Danger Mouse auf der dunklen Seite der Seele
Es sind die Abgründe, die Brian Burton, den größten Produzenten unserer Zeit, anziehen. Sein neues Album ist ein Meisterwerk – und das Vermächtnis zweier Freunde.
„Ich möchte mit meinem Werk nicht die Unsterblichkeit erreichen … ich möchte sie dadurch erreichen, dass ich nicht sterbe.“ (Woody Allen)
Für zwei Minuten war Mark Linkous praktisch tot. 1996 war das, während er mit seiner Band Sparklehorse im Vorprogramm von Radiohead unterwegs war. Alleine in seinem Hotelzimmer schüttete er Alkohol, Antidepressiva, Valium und wohl noch einige andere Substanzen in sich hinein. Seine Beine knickten weg, er verlor das Bewusstsein und blieb so liegen, mit den Beinen unter seinem Körper. Als er nach 14 Stunden entdeckt wurde, war es eigentlich zu spät. Sanitäter streckten seine Beine wieder aus, das Blut kam plötzlich wieder in Fluss – und verursachte einen Herzinfarkt.
Danach saß Mark Linkous sechs Monate im Rollstuhl und musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen, bis er wieder halbwegs laufen konnte. „Ich hatte wirklich Angst“, sagte er damals in einem Interview, „dass der Teil meines Gehirns beschädigt bleiben würde, mit dem ich Songs schreiben kann“. Glücklicherweise sollte er dann doch wieder Songs schreiben, zuletzt mehr und bessere als jemals zuvor. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für eine erstaunliche Reihe anderer Künstler. Für Wayne Coyne (The Flaming Lips), für Iggy Pop, für Jason Lytle (ex-Grandaddy), für Julian Casablancas (The Strokes), für James Mercer (The Shins), für Frank Black (Pixies), für Nina Persson (The Cardigans), für Gruff Rhys (Super Furry Animals), für Scott Spillane (Neutral Milk Hotel) und für Vic Chesnutt – alle versammelt auf einem einzigen Album: DARK NIGHT OF THE SOUL.
In einem seiner letzen Interviews erzählte er über die Arbeit mit seinem Freund, Produzenten und Co-Autor Brian Burton alias Danger Mouse: „Es war eine glückliche Zeit. Es war etwas, das ich so nicht kannte, eine andere Welt. Ich dachte nur noch an die Musik und hatte keine Zeit, allzu viel über mich nachzudenken, was sonst passiert, wenn ich allein Musik mache“. DARK NIGHT OF THE SOUL sollte schon 2009 erscheinen, wurde aber aus rechtlichen Gründen auf Eis gelegt. Wer es trotzdem hören wollte, fand die Platte allerdings irgendwo im Internet.
Vic Chesnutt begann zu sterben, als er 18 war. Damals raste er betrunken mit seinem Auto gegen einen Baum. Er überlebte schwer behindert, blieb an seinen Rollstuhl gefesselt und konnte auch seine Hände nicht mehr richtig benutzen. Selbst auf der Gitarre blieb er auf einfache Akkorde beschränkt. Abhängig von Schmerzmedikamenten, qualvollen Operationen und den daraus resultierenden Geldsorgen schuf er dennoch eine Reihe großartiger Alben, die ihm seinen Platz im Pantheon des Folk sichern sollten. Auf das Cover einer dieser Platten, IS THE ACTOR HAPPY? (1995), kritzelte er den ahnungsvoll-schönen Satz: „Der Tod nährt das Leben“.
Die „New York Times“ schrieb über den Sänger und Songwriter, seine „verdrehte, gebrochene“ Musik sei „eindringlich, lustig, schmerzlich, gelegentlich mystisch und gewöhnlich alles zusammen“. Chesnutt blieb geradezu beunruhigend produktiv, nahm 2009 sogar gleich zwei Platten auf. Von seinem Freund und Kollegen Mark Linkous ließ er sich noch zu einem dritten Projekt überreden: Auf DARK NIGHT OF THE SOUL singt er das berückende „Grim Augury“, besser produziert und gespenstischer denn je. Dass das Album vielleicht nie erscheinen würde, kümmerte ihn wenig. Er hatte andere Sorgen. „Ich habe mein ganzes Leben mit dir geflirtet“, sagte er einmal über den Tod: „Ich habe dich sogar ein-, zweimal geküsst“.
