Bruder Jakob


Nicht die Bob-Frage, bitie nicht die Bob-Frage.“ Schweißnass murmelt die Dame der Plattenfirma immer wieder ihr Mantra. Wilde Gerüchte von beinahe und tatsächlich abgebrochenen Interviews kursieren währenddessen unter der anwesenden Pressegemeinde, die in Rom auf eine Audienz bei lakob Dylan (30) wartet. Die Wallflowers sind nach Europa gekommen, um ihr neues Album „Breach“ zu promoten. Doch Nervenkostüm und Selbstbewusstsein des kreativen Kopfs lakob Dylan scheinen ein wenig angeknackst. Zur Sicherheit verwandelt die resolute Dame vom Management die versprochenen Einzelinterviews mit ihm doch noch schnell in Zweiergespräche. Und so kommt es, dass ausgerechnet der gnadenlos schweigsame Drummer Mario Calire (26) seinen Frontmann vor unliebsamen Fragen zu dessen berühmtem Papa schützen soll. Eigentlich unnötig, denn Dylan jr. hatte bereits vor vier lahren verkündet, sein Vater sei „für die Wallflowers nie ein Thema gewesen“ und würde es auch nie werden, [‚unkturn.

Zur Erinnerung: Nach dem gefloppten Debütalbum „Wallflowers“ im Jahre 1992 und dem unsanften Wechsel von der weltweit agierenden Plattenfirma Virgin zum vergleichsweise überschaubaren Label Interscope durchlief die Rockband aus Los Angeles eine fast komplette Metamorphose. Nur Keyboarder Rami laffee blieb vom ursprünglichen Line-LIp erhalten. Neu dazu kamen Gitarrist Michael Ward, Bassist Greg Richling und besagter Mario Calire. Mit leichter Startverzögerung konnten die Wallflowers 1996 endlich ihren Durchbruch feiern. Ihr zweites Album “ Bringing Down The I lorse“ dümpelle zunächst zwar Monate vor sich hin, schoss dann aber doch noch auf Platz fünf der US-Charts. Das Werk ging mehr als 4,1 Millionen Mal über die Ladentische und bescherte der Band zwei Grammy-Nominierungen. Zudem avancierte die Single „One Headlight“ zum Dauerbrenner bei MTV. Produziert hatte das Album Altmeister T-Bone Burnett, der schon 1975 bei Papa Dylans „Rolling Thunder Revue“ mit dabt-i war. Sieben Monate hatten Produzent und Band an „Bringing Down The Horse“ getüftelt, was sich offensichtlich lohnte: Fachpostillen wie Feuilletons überschlugen sich vor lauter Lob über das ausgereifte, wenn nicht gar „unverkennbar dylaneske“ Songwriting von lakob. Dabei durchforsteten sie die Textzeilen ebenso krampfhaft wie vergeblich nach versteckten Aussagen über lakobs Verhältnis zu seinem Über-Vater. Beim aktuellen Album wurden die Detektive nun angeblich fündig. Die L.A. Times verkündete jedenfalls im Juli, dass lakob Dylan in seinen Texten mittlerweile viel persönlicher geworden sei, und lieferte auch gleich das passende Zitat: „It’s not your fault you embarrass us all…You won’t make us proud“ heißt es im Song „Hand Me Down“. Während die Amerikaner andeuteten, der Text könne sich möglicherweise, eventuell oder auch nur vielleicht auf Bob Dylan beziehen, pustete man in Schweden die vermeintliche Sensation gleich zur Schlagzeile auf. Verständlich, dass da bei lakob Dylan Empfindlichkeiten aufbrechen.

Doch zurück nach Rom. Inzwischen haben die Wallflowers den nächsten Fototermin hinter sich gebracht und mit gepuderten Naschen die mittäglichen Sandwiches verdrückt, um anschließend zu den nächsten Interviewrunden zu schreiten. Während seine (ungs draußen im Vorraum gute Laune verbreiten und Rami kräftig über Michaels neue Lederjacke vom Nobellabel Prada ablästert („Sag mal, bist du farbenblind? Die ist kackbraun und nicht olivgrün!“), wirkt der Maestro reichlich unterkühlt. Die Frage nach der langen Pause zwischen den beiden Alben reicht er umgehend weiter an Mario, der mit großen Augen der journalistischen Attacke harrt. „Fast zweieinhalb )ahre auf Tour sind reichlich anstrengend. Wir haben acht Monate Pause gebraucht, um unsere Familien zu sehen“, antwortet er. „Du hast doch gar keine“, witzelt lakob, und die Eiskruste schmilzt für einen unbedachten Moment. Gerade noch rechtzeitig fällt ihm wieder ein, dass er ja eigentlich den kühlen Unnahbaren mimt. Zu spät. Die Strafe folgt auf dem Fuß: Was ist denn nun mit der textlichen Aufarbeitung der Vater-Sohn-Beziehung? „Wenn irgendjemand anderes den Song geschrieben hätte, käme sicher niemand auf die Idee, solche Bedeutungen hineinzuinterpretieren“, kommt es reichlich frostig zurück. Zweiter Versuch: Ob es ihn nicht ärgere, dass über ihn und seine Songs so viel Schwachsinn im Internet verbreitet wird? Denn von der traumatischen Kindheit über Drogensucht bis hin zu Antisemitismus kursieren dort die obskursten Interpretationen seiner Texte. Jeder Erwachsene, der einigermaßen klar im Kopf ist, kapiert, dass solche Äußerungen kompletter Schwachsinn sind. Mir machen allerdings die jüngeren Kids Sorgen, die beim Surfen auf solche Sites stoßen und den Inhalt für bare Münze halten.“ Reife Worte eines Familienvaters, der mit Ehefrau Paige selber zwei Söhne hat, nämlich Levi (7) und lames (4).

Die Wallflowers als ernste, verantwortungsvolle lungmänner, die zum Lachen in den Keller gehen? Angesichts der lockeren Sprüche, die indessen Greg, Rami und Michael klopfen, keimt der Verdacht auf, dass die Wallflowers hinter verschlossenen Türen jede Menge Spaß miteinander haben. Belastet sie die exponierte Stellung von (akob Dylan? „Aber nicht doch. Das ist ja eher ein Problem für ihn. Wir können in Los Angeles auf der Straße herumlaufen und es interessiert sich keine Socke für uns. Aber wenn wir mit lakob in einem Restaurant sitzen, stehen gleich zwanzig Mann am Tisch.“ Liberhaupt scheinen Greg, Rami und Michael, von denen selbstredend keiner aus einer prominenten Musikerfamilie stammt, nicht bedingungslos am Rockstar-Ruhm zu kleben. Sie sind eng befreundet mit dem Radprofi Lance Armstrong, obwohl Michael Ward mit seiner Spiegelfrisur eher dem Tour-de-Trance-Loser Marco Pantani ähnelt. Eine Alternative zum Musikerdasein hat er jedenfalls schon ausgemacht: „Sollte es mal nicht mehr so laufen mit dem Musikgeschäft, dann eröffnen wir eben einen Rennstall und nehmen Jan Ullrich unter Vertrag.“ (kb) -* www.wallflowert.com G3