Bruce Springsteen, Ost-Berlin. Radrennbahn
Für die USA wird der Boß langsam zu einem bevölkerungspolitischen Problem: Überall wohin sein Tour-Tross rollt, mehrt et die Einwohnerzahl seines Landes. Waren es in München 35.000 junge Deutsche, die lautstark reklamierten, sie seien „Born In The USA“, stieg zwei Tage später in Ost-Berlin die Zahl der Wahl-Amis um weitere 160.000. Honey muß wohl irgendwas von Glasnost gehört haben. Das imposante Polizeiaufgebot (ein Großteil in Zivil) jedenfalls beließ es dabei, den Verkehr zu regeln und ein paar Punker aus demselbigen zu ziehen.
Obwohl nur Wenigen ein Blick auf die Bühne vergönnt war, mußte niemand auf den Boß verzichten: Die weiter entfernt stehenden Gäste verschafften sich mit den bewährten Zeiss-Feldstechern aus Jena den nötigen Durch-Blick auf die drei Video-Wände. Transparente wie „Hennickemlorf grüßt den Boss“ und auch die .selbstgenähten US-Flaggen zeugten von liebevoller Konzert-Vorbereitung an der heimischen Nähmaschine.
Bruce nahm die ungewohnten Beifallsbekundungen sichtlich gerührt und legte los. Obwohl TUNNEL OF LOVE in der DDR noch nicht veröffentlich wurde, konnten die Ost-Kids die Texte von „Tougher Than The Rest“ und „Walk Like A Man“ längst auswendig, schließlich hat jeder dritte Haushalt in der DDR einen Cassettenrecorder. Text-fest auch bei „Dancing In The Dark“ und dem Opener „Bad Land“, bereiteten die Fans hinter der Mauer dem Meister ein Begeisterungs-Feuerwerk. Apropos Mauer: Springsteen lernte für seine Message an die Fans sogar deutsch: „Ich bin nicht hier, um irgendein politisches System zu preisen oder verdammen, ich bin gekommen, um Rock’n’Roll zu spielen. Aber ich hoffe, daß eines Tages alle Barrieren niedergerissen werden.“
Die DDR-Rock’n’Roller waren indes eher mit- als nieder-gerissen, schließlich gab es dreieinhalb Stunden West-Rock vom Feinsten: Im Cowboy- und Automechaniker-Look rockt sich Bruce die Seele aus dem Leib und turtelt ungeniert mit Patty Scialfa über die Bühne. Wären da nicht die sehnsüchtigen Blicke auf die abreisenden Busse der Musiker — es hätte ein ganz normales, hochklassiges Springsteen-Konzert werden können.