Jaques Palminger – Die haben mich auf Tempo gespritzt


Jedes dieser Bilder erzählt eine Geschichte. Nur welche? Wir haben nachgefragt. Diesmal: Jacques Palminger

1 Club „Die Röhre“ in Stuttgart

Von 1985 bis zu seiner „Stuttgart 21“-bedingten Schließung im Januar 2012 war der Tunnel unter dem Bahnhof einer der wichtigsten Clubs im Schwabenländle. Palminger gestaltete einst unaufgefordert den Backstagebereich um.

Da habe ich früher oft gespielt und viele rauschhafte Abend erlebt. Der Laden strahlte eine gewisse Tristesse aus. Als wir da mit den Waltons waren, haben wir uns wieder über die vielen Wandkritzeleien anderer Bands aufgeregt, diese schwachen Sprüche, diese anstrengenden Sauereien. Irgendwo haben wir in den verschachtelten Gängen einen Eimer Farbe gefunden. Dann haben wir den Backstage ausgeräumt und erst mal frisch gestrichen. Da haben wir uns sehr drüber amüsiert.

2 Souffleuse

Palminger schreibt und inszeniert gemeinsam mit seinen „Studio Braun“-Kollegen Heinz Strunk und Rocko Schamoni („Fleisch ist mein Gemüse“, „Rust – ein deutscher Messias“) und tritt als Schauspieler auf („Heinrich IV“, „Der gestiefelte Kater“).

Ich habe das liebe Angebot der Souffleusen noch nie in Anspruch genommen. Dabei verstehe ich mich in der Probenzeit immer sehr gut mit ihnen. Die haben so eine entspannte Belesenheit, so was Kluges. Aber wenn es dann losgeht mit den Aufführungen, bricht der Kontakt ab. Weil ich den Text brav auswendig gelernt habe und ihn aufsage, wenn ich dran bin. Und wenn es mir nicht einfällt, dann sage ich irgendwas anderes. Zum Glück hatte ich noch keinen Blackout. Aber früher beim Schlagzeugspielen hatte ich schweres Lampenfieber, zum Teil habe ich gegen das Publikum und meine innere Verknotungen angespielt. Als ich dann zum Mikro wechselte, konnte ich diese alten Muster abschütteln. Das war sehr befreiend. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass die ganze Energie im Raum nicht zwangsläufig gegen mich ist. Auch hier greift die große Wahrheit: Die Angst ist in ihrem Inneren hohl und nichts umgibt sie!

3 Stéphane Audran

Die französische Schauspielerin wurde bekannt durch ihre Arbeiten mit Claude Chabrol und Luis Buñuel. Palminger verehrt sie.

Ohh, Stéphane Audran, die schönste Frau der Welt. Ich begehre sie, wun-der-voll. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, wusste ich: Die isses, she’s the one. Welcher Film das war, weiß ich gar nicht mehr: „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ vielleicht oder „Zwei Freundinnen“. Gorgeous, wonderful, magnifique, wow. Ihre sexuelle Übermacht! Ich würde ihr mit einem gewissen Respekt begegnen.

Würdest du ihr denn überhaupt begegnen wollen?

Um Gottes willen. Nein! Die Angst, das Unerreichbare und die Spannung sollen bleiben.

4 „Herr Rossi sucht das Glück“

Cartoon-Klassiker aus dem Jahr 1974, in dem der geplagte Arbeiter Rossi mit seinem Freund, Hund Gaston, in andere Epochen reist. Palminger wollte einst die psychedelische Titelmusik der Serie covern.

Ich finde das so fantastisch, wie der deutsche Chor über das Titellied drübermorpht und die Bilder, die da entstehen. Ich habe mit meiner Chansongruppe Universal González ganz intensiv an einer Coverversion gearbeitet und eines Tages stehe ich im Zardoz-Plattenladen in St. Georg und sehe eine CD von irgendeiner deutschen Band, die das gecovert hat. Wir haben es dann gelassen. Das hat mich richtig mitgenommen. Was haben wir draus gelernt? Wenn du irgendwelche Cover machst, sei dir bewusst, dass andere auch wissen, was gut ist.

5 Manfred Krug

Vor seinen TV-Erfolgen als „Liebling, Kreuzberg“ und „Tatort“-Kommissar Paul Stoever war Krug in den 70er-Jahren ein gefeierter Jazz- und Schlager-Sänger in der DDR. Palminger zählt ihn zu seinen Idolen.

