Kein Freundschaftsdienst – warum WhatsApp jetzt kostenlos ist


Ablaufdatum: lebenslang. WhatsApp-Gründer Jan Koum hat am 18. Januar im Rahmen der DLD Conference in München angekündigt, dass der Online-Messagingdienst WhatsApp in Zukunft für Anwender kostenlos wird. Welche Strategie steckt dahinter?

Der obligatorische jährliche Obolus von knapp einem Euro wird also entfallen. Dass WhatsApp sich zu diesem Schritt aus lauter Liebe zu seinen Anwendern entschlossen hat, ist leider ausgeschlossen. Der Messenger gehört zum Facebook-Konzern und muss deshalb strikt gewinnorientiert handeln. Was ist also die Strategie hinter diesem Geschenk?

Marktmacht stärken

SMS, Skype, Google Hangouts, Mail, Slack und natürlich der Facebook Messenger – wenn man sich heute auf einen Café Cortado mit Sojamilch verabreden will, gibt es dafür beinahe so viele Möglichkeiten, wie es Kaffeevariationen gibt. Die meisten benutzen dafür WhatsApp. Mit aktuell 990 Millionen Anwendern pro Monat hat der Messaging-Service, der im Februar 2014 von Facebook gekauft wurde, bereits fast jeden zehnten Menschen auf der Welt in der Tasche. In Deutschland gibt es keinen beliebteren Messaging-Dienst, trotz Sicherheitslücken und Datenschutz-Bedenken werden hierzulande bis zu 700 Millionen Nachrichten täglich mit WhatsApp versendet. Das reicht dem Konzern jedoch nicht: „Es klingt absurd, aber für uns ist es uninteressant, ein Produkt in ein wirtschaftliches Unternehmen zu überführen, solange es von weniger als einer Milliarde Menschen genutzt wird“, zitiert Business Insider den Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Der Hintergrund: Eine solche, bizarr hohe Anwenderzahl stärkt die Verhandlungsposition gegenüber der Werbekunden. Als überragender Marktführer kann Facebook beispielsweise exklusive Kooperationen mit seinen Partnern und Kunden einfordern. Auch gegenüber dem Anwender kann größerer Druck aufgebaut werden. Wer die App in Zukunft nicht nutzt und dafür seine beispielsweise persönlichen Daten preisgibt, bekommt idealerweise auch nichts mehr von seinem Freundeskreis mit und muss seinen Kaffee alleine schlürfen.

Die nächste Etappe auf dem Weg zur Weltherrschaft ist nun offensichtlich, die App zunächst kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das Bezahlmodell scheint Anwender vor der Nutzung der App abzuschrecken, wobei es weniger um den lächerlich niedrigen Kaufpreis von etwa einem Euro gehe, als vielmehr darum, dass man für den Bezahlvorgang häufig eine Kreditkarte benötige, sagt WhatsApp-Gründer Jan Koum. Mit dem Wegfall des Bezahlmodells kann eine absolute Marktmacht also noch schneller erreicht werden.

Dienste Ausbauen, Mitbewerber ausstechen

Wenn also bald deutlich mehr als jeder zweite Mensch mit einem Smartphone WhatsApp installiert hat, sollen auch Videochat-Funktionen wie bei Skype und Facetime integriert werden. Der User wird diese neue „Plattform“ als Vorteil begreifen, wer wünscht sich in diesem App-Wirrwarr nicht eine Anwendung für seine gesamte Online-Kommunikation? Eben. Und WhatsApp programmiert sich im Gleichschritt mit dem Facebook-Meesenger diesem Ziel entgegen, um die wenigen verbleibenden Konkurrenten ins ewige Netz-Nirwana zu schicken, wo schon  ICQ und der AOL-Messenger auf sie warten.

„Monetarisierung“ mit Werbung und Premium-Upgrades?

Vorteil dieser Rundum-Lösung wäre: Man könnte endlich Werbung bei WhatsApp schalten. Bisher ist das schlicht unmöglich. Es gibt zwar schon erste Versuche, mit potentiellen Käufern zu kommunizieren, aber die Umsetzung ist extrem kompliziert. Will eine Firma auf das Handy von Kunden kommen, muss das Unternehmen seine WhatsApp-Anwender dazu bekommen, einem Anmelde-Prozedere in bis zu fünf Schritten zu folgen. Und noch schlimmer, also für Zuckerberg und seine Mitarbeiter: Sollte eine Firma tatsächlich verlässliche, intelligente Kunden finden, die sich durch diese Prozedur durcharbeiten, verdienen WhatsApp und Facebook daran derzeit keinen Cent. Eine Plattform mit Videofunktion bietet natürlich mehr Möglichkeiten, Werbebanner und sogenannte Pre-Rolls zu schalten (die der User im nächsten Schritt mittels Premium-Version wieder ausblenden könnte). WhatsApp-Gründer Koum verneinte diese Strategie aber im Rahmen der „DLD Conference“ in München: „Ob das heißt, dass wir Werbung von Dritten auf WhatsApp schalten? Die Antwort lautet nein.“ Vielmehr soll es einfacher werden, dass man sich Überweisungen von seiner Bank bestätigen lassen kann oder von seiner Fluglinie über Verspätungen informiert wird. Man wird ihn sicherlich bald an dieses Zitat erinnern.

Mögen die Spiele beginnen

Auch wenn vorerst keine direkte Werbung auf WhatsApp geschaltet wird – dieses Geschenk an die Kunden ist ein weiteres Zeichen dafür, dass insbesondere Microsoft, Google und die Facebook-Familie um die Führungsposition bei den Messaging-Plattformen kämpfen.  

Diese Konkurrenzsituation offenbarte sich auch schon, als Microsoft der immer noch sehr beliebten Kommunikations-Plattform Outlook den Chat-Support für den Google- und Facebook-Chat entzog – und seine Anwender damit dazu bringen wollte, auf Skype umzusteigen. Spätestens am 27. Januar, wenn die Bilanz von WhatsApp präsentiert wird, muss Mark Zuckerberg seinen Stakeholdern erklären, wann und wie er mit WhatsApp wirklich Geld verdienen will, und wie das ohne Werbung funktionieren soll.

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