzu: „Ich hoffe, daß nicht ich es eines Tages bin,der für solche Schlagzeilen sorgt.“ Ein Wunsch, der sich nicht erfüllt hat. Auf der Titelseite des „Sunday Telegraph“, Sydneys renommierter Sonntagszeitung, prangte am 23. November in fetten Lettern das Wort „Warum?“. Und kleiner darunter „Der wilde Mann des Pop stirbt“. Ein Angestellter des Ritz-Carlton Hotels in Sydney hatte den Leadsänger der australischen Rockband INXS tags zuvor in Zimmer 524 entdeckt. Tot. Michael Hutchence hatte sich mit einem Gürtel erhängt.
Die Medienmaschine sprang sofort an: Warum nimmt sich ein Mann das Leben, dem Kritiker und Fans das Charisma eines Jim Morrison und die Cleverness eines Mick Jagger bescheinigten? Warum tötet sich der Frontmann einer Band, die kurz vor einer Jubiläumstournee steht? Und warum bringt sich ein Mann um, der im Januar mit Bob Geldofs Exfrau Paula Yates die Ehe schließen möchte und der zudem glücklicher Vater einer 16 Monate alten Tochter ist? Fragen über Fragen. Und die Gerüchteküche brodelte: Angeblich soll Michael Hutchence unter dem Sorgerechtsstreit um die Kinder aus Paula Yates‘ Ehe mit Bob Geldof gelitten haben. Doch Geldof weist alle Vorwürfe von sich. Was bleibt, ist Tratsch. Sicher ist hingegen: Michael Hutchence, geboren am 12.Januar 1960 in Sydney, war das optische und akustische Aushängeschild einer großartigen Rockband, die sich 1977 in Perth unter dem Namen Farris Brothers zusammenfand, um schließlich als INXS weltweit für Furore zu sorgen. Auf ihren Alben, die zunächst wohlwollend, aber nicht euphorisch aufgenommen wurden, verbanden INXS Hardrockelemente. leichtfüßige Funkrhythmen und eingängige Melodien zu einem Mainstream Sound allererster Güte. Mit dem 87er Album „Kick“ gelang der Band der Aufstieg in die Liga der Superstars, Stadionkonzerte (80.000 kamen beispielsweise zu einem Gig in die Londoner Wembley-Arena) und Top-Ten-Plazierungen („New Sensation“, „Need You Tonight“) inklusive. Leadsänger Hutchence kultivierte e derweil das Image des „bad but charming guy“, hatte Affären mit Kylie Minogue und Supermodel Helena Christensen, verprügelte Fotografen, wurde verhaftet, mußte Hausdurchsuchungen wegen Drogenbesitzes über sich ergehen lassen und blieb doch stets der nette Australier von nebenan. „Ich mache mir nichts daraus, ständig den Glamour Star raushängen zu lassen“, sagte er 1990 in einem Interview mit ME/Sounds.
Im April ’97 ließen INXS nach sechsjähriger Pause wieder von sich hören. Das Album „Elegantly Wasted“ klang laut Hutchence so, „als würde eine Horde weißer Jungs ziemlich funky Rock’n’Roll spielen.“ Jeder merkte: Hutchence ist immer noch heiß auf seine Musik – was nicht eben hilft, seinen Tod besser zu begreifen. Australiens Premierminister hatte es eilig, seine „tiefempfundene Trauer“ um „einen der außergewöhnlichsten Popstars dieser Generation“ kundzutun. Große Worte, an denen Michael Hutchence nie besonders viel gelegen war. Ob er in die Rockgeschichte eingehen wolle, wurde er mal gefragt. Seine Antwort: „Wen kümmert denn so was?“