Audioslave im Interview
Wie muss man sich das vorstellen ? Ihr geht einfach so in den Proberaum und jammt los ? Oder gab es vorher Gespräche mit den Managements, in welche Richtung eure Musik gehen soll?
Es gab natürlich Gespräche, aber nicht über die Musik. Das macht es je gerade so besonders. Wir sind einfach ins Studio gegangen, haben alle die Augen geschlossen, uns in den Groove vertieft und ließen die Dinge laufen. Und eine halbe Stunde später hatten wir den ersten Song. Es war echt magisch.
Wer kam überhaupt auf die Idee, es einmal mit Chris zu probieren?
Das war Rick Rubin. Er sprach mit Chris darüber, wie es für ihn wäre, mal wieder in einer Band zu singen. Und Rick wusste, dass wir Drei nach einem neuen Sänger suchten.
Und doch gab es zu Beginn dieses Jahres einen ganzen Sack voller Dementis und eine bereits angesetzte und dann im letzten Moment gecancelte Tour.
Da kommen wir wieder zu den Gesprächen mit dem Management. Wenn du auf unserem Niveau arbeitest, kann man die geschäftliche Seite leider nie außer Acht lassen, auch wenn es zum Himmel stinkt. Es ist aber nun mal leider so, dass Chris bei einem anderen Label ist als wir und beide Seiten ihre jeweiligen Verträge zu erfüllen haben. Diese Dementis und Probleme im Vorfeld hatten aber zu keinem Zeitpunkt etwas mit der Musik zu tun. Das war rein geschäftlich.
Bist du jetzt also glücklich ?
Wie kommst du auf die Frage?
Weil du dafür bekannt bist, als Drummer ein Spezialist für harte, fette Grooves zu sein. Dafür ist bei Audioslave nicht viel Raum; meist ist eher balladeskes Trommelfelle-Streicheln angesagt. Langweilst du dich nicht?
Im Gegenteil, es ist die größte Herausforderung meines bisherigen Musiker-Lebens. Ich habe in den letzten Jahren viel buddhistische Literatur gelesen, über Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche. Draufgeprügelt habe ich jetzt schon ein Jahrzehnt lang, ich habe bewiesen, dass ich das kann. Etwas völlig Neues zu tun, mich einem Songgerüst unterzuordnen, das ist die Herausforderung, die ich brauchte. Die gleiche Suite, ein anderer Raum. Gitarrist Tom Morello sitzt mit durchgedrücktem Rücken auf der Sofakante, die Baseball-Kappe hat er tief in die Stirn gezogen.
Wie geht’s?
Das fragst du noch? Ich habe gerade die Gelegenheit, über die Platte meines Lebens zu sprechen. Es geht mir fantastisch!
Die Platte deines Lebens? Große Worte – und ein bisschen despektierlich den zehn Jahren Rage Against The Machine gegenüber.
Ja, das stimmt. Es war eine großartige Zeit mit Rage, keine Frage. Aber eben auch eine sehr schwierige. Richtig Spaß war es eigentlich nie. Es war eher ein fortwährender Kampf.
Auf welcher Ebene? Inhaltlich, menschlich oder musikalisch?
Alles drei zu gleichen Teilen. Wir wollten das ja auch so, haben es uns nie leicht gemacht. Und ich habe es an Zack (de la Rocha, Sänger von Rage Against The Machine, Anm.d. Red.) immer sehr geschätzt, dass er alles zehn Mal hinterfragt hat; nur so konnten wir so gut werden. Auf der anderen Seite war es einfach sehr nervenzehrend. Insofern ist Audioslave die Belohung für zehn Jahre harter Arbeit.
Was ist das Besondere an Audioslave?