Vic Chesnutt wurde 45 Jahre alt. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2009 nahm er absichtlich eine Überdosis seiner Medikamente ein, Muskelentspannungsmittel, und starb in einem Krankenhaus in Athens, Georgia, nach kurzem Zwischenstopp im Koma.
Mark Linkous wurde 47 Jahre alt. Am 6. März 2010 schoss er sich auf der Straße vor dem Haus eines Freundes in Knoxville, Tennessee, ins Herz. Mit einer Pistole, die er für genau diesen Zweck schon seit Jahren aufbewahrte.
Am 7. Juli 2010 wurde beider Vermächtnis, das phänomenale Werk DARK NIGHT OF THE SOUL, doch noch offiziell veröffentlicht.
„Warum sind unsere Tage gezählt und nicht, sagen wir, buchstabiert?“ (Woody Allen)
Mit dem Leben ist es wie mit einem Zug. Ruhig und rhythmisch gleitet es dahin. Manchmal gesellen sich andere Mitreisende zu uns, während vor dem Fenster sich die Landschaft wandelt. Hin und wieder geht es hinein in einen Tunnel, meistens aber bald wieder hinaus. Der Weg scheint unabänderlich und klar. So kommt es, dass wir die wichtigen Weichen gar nicht wahrnehmen, wenn wir sie nehmen. Es ist ja nur ein kleines Ruckeln. Und ruckelt es nicht dauernd? Erst rückblickend dämmert uns dann, dass diese banale Unmerklichkeit unser Leben in eine neue Richtung gelenkt haben muss. Es sind nicht einmal Gelegenheiten, die beim Schopfe gepackt werden müssen. Es passiert einfach. Eine Kleinigkeit wird es sein, etwas Alltägliches, das nur zu dieser Zeit und an diesem Ort sich schicksalhaft vollziehen kann. Da geht einer auf ein Bier in eine Kneipe. Da beschließt jemand, endlich mal sein Zimmer aufzuräumen …
Brian Burton rätselt noch heute, wie aus ihm werden konnte, was er ist. Der 32-Jährige mit dem Vollbart und der Pilotenbrille gilt als einer der wichtigsten Künstler unserer Zeit. Das US-Magazin „Esquire“ wählte ihn auf Platz 10 der 75 „einflussreichsten Menschen des 21. Jahrhunderts“, gleich hinter dem indischen Großindustriellen Ratan Tata – und noch vor Zeitgenossen wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, Arnold Schwarzenegger sowie Bill und Melinda Gates. Die Begründung: „Er hat einen cinematographischen Zugang zur Musik, nicht den eines Technikers am Mischpult“. Da allerdings ist etwas dran.
Aufgewachsen ist Brian Burton in White Plains, einem wohlhabenden Vorort von New York, in einer von nur zwei afroamerikanischen Familien in einem restlos jüdischen Viertel. Der Vater war Lehrer, die Mutter Sozialarbeiterin. Die Hautfarbe, sagt er, sei daheim nie Thema gewesen. Der Glauben auch nicht. Und für Musik hatte er sich als Kind nie sonderlich interessiert. „Ich hielt das für Unterhaltung, nicht für Kunst.“ Er hörte Hip-Hop, weil er dachte, dass er als Schwarzer halt Hip-Hop hören müsse. „Ich erinnere mich, dass meine Schwester Kassetten aus der Schule mitbrachte, dass das ein neues cooles Ding sein sollte. Na ja. Ich war ein Kind, und zugleich erlebte der Hair-Metal seine Blüte. Das war mehr so mein Ding. Poison und so. Also, beeinflusst hat mich wirklich, was ich damals so im Radio hörte. Und die alten Sixties-Soul-Platten meines Vaters. Ich bin kein Hip-Hop-Kid.“
Das erste Album, dass er kaufte, war George Michaels erstes Soloalbum FAITH: „Ich muss damals acht Jahre alt gewesen sein und war völlig fasziniert von diesen Songs über Sex. Ich flehte meine Mutter an, mir die Platte zu kaufen, daraufhin führte sie erst einmal ein Aufklärungsgespräch mit mir.“
Doch Burton blieb dem Hip-Hop zunächst verbunden, verehrte RZA und den Wu-Tang Clan. Bis er eines Tages, schon auf dem College in Athens, Georgia, abends noch auf ein Bier in die Kneipe ging. Dort lief Musik, die ihn elektrisierte: „Ich fragte den Barkeeper, was das ist“. Es war „Wish You Were Here“ von Pink Floyd. Ob er denn noch nie davon gehört habe? „Hatte ich schon“, erzählt Burton, „aber ich dachte, das wäre irgendwie uncool. Ich trank mein Bier aus und zog los, mir alle Platten von Pink Floyd zu besorgen“.
