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Fern von Fairplay: Warum das Internet für den Record Store Day zum Problem wird


Teilnehmende Plattenläden mit Online-Shop dürfen die exklusiven RSD-Releases seit vergangenem Jahr auch im Internet anbieten – ein Dorn im Auge kleinerer Geschäfte.

Am morgigen Samstag, dem 13. April, findet der jährliche Record Store Day statt. Tausende Plattensammler und Musikliebhaber werden in die teilnehmenden unabhängigen Ladengeschäfte strömen und sich mit exklusiven Releases von Acts wie Idles, Soccer Mommy und Gisbert zu Knyphausen, aber auch mit den unumgänglichen Re-Releases alter Schinken wie John Lennons IMAGINE eindecken.

Der Record Store Day ist längst eine wichtige Umsatzstütze für die, trotz Vinyl-Hypes, oftmals prekär wirtschaftenden Plattenläden geworden. Dennoch verzichten immer mehr von ihnen auf den selbsternannten Vinyl-Feiertag. Neben dem immer größer werdenden Event-Charakter, den das Drumherum um die exklusiven Platten annimmt, stört die RSD-Opposition der Ladenbesitzer besonders eine Sache: Seit vergangenem Jahr dürfen teilnehmende Geschäfte, die auch einen Online-Shop betreiben, die RSD-Releases bereits 24 Stunden nach Ladenschluss des letzten teilnehmenden Stores als Ware im Internet feilbieten.

Die konkreten Vorwürfe zielen unter anderem auf das Online-Zurschaustellen der potenziellen Waren, noch bevor der RSD überhaupt begonnen hat, über der Entweihung des Rituals des Plattenladenbesuchs bis hin zu vermeintlichen Kampfpreisen, mit denen kleinere Läden nicht mithalten können.

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Ein Anbieter, der offensiv den Schwarzen Peter der Online-Konkurrenz zugeschoben bekommt, ist hhv.de. Das Berliner Unternehmen, das sich über die Jahre den Ruf eines der am besten sortierten HipHop-Vinyl-Mailorders erarbeitet hat, nimmt mit seinem Ladenlokal in Berlin-Friedrichshain seit Jahren als unabhängiger Plattenshop am Record Store Day teil – ein Detail, das einige Kritiker außen vor lassen.

Dennoch ist es auffällig, dass der Website-Besucher auf hhv.de nahezu den kompletten RSD-Katalog als „Coming Soon“-Produkt im Online-Store finden kann. Store-Mitarbeiter Philipp Michalke erklärt dies mit der Visualisierung für potenzielle Kunden am eigentlichen Record Store Day:

„Das ist natürlich ein tolles Tool, um Werbung für den RSD zu machen und die Leute anzuteasern. Wir zeigen ihnen damit, was wir bestellen konnten und was dann auch hoffentlich am Samstag bei uns im Laden erhältlich sein wird. Die andere Seite ist, dass es die Absprache mit dem RSD gibt, 24 Stunden, nachdem weltweit der letzte teilnehmende Plattenladen seine Türen geschlossen hat, dürfen alle Läden mit Online-Shop die restlichen Bestände online verkaufen. Das ist die Regelung seit letztem Jahr – und das tun wir auch.“ Eine Regelung, die übrigens über die Jahre immer weiter angepasst wurde: Zu Beginn der RSD-Historie durften die Releases noch überhaupt nicht, dann 14 Tage, dann drei Tage später online gestellt werden. Dass es nun bei gerade einmal 24 Stunden angekommen ist, zeigt auch, dass sowohl die RSD-Verantwortlichen als auch eine Vielzahl von Ladenbesitzern die Notwendigkeit des Online-Handels erkannt haben.

Zerstört der Online-Handel endgültig die Plattenladenkultur?

Michalke kann die Kritik an der Herangehensweise von hhv.de zwar nachvollziehen, sieht darin jedoch auch einen Mehrnutzen für die RSD-Jünger. Sie könnten sich so viel besser auf ihren Streifzug am Samstag vorbereiten, wenn sie exakt wüssten, was welcher Laden bestellt habe.

