Zucchero Fornaciari – Verona, Pallo Sport


Im Pallo Sport von Verona ist der Teufel los. 4000 kreischende Italiener haben sich zwischen den Wänden des quadratisch-häßlichen Hallenmonstrums verkeilt. Und wer noch Platz findet zum Atmen, singt die sperrigen Texte mit. Vorne, eineinhalb Meter über ihnen, schreit sich Zucchero Fornaciari die Seele aus dem Leib zuck wie Joe Cocker (ein gesundheitliches Überbleibsel aus Kindertagen), rempelt sich durch füllige Arrangements, krächzt zu Gitarre und Synthesizer, schreitet die Showtreppe herunter, röhrt und schnauft und ringt sich seine Melodien ab. Hier schwitzt der Chef. Er schwitzt schon seit Jahren. Und er hat sich den Weg in die italienischen Charts allmählich ertrotzt. Ganze 2500 Exemplare konnte er von seinem Debütalbum verkaulen. Heute -— drei LPs und einem San-Remo-Sieg später —- holte er sich mit dem aktuellen Werk BLUE’S Platz Eins in Italiens Hitparade; die Tournee, die er in Verona beendete, war —- natürlich —- ausverkauft.

Fornaciari verdient den Rummel, den die italienische Musikindustrie um ihn macht: Ein musikalischer Handwerker mit einem glücklichen Händchen für zeitlos schöne Melodien, kraftvolle Rock-Arrangements und -— für die Zusammensetzung einer Live-Band.

Eine besser Sängerin als Lisa Hunt zum Beispiel, an der linken Bühnenkante aufgebaut mit ihren gut zwei Zentnern, findet sich so schnell nicht im europäischen Musikgeschäft. Der Gitarrist -— ein ausgebuffter Profi. Die Perkussionistin arbeitet hinten auf einem Podest fleißig und inspiriert an ihren Trommeln, der Keyboarder spielt —- mal mit Gefühl, mal mit Geschwindigkeit —- die Zuhörer schwindelig, und die drei Bläser im erhöhten Bühnen-Hintergrund pumpen immer wieder soulige Frischluft in Fornaciaris Songs. Nur zwei Fehlgriffe unterliefen Fornaciari: Am Schlagzeug wird zuviel gefitzelt, und der Bassist tappt gelegentlich im Dunkeln.

Sonst aber bietet Zuccheros Spektakel an diesem Abend kaum Grund zur Kritik. Nur wenn er seine Band am Ende fast jeden Titels in ausschweifende Solo-Passagen drängt, zerfasert der kompakte Klang der ansonsten gut aufgelegten Begleit-Truppe.

Italiens Rockstar glänzt als Entertainer mit kleinen Kniffen ebenso wie mit großen Gesten. Fornaciari revanchiert sich bei Sangesbruder Joe Cocker mit dessen Version des Box Tops-Klassikers „The Letter“ dafür, daß das Rauhkehlchen aus Sheffield einen Fornaciari-Title im Konzert-Repertoire führt. Und dann rüttelt der stimmgewaltige Italiener seinen aktuellen Hit „Senza Una Donna“ nach Kräften -— da bleibt von der etwas müden Schmuse-Nummer der Studioaufnahme nicht mehr viel übrig, und wenn er sich schließlich, nach eineinhalb Stunden, vom Geschrei der Fans -— „Fuori! Fuori!“, zu deutsch etwa: „Raus mit dir!“ —- wieder zurück auf die Bühne tragen läßt, legt sich vier, fünf Songs lang eine angenehm entspannte Atmosphäre über die prall gefüllte Halle. Allein diese halbe Zugaben-Stunde war den Ärger mit streikenden Piloten und dichtem Nebel wert.