Von diesem Tag im Jahr 1998 an war er für den Hip-Hop verloren: „Was ich mache, wird absolut missverstanden. Ich lasse es nur eben unkorrigiert stehen. Hip-Hop hat ja mit Rap zu tun, und ich mag es nicht einmal, wenn die Leute überhaupt nur meine Stimme hören! Ich bin alt genug, um mich an den Anfang von Hip-Hop erinnern zu können, ich war fünf oder sechs Jahre alt, als es dauernd im Radio lief und ungefähr 14 oder 15, als ich mich wirklich dafür interessierte, bevor es mich wieder kalt ließ. Es war nur eine Phase. Doch lasse ich heute mal ein Hip-Hop-Element zu, denken die Leute gleich: ‚Aha, das ist es also, was in seinem Kopf vorgeht‘.“
Es ist schon seltsam, wenn ausgerechnet Pink Floyd zu den wichtigsten Einflüssen eines jungen schwarzen Künstlers zählen. Noch seltsamer ist der Einfluss von Woody Allen.
„Das einzige, was ich in meinem Leben wirklich bedauere, ist, kein anderer zu sein.“ (Woody Allen)
Ohne Woody Allen gäbe es keinen Danger Mouse. Den Regisseur verehrt er wie kaum einen zweiten. Weil sich in seinem Werk Komik und Tragik so unvergleichlich die Waage halten. Und weil er als Regisseur die totale Kontrolle über seine Kunst hat: „Ich habe erst in Athens gemerkt, dass das, was ich mache, Kunst sein kann“, sagt Burton. Also stürzte er sich in die Szene der Stadt von R.E.M..
Vic Chesnutt lernte er dort kennen, Mark Linkous und das Kollektiv Elephant 6, aus dessen Dunstkreis die legendären Neutral Milk Hotel hervorgingen. Deren megamelancholisches Album IN AN AEROPLANE OVER THE SEA zählt zu den wichtigsten Indie-Platten aller Zeiten. Und Jeff Mangum von Neutral Milk Hotel gehört zu den rätselhaftesten Gestalten der jüngeren Musikgeschichte. Einfach, weil er nach seinem epochalen Wurf vollkommen in der Versenkung verschwunden ist. Burton, bestens vernetzt, hat Kontakt zu dem Eremiten, sagt aber: „Ich spreche nicht mit der Presse über jemanden, der nicht mit der Presse spricht.“ Neutral-Milk-Hotel-Mitglied Scott Spillane hat einen Gastauftritt auf DARK NIGHT …
Aber auch Burton selbst pflegt im Umgang mit der Öffentlichkeit eine fast schon menschenscheue Vorsicht. Seinen Künstlernamen Danger Mouse hat er einer britischen Cartoon-Serie entlehnt, gerne verbirgt er sich hinter Verkleidungen. Noch in Athens nimmt er an einem Talentwettbewerb teil und darf im Vorprogram von Outkast auftreten. Dabei lernt er den Rapper Cee-Lo Green kennen, den Rap ebenfalls langweilt. Burton überreicht ihm ein Demotape mit Songs für ein mögliches gemeinsames Projekt – und reist erst einmal nach London, wo er für einige Zeit leben möchte.
„80 Prozent des Erfolgs bestehen darin, dass man überhaupt auftaucht“ (Woody Allen)
In London hält er sich 2004 mit DJ-Jobs über Wasser. Auch das kriegt er so leicht nicht wieder los: „Ich meine: Disk Jockey?! Ich? Wollt ihr mich verarschen? Ich habe seit über fünf Jahren keinen Plattenteller mehr berührt, und trotzdem heißt es immer wieder: ‚Oh, da kommt DJ Danger Mouse‘!“ Mit Cee-Lo bleibt er in Kontakt. Cee-Lo ist der einzige Mensch, der Burton tatsächlich „Danger Mouse“ nennt. Ein Zeichen dafür, dass man sich ernst nimmt. Sie wollen diese Platte machen, einen schön blöden Namen haben sie auch schon: Gnarls Barkley.
