Zeitlupe


Januar 1964 - zusammengestellt von Ernst Hofacker & Uwe Schleifenbaum BBC Beat Premiere TOP OF THE POPS geht erstmals auf Sendung

Glückliches England: Während Popmusik im deutschen Fernsehen bis 1965 noch kein Thema ist, kann der britische Beatfreund seine Lieblinge seit 1963 in der Sendung „Ready Steady Go!“ bewundern. Die kommt vom Privatsender ITV, doch als der Beat über alle Maßen boomt, kann auch der eher betuliche Staatssender BBC nicht mehr auf die neuen Klänge aus London und Liverpool verzichten. Das Format „Top Of The Pops“ wird aus der Taufe gehoben, ein reines Chartsprogramm, das am 1. Januar 1964 erstmals ausgestrahlt wird. Bei der Premiere in Manchesters BBC Studio mit dabei: The Rolling Stones („I Wanna Be Your Man“), Dusty Springfield („I Only WantToBe With You“),The Hollies („Stay“),The Dave Clark Five („Clad All Over“) sowie The Swinging Blue Jeans („The Hippy Hippy Shake“). Dazu zeigt DJ Jimmy Saville Filmclips von Cliff Richard & The Shadows, Freddie And The Dreamers sowie den Beatles, die mit „I Want To Hold Your Hand“ gerade die britischen Charts anführen. „Top Of The Pops“ wird live ausgestrahlt, die Musiker indessen spielen zum Playback – das sie allerdings kurioserweise im Vorfeld der Sendung selbst einspielen. Die Musikergewerkschaft will es so: Damit die Musiker regelmäßig beschäftigt werden, dürfen nur extra produzierte Live-Aufnahmen über den Sender gehen, das schlichte Abspielen der entsprechenden Platte ist verboten. Das bringt natürlich finanzielle und organisatorische Probleme mit sich, wenn die BBC für die Live-Einspielung unter Umständen ein großes Orchester und ein Dutzend Background-Sänger anheuern muss, damit ein Song bei „Top Of The Pops“ so ähnlich klingt wie auf der Platte, die gerade in den Charts ist. Und wenn der jeweilige Star momentan nicht verfügbar ist, wird’s auch nicht leichter. Aber die Macher von „Top Of The Pops“ wissen sich zu helfen: Als Elvis Presley im Mai 1965 keine allzu große Lust verspürt, nach Manchester zu reisen, um seinen Song „Crying In The Chapel“ vorzustellen, basteln sich die BBC-Mannen einfach ein Filmchen aus Elvis-Fotos und den Aufnahmen einer Kirche im Großraum Manchester zusammen – es funktioniert. Und falls alle Stricke reißen, beschäftigt die BBC bis Mitte der achtziger Jahre Tanzgruppen wie die „Go-Jos“, „Pans People“ oder „Legs & Co.“: Anfangs Go Go-Girls, später Disco-Dancer, die zur visuellen Umsetzung der Musik engagiert werden. Seit 1967 in den Londoner Elstree Studios ansässig, mutiert der Dauerbrenner „Top Of The Pops“ über die Jahre zum Spiegelbild der jeweiligen Pop-Epoche: Ob Beat, Psychedelic oder Progrock, ob Glampop, Disco oder Punk, ob Heavy Metal, HipHop, Schlager oder Techno: Alles, was in den britischen Top Forty ist, ist auch bei „Top Of The Pops“. Damit avanciert die BBC-Show zweifelsfrei zum Klassiker unter den Musikformaten im Fernsehen, und das nicht nur im heimischen England. In 88 Ländern kann man „Top Of The Pops“ mittlerweile empfangen, seit 1998 wird der deutsche Ableger von RTL ausgestrahlt. Für die BBC Grund genug, sich selbst zu feiern: In London stellte der Sender kürzlich den Dokumentarfilm „Top Of The Pops-True Story“ vor, der auf Video und DVD erscheinen und aller Voraussicht nach auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden soll.