Die 8 wichtigsten Erkenntnisse aus der dritten Folge „Schulz & Böhmermann“
Wir lernen: Selbst eine Talkshow im Chaosformat wie „Schulz & Böhmermann“ steht und fällt mit ihren Gästen. Und da gab es mit Petermann und Claaßen wie schon in der ersten Folge mit Gert Postel gleich zwei Charaktere, von denen man gerne noch mehr gehört hätte. Eine Zusammenfassung.
Sonntagabend in Deutschland: Devid Striesow kommuniziert mit Gehörlosen. Ricky Harris muss trotz gemeisterter Prüfung mit Jürgen Milski das „Dschungelcamp“ verlassen. Oli P. tritt als Überraschungsgast in einer Talkshow auf. Moment mal: Oli P.? Der ehemalige „GZSZ“-Darsteller, der in den Neunzigern Grönemeyers „Flugzeuge im Bauch“ coverte und seitdem – viele werden „zum Glück“ sagen – von der medialen Bildfläche verschwunden war? Richtig, der Oli P..
In der dritten Folge von „Schulz & Böhmermann“, die am 24. Januar um 22:45 Uhr auf ZDFneo lief und seit dem gleichen Abend als Stream im Internet, ging es vordergründig um ganz andere Gäste: Olli Schulz und Jan Böhmermann begrüßten an ihrem runden Tisch die Journalistin und Moderatorin Katrin Bauerfeind, den Schauspieler Samuel Koch, den Profiler Axel Petermann und den ehemaligen Zuhälter Anton Claaßen, den sie nur „de lange Tünn“ nennen. Als neues Gimmick stellten Schulz und Böhmermann statt Uno-Karten oder einem Goldfisch im Mixer eine Schattenwand vor, hinter der vier Menschen saßen. Jeder Teilnehmer der Runde hatte einmal die Möglichkeit, einen anderen Teilnehmer für drei Minuten gegen eine der bis dahin unerkannten Personen auszutauschen. Und so kam es, dass zeitweise eben – Spoiler-Alarm! – Oli P., Entertainer Willi Herren, Busenwunder Micaela Schäfer und das Maskottchen der Kölner Haie mit am Tisch saßen. Wie immer war es Off-Sprecherin Sybille Berg, die schon zu Anfang der Sendung all ihren Sinn und Unsinn in einem Satz zusammenfasste: „Denn egal was man leistet: Es ist unbedeutend, wenn man mit dem Geleisteten nicht in den Medien stattfindet.“ Ob sich Oli P. damit für die 2017er-Ausgabe des RTL-Formats „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ bewarb, sei mal dahingestellt. Die beiden anderen Überraschungsgäste Schäfer – operierter als je zuvor – und Herren – so kumpelig und unlustig wie eh und je – könnten P. (für Petzokat) immerhin berichten, wie es sich um australischen Busch so lebt.Wir lernen: Selbst eine Talkshow im Chaosformat wie „Schulz & Böhmermann“ steht und fällt mit ihren Gästen. Und da gab es mit Petermann und Claaßen wie schon in der ersten Folge mit Gert Postel gleich zwei Charaktere, von denen man gerne noch mehr gehört hätte. Egal wie gut oder doof man sie findet.
Was wir in der dritten Folge „Schulz & Böhmermann“ sonst noch beobachteten:
1. Keiner findet Kathrin Bauerfeind scheiße.
Diese Behauptung stellte zumindest Olli Schulz zu Beginn der Sendung auf, und sie schien sich zu bewahrheiten: In den folgenden 58 Minuten fiel Bauerfeind durch pointierte Einwürfe, Humor, Meinung und Widerworte auf. Und durch ihr einnehmendes Lachen.
2. Olli Schulz ist gar nicht so ein interessierter Typ.
Dieses Geständnis rang Schulz sich selbst ab, nachdem er Bauerfeind nach ihrem journalistischen Arbeitsalltag fragte. Schulz erinnerte sich implizit an seine ProSieben-Sendung „Schulz In The Box“, als er dies sagte. Eher schlechte Voraussetzungen für einen Talkshow-Moderator, möchte man meinen. Erstens aber haben Menschen wie Stefan Raab auf Desinteresse ihre halbe TV-Karriere aufgebaut, und zweitens merkt man als Zuschauer Schulz umso eher sein echtes Interesse an den Gästen an. In der ersten Folge war der Rapfan zum Beispiel ganz vernarrt in Kollegah, und in der jetzigen dritten Folge konnte oder wollte Schulz sein Interesse für Profiler Axel Petermann und seine Abneigung gegen den langen Tünn nicht verbergen.
3. Jeder kann töten.
Aber nicht jeder morden. So erklärte es jedenfalls Petermann, und der muss es wissen: Seit 40 Jahren beschäftigt sich der Kriminalkommissar, „Tatort“-Berater und Buchautor mit der Frage nach den Motiven von Tätern und hat sich deshalb nicht nur diverse grauenhafte Mordschauplätze anschauen müssen, sondern auch die Abgründe menschlicher Psychen. Er sieht das nüchterner: In seinem Job ginge es nun mal darum, Bedürfnisse des Täters zu lesen und zu verstehen.
