Darum holten Pearl Jam den Rollstuhlfahrer Roland Mandel in Berlin auf die Waldbühne


Weil Barrierefreiheit und Inklusion in der Waldbühne offenbar noch lange nicht so groß geschrieben wird, wie es eigentlich Pflicht und Notwendigkeit wäre, setzten sich Pearl Jam, die „taz“ und viele weitere Menschen dafür ein, dass dem sterbenskranken Roland Mandel sein letzter Wunsch doch noch erfüllt werden konnte.

Am Dienstag gastierten Pearl Jam in schöner Tradition erneut bei bestem Sommerwetter in der Berliner Waldbühne. Das Konzert im Rahmen ihrer GIGATON-Welttournee sollte eigentlich 2020 stattfinden, wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben. Zwei Stunden spielten sie, 22.000 Fans sahen zu, hier unser Nachbericht sowie Fotos und Videos. Ein Fan hätte es fast nicht zu dem Konzert geschafft: Roland Mandel.

Wie die „taz“ berichtet, hatte Mandel, ein Lehrer aus Lüneburg, sein Ticket wie ein Großteil der anderen Zuschauer*innen zum ursprünglichen Vorverkaufsbeginn Ende 2019 gekauft. Damals war er noch gesund. Heute, zweieinhalb Jahre später, ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Es heißt, er sehr unheilbar an ALS erkrankt und habe nur noch wenige Monate zu leben. Um das Konzert nun trotzdem zu erleben, habe er ein Rollstuhl-Ticket gebraucht. In ein solches umschreiben durfte er es im Vorfeld aber nicht – das für die Waldbühne vorgesehene Kontingent an Rollstuhl-Tickets sei bereits erschöpft gewesen. Laut Veranstalter waren dafür lediglich zwölf Plätze vorgesehen, was im Vergleich zum Fassungsvermögen der Waldbühne sehr wenig erscheint. Zumal Veranstaltungsorte in Berlin wohl mindestens ein Prozent ihrer Kapazitäten für Rollstuhlfahrer*innen bereithalten müssen, was im konkreten Fall 220 wären. Es heißt, aufgrund von Denkmalschutz könne die Waldbühne nicht derart barrierefrei umgebaut werden, wie es eigentlich nötig sei.

Mandels Familie ließ nicht locker, schließlich handele es sich bei diesem Konzertbesuch um eine Art letzten Wunsch Mandels. Nach vielen Verhandlungen, so die taz, die stellvertretend für alle anderen Rollstuhlfahrer*innen Mandel öffentlich unterstützte, hat es offensichtlich schließlich doch geklappt: Roland Mandel bekam ein Rollstuhl-Ticket – und einen zweifachen Ehrenplatz: Das Konzert von Pearl Jam durften er und seine Familie vom Bühnenrand aus miterleben. Zum Ende des regulären Sets, bevor Pearl Jam „Porch“ von ihrem Debüt TEN spielten, holte Sänger Eddie Vedder zu einer längeren Ansage aus: Damals, zu Beginn der Pandemie, hätten er und seine Band gedacht, die Shows würden lediglich um ein paar Wochen oder Monate verschoben werden. Nun wurden es zwei Jahre, und es habe nicht wenige Menschen gegeben, die sehr hart dafür gekämpft hätten, dieses Konzert nun weiterhin wahrnehmen zu können. Einer davon sei Roland. Unter tosendem Applaus wurde er sodann auf die Bühne geschoben und durfte ein paar Minuten den gleichen Ausblick auf Waldbühne und Publikum genießen, wie es die Rockstars neben ihm taten. Dank der Live-Übertragung dieser Szene auf die beiden Videoleinwände links und rechts von der Bühne wurden 22.000 Fans Zeuge davon, wie gerührt Mandel davon war. Er lächelte, konnte anscheinend sein Glück kaum fassen, wurde von Vedder begrüßt, vorgestellt, umarmt, mit dem Satz „We love you, Roland!“ verabschiedet – und nach den ersten Takten von „Porch“ wieder zu seinem Platz am Bühnenrand geschoben.

Die „taz“ zitiert Mandels Frau Sandra Dragendorf am Tag danach: „Es war so unfassbar“, sagte sie. So viele Menschen hätten mitgewirkt, den Konzertabend zu etwas ganz Besonderem zu machen. Roland Mandel selbst, sagte sie, war „so aufgeregt, so positiv, so voller Adrenalin. Das bleibt für die Ewigkeit.“

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