David Bowie über seine letzte Tournee
"Tiefere Bedeutung? Es gibt keine!" Dennoch freuen wir uns, dass er endlich wieder mit der Welt spricht. Das erste Mal seit Jahren übrigens
Herr Bowie, erst das Album, dann die Tournee, jetzt die Live-CD: Geben Sie zu, dass sie REALITY nur veröffentlicht haben, um mal wieder auf Tour gehen zu können?
Während der Aufnahmen fiel mir tatsächlich auf, dass die Songs eine gewisse Stimmung verbreiten, die gut zu Live-Auftritten passt, auch wenn die Texte nicht immer auf derselben Höhe waren. Als wir dann mit den Proben für die Tour begannen, war klar: REALITY als Gesamtwerk passt da genau rein. Wie kam es zu dem Namen?
Im Jahr 2003, als das Album veröffentlicht wurde, schien „Reality“ das Wort zu sein, das das aktuelle Jahrzehnt am besten umschreibt. Auch wenn Realität nie das ist, wofür man es hält.
Fürchten Sie manchmal, dass ihre Hörerschaft subtilere Anspielungen in Ihren Werken übersehen, diese nicht dekodieren können?
Welche tiefere Bedeutung? Es gibt keine, soweit ich das verstehe. Es kann jedoch sein, das ich etwas überhört habe.
In der Vergangenheit langweilten Sie sich sehr schnell auf Tour. Wie erklären Sie, dass REALITY die bisher längste überhaupt war?
Es hat sehr geholten, die Set-Liste auf über 50 Songs aufzustocken. Außerdem habe ich versucht, während der gesamten Tour mehr oder weniger regelmäßig Sport zu treiben, um körperlich fit zu sein, um durchzuhalten. Und die Unterstützung von Band und Publikum war gewaltig. So hat sich jeder Abend wie der Tour-Auftakt angefühlt.
Auf der Bühne in Dublin kündigten Sie an: „Wenn wir irgendwo eine DVD aufnehmen, dann hier.“ Wieso ausgerechnet in Dublin?
Ich liebe Dublin. Es ist kleiner, überschaubarer Ort, die perfekte Stadt zum Spazieren gehen. Als Teenager habe ich mich dort oft betrunken, kürzlich habe ich in Dublin Tracy Emin interviewt, irgendwie schließt sich damit ein Kreis. Selbst-Offenbarung und Erleuchtung sind die Währung dieser Stadt.
Ihr Bandleader brachte ihnen einige Sätze in gälisch bei, zum Beispiel „Unser Tag wird kommen.“ Wussten Sie, was Sie zum Publikum sagen? Interessieren Sie sich für die Politik Irlands?
Ich habe einfach das gesagt, was mir Garry einflüsterte.
Sie stehen seit Jahrzehnten auf den Bühnen dieser Welt. Bekommt man da noch eine Gänsehaut wenn die Fans bei Liedern wie „Life on Mars“, „The Loneliest Guy“ oder „Heroes“ ausrasten?
Aber ja, es ist großartig zu spüren, wie viel meine Lieder den Menschen bedeuten.
Ihr Repertoire ist beeindruckend groß: Ist es Ihnen schwer gefallen, gerade diese 50 Songs auszuwählen?
Ich habe alle zwei oder drei Tage meine alten Platten durchgestöbert und Songs herausgepickt, auf die ich Lust hatte – oder Lieder, die ich schon seit Jahren nicht live gespielt habe.
Die Bühnenaufbauten der „A Reality Tour“ waren ähnlich opulent wie bei der „Diamond Dog Show“ vor 30 Jahren. Habe sie es genossen, die Möglichkeiten dieses Sets auszunutzen?
Mein Lieblingselement waren die Bäume auf der Bühne. Jedes Mal, wenn ich in ihre Nähe kam, hatte ich das Gefühl, ich würde mich verirren. Das war verrückt. Und manchmal etwas beunruhigend.
Ihre Bühnen-Garderobe hängt in Museen: Welches war dieses Mal Ihr Lieblingsstück?
Der Bademante nach der Show.
Auf dem Cover der DVD sieht man Sie mit einer weißen Supro Dual Tone mit einem Bigsby Vibrato. Verraten Sie uns die Geschichte dieser Gitarre? Wurde sie tatsächlich bei den Aufnahmen benutzt?
Sie wurde wirklich auf dem Album gespielt! Es ist dasselbe billige Model, das von Link Wray auf deren Song „Rumble“ benutzt wurde, einem der großartigsten Rock Instrumentals aller Zeiten. Einen Bigbsy dranzubauen ist ein Sakrileg but that’s how I roll, dude!
Einige der neuen Stücke wie „The Model“, „Slip Away“ und „The Loneliest Guy“ passen sehr gut in den Kanon der Bowie Klassikern. Spüren Sie dieses Potenzial, wenn Sie die Songs schreiben und aufnehmen?
Ich bemerke davon erst einmal gar nichts. Erst Wochen nach der Aufnahme erkenne ich die Stärken eines Songs. In den seltensten Fällen hängt die Einschätzung von der Reaktion des Publikums ab: Selbst wenn ich gar keine Reaktionen bekommen, macht das einen Song für mich nicht schlechter.
Ihre Musik scheint Altersgrenzen mühelos zu überwinden: Überrascht es Sie manchmal, wie sehr junge Menschen Ihre Musik schätzen, die zu jung sind, um Sie jemals live gesehen zu haben?
Ich bin schon froh darüber, wenn überhaupt jemand zu den Konzerten kommt. Man muss auch nicht alle meine Songs mögen. Es reicht mir, wenn sie kommen. Das Live-Album ist fertig. Gibt es etwas, das Sie daran stört?
Es hätte länger sein können. Die meisten Nächte waren länger. Und ja, auch die Tour hätte länger dauern können.