4. Früher waren die Frauen leichter.
Glaubt der lange Tünn, beharrt dabei auf seiner jahrelangen Erfahrung und verspielt sich somit unter den Moderatoren und anderen Gästen jede Restsympathie, die sein rheinischer Dialekt noch so mit sich brachte. Nein, er meint nicht das Körpergewicht, sondern ihren angeblich freien Wunsch danach, sich zu prostituieren. Dass sich so ein Ganove seine Selbstwahrnehmung und sein Verständnis von Recht, Moral und Realität anders auslegen muss, zeigte sich zudem mehrfach an anderen Stellen: Jede zweite Frage, etwa die nach konkreter Gewalt gegen Frauen und Konkurrenten, dem Beiwohnen eines Mordes und anderen Kleinigkeiten, beantwortet er mit einem „Naja…“ und schiebt die Art von Relativierungen hinterher, die man eben so erwarten kann von einem Zuhälter aus der ach so guten alten Zeit. Beispiele gefällig?
„Knast gehörte früher in Köln dazu.“
„Es geht ja gar nicht nur um Sex, sondern darum, den Männern Geld aus der Tasche zu ziehen.“
„Geschlagen fast nie, gedroht jeden Tag.“
„Ich hatte wenig Theater. Nur wenn sie mir laufen gingen. Die Typen, zu denen sie wollten, müssen Abstand bezahlen.“
„Es war ’ne andere Welt.“
„Die Frauen haben sich angeboten.“
„Man muss kein Zuhälter sein, man wird zum Zuhälter gemacht.“
Dass Willi Herren und Tünn sich offenbar so gut kennen, dass sie sich wie dicke Freunde in die Arme fallen, macht beide Figuren nicht weniger fragwürdig. Und nein, Katrin Bauerfeind hätte gewiss nicht für den Tünn gearbeitet, auch wenn der ihr das mehrfach nahelegte.
5. An Samuel Koch beisst sich selbst Jan Böhmermann die Zähne aus.
„Können Vegetarier und Veganer eigentlich Schmetterlinge im Bauch haben?“, lautete der erste von mehreren trockenen Einwürfen, die erahnen ließen, dass Samuel Koch ein Mann mit Humor, Schlagfertigkeit und rhetorischem Gespür ist. Samuel Koch, heute Schauspieler, ist aber auch der Mann, der 2010 bei „Wetten, dass…?“ stürzte, seitdem im Rollstuhl sitzt und somit unter seinen Gegenübern regelmäßig ein diffuses Gefühl zwischen Mitleid und Unbeholfenheit hinterlässt. Böhmermann pirschte sich ran und versuchte dieses Gefühl zu beschreiben, stotterte was von „Empathie simulieren“ und davon, dass man nicht die richtigen Worte finde. „Offensichtlich“, kommentierte Koch. Punkt. Später traute sich Böhmermann noch ein „Wann darf ich Dich beleidigen?“, ließ aber keine wirkliche Beleidigung folgen.
Kochs beste (und einzige) Geschichte der Sendung war die, die er erzählte, nachdem Böhmermann und Schulz ihn auf Markus Lanz ansprachen: Koch müsse ihn jetzt mal verteidigen, er möge ihn im Grunde ganz gerne – und warum Lanz Koch in einer späteren „Wetten, dass..?“-Sendung scheinbar so unbeholfen umarmte, hatte einen so lustigen wie nachvollziehbaren Grund, in dessen Entstehung auch Lanz‘ Knie und eine Kaffeemaschine eine Rolle spielten. Hört selbst ab Minute 21:26:
6. Willi Herrens aktueller Ballermann-Hit heißt „Der Mann hinter dem Bauch“.
Weil Herren so abgenommen hat, verstehen Sie, haha! Wer nun wissen will, wie das Lied klingt, der suche bitte selbst danach.
7. Klaas Heufer-Umlauf ist „Riverdance“-Fan.
Nachmachen kann der die Tänze von Michael Flatley auch, behauptet sein Kumpel Olli Schulz. Falls diese Information irgendwie von Interesse ist.
8. Oli P.s größter Hit ist nicht „Ich vermiss‘ Dich“.
Das Ende der dritten Folge „Schulz & Böhmermann“ vergeigt Olli Schulz beinahe, in dem er Oli P. bittet, noch einmal seinen größten Hit zu singen. P. reagiert mit einem eingesprochenen „Mach‘ den Bibo“ – Schulz‘ Ulknummer aus dem Jahr 2009. „Nee, nee“, sagt Schulz und rezitiert irgendwas mit „Ich vermiss‘ Dich“. Oli P.: „Aber das war doch Cappuccino!“ Danke, Ihr Ollis, für gleich zwei Erinnerungen an die Neunziger, die man nicht mehr wachrufen wollte.
Die Gäste in der vierten Folge „Schulz & Böhmermann“ am Sonntag, 31. Januar 2016, 22.45 Uhr:
Autorin Kat Kaufmann, Musikerin Sophie Hunger, der syrische Flüchtling Gheiath Hobi und stellvertretender „Bild“-Chefredakteur Nikolaus Blome