Manfred Krug zu entdecken ist immer eine Sensation. Platten wie Das war nur ein Moment, Ein Hauch von Frühling und seine Sachen mit Peter Herbolzheimer und Caterina Valente sind so unglaublich gut. Die Band: tighter und besser kann man nicht zusammenspielen, allein der Schlagzeuger „Zicke“ Schneider. Noch dazu diese fantastische Lyrik, die auch absolut eigenständig ist. Die Texte sind schon sehr besonders: „Baden gehen, Waden sehen“ und so was, perfekte Reime. Eine Mischung aus poetisch, ehrlich und einfältig. Krug macht sich in vielen Liedern selbst keinen guten Namen. Aus heutiger Sicht würde man sagen, so kann man das nicht bringen, aber er macht es halt.

6 Jens Rachut

Ohne Rachut kein Punk in Deutschland. Palminger hat mit dem Gründer von Angeschissen, Blumen am Arsch der Hölle, Oma Hans und Kommando Sonne-nmilch in der Band Dackelblut gespielt.

Das ist wirklich ein ganz großer Kupferstecher. Ich bin nach Hamburg gezogen im Jahr des Mauerfalls, der Liebe wegen. Erst an die Reeperbahn, dann in die Buttstraße. Da habe ich Jens kennengelernt. Wir haben viel gegrillt und geangelt. Und dann hat sich Marc, der Schlagzeuger von Blumen am Arsch der Hölle, aufgehängt. Ich habe dann mit Andreas, dem Gitarristen, und Wieland, dem Bassisten, ein Jahr geübt. Die haben mich auf Tempo gespritzt: ausgespielte Achtel, Vierviertel. Und dann haben wir eine gute Zeit gehabt mit Dackelblut. Ich freue mich sehr, dass Jens jetzt Theaterstücke macht und Hörspiele schreibt. Er lässt nicht nach, es wird alles immer spannender, vielschichtiger. Ich glaube, da kommt noch einiges. Und einen guten Klamottengeschmack hat er auch.

7 Charles Bronson

Geboren als Charles Dennis Buchinsky, wurde der US-Schauspieler mit Filmen wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Ein Mann sieht rot“ zur Ikone. Palminger ist regelrecht besessen von Bronson.

Charles Bronson beschäftigt mich schon lange. Ich habe auch mit meinem lieben Freund Felix Kubin eine Bronson-Brüderschaft gegründet und wir haben Bronson-Abende gemacht. Wir haben unsere Ideen auf die Person Bronson draufgelegt. Wir haben zum Beispiel Soundtracks gemacht zu Bronson-Filmen, die es noch nicht gab. Das Interessante an ihm ist sein Werdegang, sein Leben. Er war tatsächlich begeisterter Blumenzüchter. Er hat Lilien und Orchideen gezüchtet. Einmal hat er einen interessanten Versuch gemacht: Die eine Lilie hat er gelobt und die andere angeschrieen. Die hat dann die Blätter hängengelassen und dann hat Bronson sie gepflegt und aufgepäppelt und dann ist sie schöner und größer geworden als die gelobte Lilie.

8 The Waltons

Nach der TV-Serie „The Waltons“ über eine amerikanische Großfamilie war Palmingers Cowpunkband The Waltons benannt. Er war in den 80ern deren Schlagzeuger.

Ich habe die Serie außer in so einer Art Sonntags-Kater-Apathie nie so intensiv wahrgenommen. Plötzlich hieß unsere Band so. Keiner weiß, warum. Ich selbst war Jim-Bob, John-Boy der Gitarrist, Jason der Bassist. Wir sind zu dritt in einem Auto aus Borken/Westfalen nach Berlin-West gefahren und dann in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Noch am selben Tag haben wir uns an der Universität eingeschrieben. Abends haben wir ein Konzert in der Music Hall gegeben, wo wir Die Ärzte und Die Suurbiers kennenlernten. Da waren wir gleich in unserem Umfeld, und das blieb dann so die nächsten zehn Jahre. Nach meinem Ausstieg hat John-Boy das Pferd immer wieder neu gesattelt und ist immer weiter geritten.

Könntest du dir vorstellen, noch mal mit den Waltons zu spielen?

Ich fände das grauenvoll und wunderbar gleichzeitig. Aus meiner Sicht wäre das beinahe eine dadaistische Gesamtperformance.