Zynischer Die Glocken Nie Klingen
Wenns um Einschaltquoten geht, ist TV-Boß Frank Cross (Bill Murray) alles recht. Dann läßt er auch schon mal den Weihnachtsmann zur Maschinenpistole greifen. Oder er unterlegt einen Trailer fürs Weihnachtsprogramm mit Bildern von Atompilzen: So wird auch dem letzten Deppen klar, daß nur seine Weihnachtssendung den Festtags-Frieden bringt.
Richard Donners neuer Film hat eine sonderbare Ehe gestiftet: Er verheiratet Charles Dickens „A Christmas Carol“ mit böser Staire, die sich das US-Fernsehen als Ziel gesucht hat. Allerdings haben bei dieser Paarung noch ein paar rabenschwarze Schwiegermütter, Tanten und Onkels mitgespielt. So ist das Ergebnis nicht unbedingt ein wunderschönes Paar.
Donner erzählt die Geschichte von Ebenezer Scrooge im neuen Gewand: Der böse reiche Mann, der nur sich kennt, geizig und verbittert ist und erst durch den Besuch von drei Weihnachts-Geistern geläutert wird, ist TV-Boß Frank Cross. Seine Definition von Cross (oder Kreuz) hat er sich groß an die Bürowand geschrieben: „KREUZ, man nageil Leute dran.“ Ausgerechnet dieser Mann will die „Weihnachtsgeschichte“ für seinen Sender inszenieren.
Die Geschichte leidet ein wenig unter seinem Einfluß: Für die alten Lustgreise vorm Fernseher gibt’s halbnackte weibliche Weihnachtsmänner — und statt Rentieren treten als Weihnachtsboten Mäuse mit Geweih auf, denn „die Marktforschung hat festgestellt, daß immer mehr Haustiere fernsehen; auch die Katzen sollen was von Weihnachten haben“.
Meint zumindest Frank Cross.
Bis er selbst von den Weihnachts-Geistern heimgesucht wird. Der erste ist sein alter Boß, seit sieben Jahren tot und schon längst nicht mehr taufrisch anzusehen …
„Scrooged“ hätte ein erfrischend bissiger Film über Weihnachten werden können; die Zutaten sind jedenfalls alle da. Hervorragende Hauptdarsteller: Bill Murray, David Johansen alias Buster Poindexter, Carol Kane, Robert Mitchum usw. Eine präzis umgesetzte Parodie des US-Fernsehens. Gags, die ans Eingemachte gehen, die entlarven, bloßstellen — und die Murray so brillant serviert, daß der Zuschauer die bittere Pille zusammen mit einem Zuckerl begierig schluckt.
Aber „Scrooged“ kommt nicht ganz über die Distanz und fällt vorm Ziel flach auf die Nase: Frank wird vom Saulus zum Paulus und schwört vor den TV-Kameras auf einmal unerwartet Besserung.
Warum? Wahrscheinlich wollten die Produzenten es allen recht machen und auch noch die letzte Großmutter ins Kino locken. So degradiert sich „Scrooged“ zum Kitsch, der selbst genauso verlogen ist wie die Talmi-Weihnacht, die Frank Cross für seinen Sender in Szene — mundgerecht serviert — setzt.
Oder aber Donner ist Orwell bis ins letzte Extrem gefolgt und will uns uneinsichtigen Normalsterblichen sagen „Wahrheit ist Lüge“: das klebrige Happy End als der zynischste Gag des ganzen Films, die ultimative Sahnetorte ins Gesicht des überraschten Zuschauers.