Unterdessen lernt Burton den in der Anonymität lebenden Street-Art-Künstler Banksy kennen, als er gerade auf der Suche nach neuen Kostümen ist – und lässt sich zu einer mindestens so originellen wie illegalen Aktion hinreißen: Zu jener Zeit wird in London gerade das Debüt-Album von Paris Hilton in die Läden gestellt. Doch wer nicht aufpasst, kriegt eine ziemlich eigenartige Version dieser Platte zu hören: Die Musik klingt schräg, aber großartig, und auf dem um Nacktaufnahmen ergänzten Cover prangen Songtitel, die es auf dem Originalalbum nicht gibt, etwa „Why Am I Famous?“ oder „What Have I Done?“. Banksy und Burton veröffentlichen zu ihrem Fake-Release eine Erklärung, in der es nur heißt: „Es ist schwer, Perfektion noch zu verbessern, aber wir mussten es versuchen“.
Selbst Jahre später hält Burton sich dazu bedeckt: „Es stimmt, dass ich da an so einer Sache teilgenommen habe, bei der ich … sagen wir: eine gewisse Rolle spielte. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, muss ich sagen: Das ist vielleicht das Lustigste, was ich jemals gemacht habe. Ja. Das einzig rundum Lustige.“
Ein paar Wochen später nahm Burton sich vor, endlich einmal sein Appartement aufzuräumen. Dabei fiel ihm das „Weiße Album“ der Beatles in die Hände. Er legte es in den CD-Spieler und kramte weiter rum, stieß auf die A-capella-Version des damals aktuellen BLACK ALBUM von Jay-Z. Da kam Burton eine Idee, die ihn die folgenden 20 Tage nicht mehr loslassen sollte: Er zerlegte den Meilenstein der Beatles in seine perkussiven Elemente, um sie, neu arrangiert, unter die Raps von Jay-Z zu mischen.
Dieses „Grey Album“ kopierte er auf 3000 CDs, um damit ein paar Freunde zu beeindrucken. „Aber dann bekam die Sache plötzlich Gewicht“, erinnert er sich: „Es glitt mir aus den Händen. Damals hatte ich in meiner kleinen Bude in London gerade mal ein Vierspur-Gerät, Keyboard, Gitarre, eine kleine Drum-Machine und einen Sampler, und dort schrieb ich ein paar Songs wie jeder andere auch. Ich dachte nicht im Traum daran, ein toller Gitarrist oder Schlagzeuger zu werden. Ich kenne zu viele gute Gitarristen, Schlagzeuger und Keyboarder. Sampling passte viel besser zu mir und dazu, wie mein Kopf funktioniert. Ich wollte mit dem, Grey Album‘ den definitiven Beweis führen, dass Sampling eine eigene Kunstform ist. Aber das wollte ich eigentlich nur meinen Freunden zeigen, die in Bands spielten. Oder meinen Eltern und anderen Leuten, die fragten: ‚Was zum Teufel machst du eigentlich so?‘ Das war alles.“
War es nicht. Während Jay-Z sich zurückhielt, flatterte ihm eine Unterlassungsklage der EMI ins Haus, die die Rechte am Songschatz der Beatles verwaltet. Das „Grey Album“ genoss im Internet derweil längst Kultstatus. Ein paar Tage später rief Damon Albarn bei Burton an. Er fragte ihn, ob er nicht die neue Platte der Gorillaz produzieren wolle.
„Wenn Gott mir doch nur ein klares Zeichen geben würde! Es würde schon reichen, wenn er in meinem Namen ein dickes Konto auf einer Schweizer Bank anlegen könnte!“ (Woody Allen)
Und dann, 2006, passierte plötzlich „Crazy“, der erste Download-only-Nummer-1-Hit der Musikgeschichte. Gnarls Barkley. ST. ELSEWHERE. Ein Sechser im Lotto. Burtons bisher größter kommerzieller und, wie er betont, auch künstlerischer Erfolg. Denn hier konnte er erstmals der Regisseur sein. Dabei ist „Crazy“ im Kern nur die Kopie einer Kopie von Ennio Morricone, basiert es doch auf einem Stück des Komponisten Gianfranco Reverberi, das der 1968 für einen Spaghetti-Western komponiert hatte.
