Blues im Blut


Die zweite Platte ist immer die schwerste. Blues Boy Jonny Lang hat diese Hürde mit Bravour genommen.

Daß sich hinter diesem knabenhaften Gesicht die Hoffnung, die Rettung, gar die Offenbarung des neuzeitlichen Blues verbergen soll, nein, so recht mochte das zu Beginn der Karriere von Jonny Lang niemand glauben. Inzwischen jedoch, nach Konzerten in aller Welt und dem geradezu sensationellen Erfolg seines ersten Albums, hat Lang selbst die ärgsten Zweifler überzeugt. Jonny, da ist man sich einig, muß trotz seines jugendlichen Alters – er ist gerade mal 17 Jahre alt -zu den Besten im Blues-Business gezählt werden. Ein Musiker, dem selbst Legenden wie B.B. King anerkennend auf die Schulter klopfen. Heute aber, beim Interview, ist Jonny Lang erst mal müde. Wie sehr ihn die Reklamereise für sein neues Album („Wander This World“ / siehe Plattenteil) begeistert, ist dem jungen Mann aus Amerika deutlich anzusehen. Dennoch ist er um Höflichkeit bemüht: „Eigentlich habe ich gar nichts gegen Promotiontage. Im Gegenteil, meistens sind die Interviews ziemlich spannend.“ Manchmal aber auch nicht. Und das schlägt der sensiblen Seele aufs Gemüt. „Natürlich hat es Spaß gemacht, wieder eine Platte aufzunehmen“, stöhnt Lang. „Und selbstverständlich war es an der Zeit, noch mal ins Studio zu gehen“, kommt es träge. Die Frage, ob er sein neues Album denn auch gerne höre, läßt die Stimmung schließlich auf den Nullpunkt sinken.“Was denkst denn du? Du hast bestimmt auch den Unsinn gelesen, daß ich meine Aufnahmen nicht so gerne anhöre, weil ich angeblich finde, daß meine Stimme so komisch klingt. Alles Käse. Klar höre ich mir die Platte an. Schließlich war ich es, der sie aufgenommen hat!“ Das Werk, wofür Lang die Reklametrommel rührt, entstand in seiner Heimatstadt Minneapolis und wurde mit David Z. erneut von jenem Mann produziert, der schon dem Debüt „üe To Me“ (1996) zu Erfolg und anschließenden Platinehren verhalf. Eine Neuauflage des Erstlings von Jonny Lang ist „Wander This World“ trotzdem nicht geworden: „Ich hatte keine Lust,“LieTo Me“ noch einmal aufzunehmen. Mag sein, daß meine Plattenfirma so was von mir erwartet hat. Ich aber habe meine eigenen Vorstellungen. Blues ist schließlich nicht alles.“ Nicht nur dieses unerwartete Statement unterstreicht: Der 17jährige Lang hat seinen eigenen Kopf. Und den setzt er auch im Plattenstudio durch. Daß Jonny bei den Aufnahmen zu „Wander This World“ zwar dem Blues treu geblieben, nicht aber eine Blaupause der Erfolgs-LP „Lie To Me“ geschaffen hat, merkt man nicht nur der Single „Still Rainin'“, sondern auch der Prince-Nummer „I Am“ an, die T.A.F.K.A.P. vor Jahren zusammen mit David Z. zu Papier brachte, dann aber nie veröffentlichte. Das Resultat mag der Fachmann „funky“ nennen, Längs Wurzeln aber liegen nach wie vor im Blues. Eine Tatsache, die Jonny gern relativiert: „Die einen sagen, ich sei zu jung für den Blues, die anderen, mir fehle die richtige Attitüde. Ich selbst aberfinde mich in allen Songs wieder, die ich spiele, und das ist das Wesentliche für mich. Ich will Spaß haben beim Musikmachen.“ Dieser Satz, oft gesagt in den letzten Tagen, kommt nicht im Brustton der Überzeugung, sondern leise, beinahe schon schüchtern daher und wirkt genau deswegen um so glaubwürdiger. Beklemmend ernst klingt Jonny, wenn er an seinen Fürsprecher Luther Allison erinnert. Ihm zu Ehren spielte Lang Luthers Lied „Cherry Red“ ein. Allisons Witwe gestattete Jonny, für diesen Song Luthers Gitarre zu benutzen. „Das war der ergreifendsten Momente, die ich je beim Gitarrespielen erleben durfte“, erinnert sich der 17jährige.