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Als einer der scharfsinnigsten Song- writer der USA hat Julia Roberts Ex-Mann Lyle Lovett den Country-Begriff neu interpretiert. Nashville ging das zu weit.

Was Underground-Legende und Green-On-Red-Mitgründer Chris Cacavas 1999 über einen der größten Songwriler der USA so elegant in einem Lied sagte, das platzte der ungestümen Julia Roberts acht Jahre zuvor einfach heraus. „Ly/eio^eff“, rief sie in einem TV-Interview zur Verwunderung der Klatschreporter strahlend auf die Frage, wer ihr Lieblings-Countrysänger sei. Keine zwei Jahre später führte sie den kauzigen Texaner mit der giraffenartigen Statur und der unerhörten Turmfrisur vordenTraualtar, schloss einen der überraschendsten und romantischsten Eheverträge des 20. Jahrhunderts und brachte damit sich und ihren Gemahl in eine fast unerträgliche Situation.

Verstört und verunsichert davon, dass eine so makellose Schauspielerin einen Mann mit einem schiefen Antlitz leiden konnte, stürzten sich die Medien auf das ungleiche Paar, strickten beleidigende „Die Schöne und das Biest „-Geschichten und ließen ihre respektlosen Fragen wie sauren Regen auf das zarte Pflänzchen dieser schwierigen Liebe herabprasseln. Nach nur 21 Monaten und knapp ein Jahr nachdem der Wahnsinn seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte, als der bescheidene Künstler von einer Reporterin für die Mai-1994-Ausgabe von Esquire auf einer belebten Straße in Hollywood gefragt wurde, ob er tatsächlich mit einem der größten Geschlechtsteile im Show-Business ausgestattet sei, – gab das Paar die Scheidung bekannt. Traurig, aber erleichtert zog sich Lyle Lovett wieder nach Texas zurück und ließ zum zweiten Mal in seinem Leben eine glitzernde, eitle Welt hinter sich, in der er noch immer so fehl am Platz wirkte wie einst schon zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn in Nashville.

Als Lyle Lovett Mitte der soer Jahre nach Abschluss eines Deutschund Journalistik-Studiums mit ein paar ungewöhnlichen, aber interessanten Songs nach Nashville kam, wurde er zunächst mit offenen Armen empfangen. Die örtliche Plattenindustrie hatte sich in eine Krise manövriert und suchte verzweifelt nach einem Leben nach dem Tod ihres Goldesels – des traditionellen Country. Die A&R-ScoutsjenerZeit zeigten sich risikobereit und statteten plötzlich unkonventionelle Künstler wie k.d. lang, Steve Earle, Nanci Griffith und auch Lyle Lovett mit Verträgen aus. Bei Erscheinen von Lovetts Debüt rieben sich die Top-Manager der „Music City“ die Hände: War der Mbnn optisch Beweis für den frischen Wind, den man – das behauptete zumindest jeder, der seinen Kopf retten wollte – so herbeisehnte, so schienen Songtitel wie „Cowboy Man“ und „God Will“ dennoch den Erhalt einer Tradition zu versprechen, der den Rücken zu kehren man insgeheim noch lange nicht bereit war. Freilich dauerte es nicht lange, bis in die oberen Etagen der himmelhohen Wolkenkratzer der Majorlabels durchdrang, dass sich hinter den harmlosen Titeln auf lyle lovett Songs voller ironischer Seitenhiebe auf die seichte, rührige und leicht reaktionäre Kost verbargen, mit der man seit Jahrzehnten in diesem Genre Geld verdient hatte. Als Schandfleck gar betrachteten einige konservative Hüter der Nashville-Tradition bald den zurückhaltenden Musiker, der bereits mit seinem zweiten Album pontiac klar den Weg aufzeigte, den er zu gehen gedachte: Auf der Platte, deren düsteres Cover dem Filmplakat zu David Lynchs quälendem „Eraserhead“ nachempfunden scheint, entwickelte Lovett ungeniert und leichtfüßig seine eigene, fortschrittliche Interpretation des Country-Begriffs, die Swing, Blues, Jazz, Folk, Cajun und Gospel beinhaltete. Weil Lovetts Weisheit, sein messerscharfer Intellekt, die Ironie und der trockene Humor, die sich in Songs wie „I Married Her Just Because She Looks Like You“ ausdrückten, zwar bei Kritikern Anklang fanden, die zahlenden Trucker aber eher verstörten als zu Tränen rührten, verlor man in der Country-Hauptstadt bald das Interesse. „Das Zeug, das letztendlich dann das .nächste große Ding‘ in Nashvdle wurde, war wieder traditionell: Randy Travis und Clint Black, ober nicht k.d.lang, Steve Earle oder ich“, erinnert sich Lovett. Nach dem überraschend großen Erfolg seiner fantastischen dritten LP LYLE LOVETT AND HIS LARGE BAND hatte er verstanden, dass er Nashville nicht brauchte, um ein junges, intellektuelles Publikum zu bedienen, das wenigerzwischen Kuhweiden und Kleinstädten als in den Ballungsgebieten an der Ost- und Westküste zu finden war. Er kehrte zurück auf das Gehöft seiner Familie in Klein, einem nach Lovetts schwäbischem Urgroßvater Adam Klein benannten Vorort von Houston, wo er bis heute – unterbrochen durch das traurige Intermezzo mit Mrs. Roberts – in Ruhe und Abgeschiedenheit lebt und arbeitet. Da der heute 46-Jährige den Hof seit dem Tod seines Vaters zum Lebensmittelpunkt gemacht hat, hört man nur noch dann von ihm, wenn er eine kleine Rolle in einem anspruchsvollen Film übernimmt, ein neues Album veröffentlicht (mv babv dont tolerate ist, abgesehen von der Filmmusik zu „Dr. T And The Women „, die erste Platte mit neuen Songs seit sieben Jahren) oder wenn ihn, wie im März 2002 geschehen, bei der Holzarbeit ein Stier auf die Hörner nimmt.