Der enorme Erfolg mit Gnarls Barkley machte Burton als Produzent noch gefragter. So produzierte er in den folgenden Jahren neben den Gorillaz (und Albarns weiterem Projekt The Good, The Bad & The Queen) so unterschiedliche Künstler wie The Rapture, Sparklehorse, The Black Keys, Martina Topley-Bird und Beck. Er veröffentliche ein zweites Album mit Gnarls Barkley und versichert, es werde noch mindestens ein weiteres geben. Und er arbeitet mit Mark Linkous mehr als anderthalb Jahre an einem Opus Magnum, DARK NIGHT OF THE SOUL, einer Platte, die eigentlich ein Film sein will und aus Songs besteht, die anderen Künstlern auf den Leib und die Seele geschrieben wurden. Weil es eigentlich ein Film sein sollte, kam der Regisseur David Lynch („Twin Peaks“) ins Spiel. Der mochte dann aber nicht filmen, sondern lieber fotografieren. Und singen.
Doch als die Platte endlich fertig war, durfte sie nicht erscheinen. Das hatte seine, wie so oft, rechtlichen Gründe. Aber selbst wenn es einem Brian Burton erklärt, bleiben Unklarheiten: „Der Grund hat damit zu tun, dass das Album aus zwei Elementen besteht“, sagt er – aus der Platte und einem Buch. „Es war wichtig, dass die Platte zusammen mit dem Buch erscheint. Wir haben also in Los Angeles eine Galerie gebucht, um auf einer Vernissage die Bilder von David Lynch auszustellen. Es sollte eine große Eröffnung werden, die Musik sollte spielen. Dann – also, das ist jetzt so juristisches Vertragszeug – fühlte ich mich jedoch gedrängt, die Bilder nicht zeitgleich, sondern ziemlich lange vor der Musik zu veröffentlichen. Es war wegen irgendwelcher Klauseln einfach schwieriger, als ich gedacht hatte, diesen Eröffnungstermin einzuhalten.“
„Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich will einfach nur nicht da sein, wenn er eintritt.“ (Woody Allen)
Jetzt, da das Album endlich erscheint, ist Brian Burton schon weiter, arbeitet bereits am zweiten Broken-Bells-Album mit James Mercer, der dafür die Shins auf Eis gelegt hat. DARK NIGHT OF THE SOUL bleibt bis dahin das Beste, was er bis heute gemacht hat. Daran ändern auch die tragischen Umstände nichts: „Ich war sehr lange mit dieser Musik beschäftigt und habe mit dieser Musik für eine ganze Weile regelrecht gelebt. Es klingt hart, aber ich habe meinen eigenen Bezug zu diesen Songs gewonnen, lange bevor diese schrecklichen Sachen passierten. Es fällt mir also nicht schwer, mir diese Musik anzuhören. Und wenn du mit Menschen wie Vic oder Mark zu tun hast, mit Leuten also, die tief in ihrer eigenen Welt und dort noch am Abgrund leben, dann bereitest du dich innerlich darauf vor, dass eine Katastrophe passieren kann. Wenn du mit bestimmten Menschen zu tun hast, dann treffen diese Menschen manchmal ihre eigenen Entscheidungen. Und es gibt nur sehr wenig, was du dagegen tun kannst.“
Es ist eine der bittereren Ironien der Popgeschichte, dass die „dunkle Nacht der Seele“ mehr ist als nur eine Metapher für Depression. In der christlichen Theologie steht sie für den Abfall vom Glauben, eine seelische Vorhölle, in dem Schmerz und Sinnlosigkeit des Daseins überhand nehmen – eine existentielle Krise als Chance, als letzte Hürde vor der Seligkeit und Erleuchtung.
Mark Linkous und Vic Chesnutt dürften sich, wo immer die beiden großen Zyniker jetzt auch sind, vor Lachen die Bäuche halten. Brian Burton sieht die Sache etwas ehrfürchtiger: „Die Dunkelheit und der Abgrund haben mich schon immer interessiert. Offen gestanden glaube ich nicht, jemals einen fröhlichen Song geschrieben zu haben. Vielleicht führt da ja mein Künstlername eine wenig in die Irre, vielleicht auch die albernen Sachen, die ich gemacht habe, die blöden Kostüme bei Gnarls Barkley … mich interessiert an Musik ausschließlich die dunkle Seite“, sagt er, seufzt und denkt eine Weile nach. Dann fragt er, aufrichtig interessiert: „Ist es denn nicht so, dass ausnahmslos jeder gute Song, der jemals geschrieben wurde, ein trauriger Song ist?“
Albumkritik S. 87
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