Angus Young: Der Starkstromer


Mit kunstvollen Kabinettstückchen hat er nichts am Hut. Und auch die Unplugged-Unsitte ist spurlos an ihm vorbeigegangen. Angus Young setzt auch künftig auf Starkstrom. Gut so.

Du kannst et nicht wissen, aber neulich hat Deine Kapelle eine komplette Party zum Platzen gebracht.

Ehrlich? Wie ist denn das passiert?

Zuerst spielte sich alles in einem anderen Raum ab. Doch dann lief im Wohnzimmer plötzlich euer Konzertvideo „Let There Be Rock“…

…und versaute die ganze Stimmung.

Nein, nur der Gastgeberin. Für ihr Essen interessierte sich nämlich niemand mehr. Alle wollten nur noch das Video sehen.

Für die Gastgeberin tut’s mir natürlich leid. Aber wenigstens die anderen hatten doch ganz offenbar ihren Spaß.

Apropos Spaß: Ist selbiger AC/DC abhanden gekommen, als es darum, eine neue Platte auf den Markt zu bringen? Hattet ihr keine Lust auf neue Songs? Oder warum kommt jetzt erst mal eine Box mit vier CDs voll mit alten Aufnahmen in die Läden?

Ein neues Album aufzunehmen, bereitet uns keine Probleme. Wir sind ja schon bei der Arbeit. Und was die CD-Box betrifft: Diesen Stein haben unsere Fans ins Rollen gebracht. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, altes und zuvor unveröffentlichtes Material angeboten zu bekommen.

Ach ja, die Fans…

Das kannst Du mir ruhig glauben. Ständig erhielten wir Anfragen und (grübelt) – wie heißen diese Computer Messages noch?

E-mails.

Ja, genau. Es kamen also dauernd diese Anfragen bezüglich alter Aufnahmen mit Bon Scott (ehemaliger AC/DC-Sänger; erstickte am 19. Februar 1980 in London auf dem Rücksitz eines Autos an Erbrochenem/Anmerkung der Redaktion). Mein Bruder Malcolm nahm sich schließlich der Sache an, wußte aber zunächst nicht genau, wie er vorgehen sollte. Es war ihm ausgesprochen wichtig, keine normale Best-Of-Platte oder die übliche Standardware auf den Markt zu bringen. Statt dessen wollte er den Fans wirklich etwas Besonderes bieten. Schließlich kam ihm die Idee, eine Werkschau der Jahre mit Bon Scott zusammenzustellen. Also durchforsteten wir die Archive nach Rough Mixes, Live- und Urversionen von AC/DC-Songs – eine echte Detektivarbeit.

Wie fühlt sich ein Detektiv, der in seiner eigenen Vergangenheit herumschnüffelt?

Sehr seltsam. All diese Erinnerungen – das Ganze war wie eine Reise in die Vergangenheit. Einen Moment lang fühlst du dich wie 17, dann wieder steinalt. So viel ist aber sicher: Wenn du dir die alten Aufnahmen mit Bon anhörst, begreifst du erst so richtig, wie begabt er war, welch großartige Stimme er hatte und wie geschickt er mit Worten umgehen konnte.

Geschickter Umgang mit Worten?

Ja,ich denke da an Textentwürfe, die er „Toilet Lyrics“ nannte. Ihrem komischen Namen zum Trotz machten sie irgendwie Sinn. Überhaupt bin ich der Meinung, daß die Songs aus unseren frühen Jahren zu den besten gehören, die wir jemals aufgenommen haben. Und aus diesen Aufnahmen haben wir für die CD-Box schließlich eine Best-Of-Bon herausgefiltert.

Eine Best-Of-Bon, der ihr mit „Bonfire“ den Namen einer deutschen Band gegeben habt…

Ist mir neu. Sind die Burschen denn wenigstens gut?

Das ist Geschmackssache.

Ist ja auch egal. Wir jedenfalls haben den Namen „Bonfire“ mit Blick auf Bon Scott ausgewählt. Er hat mal gesagt, „Wenn ich eines Tages ein echter Star bin, dann nehme ich ein Soloalbum auf- und das wird ‚Bonfire‘ heißen“. Malcolm hat sich bei der Arbeit an der CD-Box an diesen Satz erinnert. Und überhaupt: Als ‚Bonfire‘ zusammengestellt wurde, war Bon sowieso fast immer irgendwie präsent.

Kein Wunder, auch euren Fans spukt er ja noch immer im Kopf herum…

Stimmt, aber wenn ich davon spreche, daß Bon bei der Arbeit an ‚Bonfire‘ irgendwie anwesend war, dann meine ich natürlich die Erinnerung an ihn. Ich ertappe mich ohnehin oft genug dabei, wie ich plötzlich dasitze und an ihn denke.