Doch bestellt bedeutet nicht gleich auch am RSD erhältlich. Michalke stellt klar, dass die Verkaufsfläche für die RSD-Releases limitiert sei und nur eine ausgewählte Anzahl der Lieferung auch den Weg in die Crates findet.

„Wenn wir eine Platte 100mal erhalten haben, würde es einfach zu viel Platz wegnehmen, jedes einzelne Exemplar auszustellen“, erklärt er. Auch ein Auffüllen bereits vergriffener Platten gebe es bei ihnen nicht, „das mag man dann auch ehrlich kritisieren“, sieht Michalke ein.

Den Vorwurf, die generelle Möglichkeit am Montag nach dem RSD bereits auf deren Restbestände online zugreifen zu können würde die Plattenladenkultur zerstören, hält er dennoch für haltlos:

„Für die meisten Sammler ist das eher der zweite Weg, noch einmal zugreifen zu können. Wer den RSD und seine Sammelleidenschaft wirklich ernst nimmt, der steht auch ganz sicher morgens schon Schlange vor der verschlossenen Ladentür.“

Der Record Store Day – oder auch: Groß gegen klein

Der Record Store Day sei als Event auch nicht für alle Sammler gleich attraktiv, sagt Michalke:

„Es gibt viele Sammler und Stammkunden, die am RSD nicht zu uns in den Laden kommen, weil ihnen das viel zu aufgeregt und anstrengend ist. Aber es gibt eben auch viele, die mit dem RSD neu als Plattensammler einsteigen und die Idee und die Atmosphäre ganz toll finden. Die kleinen Läden mögen es da deutlich schwieriger haben, dieses neue Publikum anzuziehen.“

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Den Anschein, der RSD sei zu einem Verdrängungskampf, Groß gegen Klein, geworden, wird man jedoch auch im Gespräch mit Michalke nicht ganz los. Allein die Möglichkeit 100 Exemplare einer eigentlich als limitiert vermarkteten Platte geliefert zu bekommen, und bereits damit planen zu können, vielleicht 70, vielleicht 80 am Montag ins Online-Geschäft weiterzugeben, wirkt in der Tat problematisch.

„Fairplay wäre natürlich, dass alle Releases in gleicher Stückzahl an alle Läden verteilt werden“, sieht auch Michalke ein – „und es gibt tatsächlich Platten, von denen es heißt, jeder Laden erhalte nur drei Exemplare. Nachvollziehbar ist das Verteilsystem der Großhändler aber nicht in Gänze.“

Denn klar ist auch: Dem Platten-Großhändler geht es natürlich auch darum, so hohe Stückzahlen wie möglich abzusetzen. Dass er dabei einen einzelnen Händler, der zehnmal so viel Ware abzunehmen bereit ist wie die Konkurrenz, bevorteilt, zählt zu den Gesetzen des Marktes.

Michalke erläutert auch, dass es die Gesetze des RSD seien, die die vorgeworfenen, vermeintlichen Kampfpreise kaum umsetzbar machen:

„Beim RSD gibt es keine besonderen Rabatte, für die exklusiven Releases werden Festpreise festgelegt, die für alle weltweit gelten und dann liegt es am einzelnen Händler, seine Marge festzulegen.“

Weiter: „Ich höre von vielen Kunden, die am RSD in der ganzen Stadt unterwegs sind, dass sie Preisunterschiede ausmachen. Jeder hat seine bestimmte Platte, die er sucht und muss sich fragen, ob er zugreift oder darauf spekuliert, sie woanders für ein, zwei Euro weniger zu finden.“

So bleibt unter dem Strich der Eindruck, dass das Internet auch am Stuhlbein des Record Store Days sägt. So liebenswürdig er für eine große Anzahl von Vinyl-Sammlern ist, so anachronistisch ist er doch im Konsumverhalten. Sein Eingeständnis, sich dem Online-Handel weiter zu öffnen, könnte in Folge weiter seine Ausstrahlung mindern, sollten weitere stationäre Händler abspringen.

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