Can – Tago Mago
9.
„Zwischen 1968 und 1973′, begeisterte sich der jüngst verschiedene britische Melody Maker noch viele Jahre später- im Juni 1997 nämlich -„waren Can die ‚ Herrscher dieses Planeten.“ Und die Kollegen von Select attestierten den Kölnern etwa zur gleichen Zeit einen Status als „wahrhaft mythische Band“, die „auch heute noch viele als einzigartig empfinden“. Derart euphorische Lobgesänge stimmt die „Rule Britannia“-Fraktion 1. sonst eher nie. 2. im Falle von Can aber sehr zu Recht an. Alle Hymnen, die damals vor allem im Ausland gesungen wurden, rechtfertigten die Musiker nach „Monster Movie“ und einer Soundtrack-Kompilation -„Album Nummer zwei, aber nicht unser zweites Album“, wie die Beteiligten spitzfindig anmerkten – mit der Doppel-LP „Tago Mago“ von 1971. Sänger Malcolm Mooney hatte inzwischen – weil einigermaßen mit den Nerven runter-den Dienst quittiert. An seiner Statt hatten Czukay, Karoli, Liebezeit und Schmidt an einem milden Maitag in München den japanischen Straßenmusiker Damo Suzuki aufgegabelt-und am gleichen Abend mit auf die Bühne geschleppt. Der Rest ist – wie man so sagt – Geschichte, und „Tago Mago“ ein vor Intensität glühendes Album, das memorable Melodien („Oh Yeah“,“Bring Me Coffee Or Tea“), taumelnde Schamanentänze („Mushroom“,“Paperhouse“,“Halleluwah“, ein unwiderstehlich groovendes 18-Minuten-Stück mit orgiastischem Finale) und an Musique concrete gemahnende Soundwände aus reinem Klang, vulgo: Lärm, auf vier Plattenseiten (oder einem CD-Silberling) vereint. Vor allem „Aumgn“ (benannt nach einer Zauberformel des Satanisten Aleister Crowley) ist alles andere als leichter Stoff, erschließt aber auch heute noch dem, der sich Zeit nimmt zu hören, nie geahnte Dimensionen. Pandämonium trifft Poesie. Dass als Namensgeber für ein solch abgedrehtes Werk ein Magier Pate stand, entbehrt deshalb nicht einer gewissen Logik. Als Irmin Schmidt Mitte der 70er auf diesen kreativen Gipfelsturm zurückblickte, beschrieb er knapp, aber treffend Cans Attitüde – und Dilemma: „Als wir „Tago Mago“ gemacht hatten, wollten die Leute nur noch solche Zaubereien hören. Aber das ist nicht unsere Art. Das ist eine Sache, bei der wir nie einen Kompromiss eingehen werden, denn wir verändern uns.“ Wie oft behaupteten Bands Derartiges, und wie selten entsprach es der Wahrheit. Can hielten Wort. Halleluwah!