Weißt Du auch warum?

Seit wir uns kannten, wich Bon nicht mehr von unserer Seite. Er wollte einfach mit uns zusammen sein – und das auch schon, bevor er bei uns einstieg. Mit AC/DC schien er erstmals in seinem Leben etwas gefunden zu haben, was ihn wirklich ausfüllte und befriedigte. Immer wieder hat er gesagt, „Ich lebe für diese Band“.

Nach Bons tragischem Tod ging AC/DC mit Sänger Brian Johnson in eine neue Runde.

Die Songs von „Back In Black stammten noch aus Bons Nachlaß. Es waren die letzten, an denen er mitgewirkt hatte. Als Bon gestorben war, meinte Malcolm, „Laß uns die Songs erst mal fertig machen, und dann sehen wir weiter“. Aber natürlich brauchten wir einen neuen Sänger. Und Brian Johnson kannten wir ja schon von seiner früheren Band Geordie. Bon war zu Lebzeiten geradezu begeistert gewesen von Brian. Und so war es wohl auch in seinem Sinne, daß wir mit ihm weitermachten. Was folgte, war der aufregendste Auftritt unserer Karriere.

Welche Show ist damit gemeint?

Unser erster Auftritt mit Brian, der schließlich in Belgien stattfand und fast so etwas wurde wie eine Kundgebung für den Fortbestand von AC/DC. Viele Fans hatten Transparente mit Durchhalteparolen dabei.

Ganz offensichtlich habt ihr eure Fans bis zum heutigen Tag erhört. Inzwischen seid ihr sogar an einem Punkt angelangt, an dem es euch fast egal sein kann, ob ihr nun ein gutes, ein schlechtes oder gar kein Album herausbringt. Wenn ihr auf Tour seid, spielt ihr ja ohnehin in vollen Hallen.

Okay, kann sein, daß da wirklich etwas dran ist. Aber trotzdem sage ich nicht, „So, liebe Leute, hier ist unser neues Album. Kauft das jetzt und kommt dann schön zu unseren Konzerten“. So denke ich nicht. Statt dessen will ich den Leuten immer etwas bieten. Richtig glücklich bin ich ohnehin erst, wenn wir live spielen, das Publikum voll mitgeht und die Bühne vibriert.

Für die nötige Vibration sorgt ja schon allein Dein Körpereinsatz auf der Bühne.

Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich eben ein anderer Mensch.

Hat das vielleicht etwas mit Schizophrenie zu tun?

Nein, eher mit so einer Stimme im Ohr.

Reden wir etwa über einen Tinnitus, hervorgerufen durch allzu großen Lärm?

Nein, damit habe ich nun wirklich keine Probleme (lacht). Auf der Bühne lebe ich mich einfach aus. Was ich da alles anstelle, merke ich oft erst etliche Stunden später – wenn mir das Blut aus den Schuhen läuft. Und am nächsten Morgen. Dann bin ich nämlich steif wie ein Brett.

Hast Du vor diesem Hintergrund schon mal ans Aufhören gedacht?

Nein, auf der Bühne zu stehen, das ist wie eine Sucht. Ich brauche das.

Und was brauchst Du sonst noch so?

Zigaretten und meine Gitarre. Ohne die halte ich es nie lange aus – wie auf meiner Hochzeitsreise. Wir hockten auf irgendeiner Insel, auf der es nicht mal einen Musikladen gab – und ich hatte meine Gitarre nicht dabei. Da habe ich einen Typ aufgetrieben, der eine Akustikklampfe mit sich herumschleppte. Ich hab’sie ihm sofort abgekauft.

Du spielst also nicht nur Deine Gibson SG?

Man darf eben nicht immer so wählerisch sein (lacht). Wenn ich erst mal eine Gitarre in den Fingern habe, ist es ohnehin nicht mehr so wichtig, was für eine es ist. Trotzdem: Als erstes spiele ich einen Blues.

Magst Du nicht auch mal was Moderneres?

Kann ich so nicht sagen. Videoclips und Musiksendungen meide ich nämlich.Obdu dir nun eine Popshow, eine Unterhaltungssendung oder einen Beitrag über Mode anschaust – es geht ja doch immer um Politik.

Und die interessiert Dich nicht?

Doch. Nur mag ich es nicht, wenn man mir ständig etwas vorkaut. Das war schon in der Schule so.

Lehrer sind Dir offenbar nicht in bester Erinnerung. Warum also trägst Du auf der Bühne ausgerechnet eine Schuluniform?

Darin fühle ich mich frei von allen Zwängen und kann die Sau rauslassen. Sonst bin ich nämlich ein sehr schüchterner Typ.