Ich habe noch nie eine solche Kreativität erlebt. Wir wussten nach den ersten zwei Minuten, dass hier etwas Besonderes passiert. Wir sind dann gleich 18 Tage im Studio geblieben und haben mal eben 23 Songs geschrieben. Mit Rage war das nie so. Da war jeder einzelne Song ein absoluter Kampf. Wir haben jedes Mal Monate für den zehnten Song eines Albums gebraucht. Mit Zack zu arbeiten war oft die Hölle. Nie war er zufrieden. Manchmal hatten wir endlich einen Song im Kasten, und kaum, dass er aufgenommen war, hat er ihn komplett gelöscht und uns wieder von vorne anfangen lassen. „Das ist nicht das, was ich mir vorstelle“, sagte er dann immer.
Dennoch: warum gerade Chris ? Es ist kaum ein Sänger vorstellbar, der sowohl stilistisch als auch inhaltlich weiter weg ist von dem, was Zack ausgezeichnet hat.
Das stimmt absolut, und genau das macht es ja gerade so aufregend. Es zeigt, wie universell und variabel unsere Musik und seine Stimme sind. Ich liebe Chris. Ich liebte ihn schon immer. Es klingt kitschig, aber die Chance, mit einem meiner All-Time-Lieblingssänger eine Platte aufzunehmen…
Wie steht es mit euren politischen Ambitionen? Sie waren bisher zentraler Bestandteil eures Schaffens; Chris hingegen singt gerne und viel über die Liebe.
Die Lyrics von Chris sind brillant. Auch er hat uns anfänglich diese Frage gestellt: „Worüber soll ich singen? Ich bin anders als Zack.“ Und wir haben ihm geantwortet, er solle einfach das schreiben, was ihn bewegt. Außerdem ändert das nichts daran, dass wir weiterhin politisch extrem motiviert sind. Nur eben nicht als Band, sondern als Einzelpersonen. Ich beispielsweise organisiere Demos, halte Reden und habe mit Serj Tankian von System Of A Down eine neue Organisation gegründet, die Access of Justice. Wir helfen elternlosen oder verwahrlosten Kindern, einen Weg in ein geregeltes Leben zu finden.
Chris Cornell, Sängergott und Grunge-Beau in Personalunion, fläzt sich ultragelassen in das sündhaft teure Sofa, raucht Kette und sieht mindestens zehn Jahre jünger aus, als er mittlerweile ist. Nämlich: knapp 40. Der Rock’n’Roll-Lifestyle scheint an seinem durchgestählten Astralleib abzuperlen wie Wassertropfen an Plexiglas. Überraschend seine Sprech-Stimme: Tief,‘ dunkel, ruhig, ein bisschen kratzig.
Es heißt, du hattest Dutzende Angebote von Bands erhoalten. Von nahe liegenden bis hin zu völlig abwegigen.
Ja, das stimmt.
Das Abwegigste?
Ich werde jetzt keine Namen nennen Das wäre nicht fair.
Irgendjemand sagte mal: Van Halen.
Das kommentiere ich jetzt mal nicht.
Aha! Also doch wahr!
Wahr, falsch, das ist egal. Jetzt habe ich wieder eine Band. Alle Spekulationen sind somit Geschichte.
Du hast die Lyrics zur Musik verfasst – war es angesichts der politischen Historie von Rage Against The Machine diesmal schwieriger für dich? Hattest du Schiss, die anderen könnten die Texte nicht mögen?
Klar hatte ich Angst, aber sie haben mich sehr darin bestärkt zu schreiben, was ich will. Ich kann mir die Probleme der kleinen Leute sehr bewusst machen, ich kann mich intensiv mit den politischen Unzulänglichkeiten dieses Landes befassen, aber in meinen Augen hat das keinen Platz in der Musik. Musik ist kein politisches Forum. Sie ist noch nicht einmal eine Plattform für Informationen. Ich habe noch nie das Gefühl gehabt, dass ich meine musikalischen Ideale mit Politik kreuzen sollte.
Was ist das Beste am Ende Deiner Solo-Karriere?
Ich muss keine T-Shirts mehr herstellen lassen, auf denen mein Name steht. Das war das Schrägste an meiner Solo-Platte.