Der gute Ton


Sultans of CD! Die Dire Straits, seit Jahren konsequente Sound-Fetischisten, schlössen mit Philips einen Millionen-Deal ab, um auf ihrer Welt-Tournee die Compact-Disc zu promoten. Mit Mark Knopfler sprach Franz Schöler Gehört der digitalen Aufzeichnungstechnik auch bei Rock- und Popaufnahmen die Zukunft? Überzeugt sind davon nicht nur Frank Zappa und Stevie Wonder oder Neil Young, auch Mark Knopfler hat sich im letzten November eine Sony 3324 gekauft und ist mittlerweile ganz auf dem „Digital-Trip“. Kein Wunder, denn der Ober-„Sultan of Swing“ war nicht nur ein CD-Fan der ersten Stunde, er hat mit seiner Gruppe von allen Popbands weltweit längst mit Abstand die meisten Compact-Discs verkauft! Bis vor kurzem war Love Over Gold der Top-Seiler unter den Pop-CDs, jetzt nimmt nur wenige Monate nach der Veröffentlichung – Brothers In Arms den Spitzenplatz ein. Im Gegensatz zu Bruce Springsteen oder Prince, Michael Jackson oder Madonna haben Dire Straits einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Der Plattenkonzern, bei dem sie unter Vertrag sind, verfügt über eine CD-Fabrik, die mehr als doppelt soviele Digitalplatten herstellt wie momentan noch alle anderen Werke in Japan, USA und Frankreich zusammengenommen/ Vor einem Jahr noch hatte Mark Knopfler, wie er mir sagte, sogar Angst, daß die CD – ähnlich wie vorher 8-Track-Cassetten oder das Elcaset-System, von denen heute niemand mehr spricht – trotz überlegener Wiedergabetechnik wieder vom Markt verschwinden könnte. Darum sagte er sofort zu, als der Philips-Konzern als System-Erfinder an ihn herantrat mit der Idee, die bis Ende März 1986 laufende Dire Straits-Tournee mit Millionen von Dollar für ihre CD-Werbung zu sponsern.

Geld stinkt nicht, meinten schon die alten Römer im gleichlautenden geflügelten Wort. In diesem Fall aber – es geht schließlich nicht um Bier, irgendwelche Softdrinks oder Duftwässerchen, die da beworben werden – kam hinzu, daß Knopfler die Chance nutzen wollte, im Verbund mit seiner Plattenfirma den jüngsten Tonträger noch einmal kräftig zu propagieren. Denn er ist völlig überzeugt davon, daß sie den schwarzen Scheiben – geschweige denn den Cassetten, denen er lausige Tonqualität attestiert – einfach in jeder Beziehung überlegen sind.

Für nicht ganz so problemlos hält er derzeit noch die digitale Aufnahmetechnik. Im Exklusiv-Interview für ME/Sounds sagt Knopfler darum gleich zu Beginn: „Wersich da ranwagt, der sollte besser vorher wissen, was auf ihn zukommt. Wenn man nämlich im Timing, beim Spielen, im Tuning oder bei anderen Sachen auch nur winzige Fehler macht, kommen die bei der Digitalaufnahme erbarmungslos zum Vorschein. Bei Analog-Aufzeichnung können manche Fehler bis zu einem gewissen Grad noch gnädig kaschiert werden. Bei der Digitalaufnahme muß man noch viel selbstkritischer arbeiten, was die klangtechnischen Punkte betrifft. Wo man sich vorher an alle möglichen Grenzen von analogem Equipment gewöhnthatte, muß man jetzt auf noch mehr Details achten. Denn jetzt hört man absolut klar auf dem Band, was man unter Umständen an Fehlern gemacht hat.“

Als ich Knopfler erzähle, daß Ry Cooder eine Menge Ärger hatte bei den Aufnahmen zu Bop Till You Drop – die 3M-Apparatur entwikkelte soviel Wärme, daß sie manchmal schon nach kurzer Zeit zusammenbrach und dauernd wieder repariert werden mußte -, kommt er auf ähnliche Erfahrungen mit den Aufnahmen zu Brothers In Arms zu sprechen. Allerdings betrafen die mehr das Equipment, mit dem er arbeitete: „Wir hatten jede Menge Ärger mit Verstärker-Rauschen und plötzlich auftretenden Brumm-Problemen. Die Hersteller von Verstärkern und Gitarren werden ganz schön umdenken und sich anstrengen müssen, wenn sie bei der Rauschfreiheit dieser Apparaturen auf das Niveau der Digitalaufzeichnung kommen wollen.

Aber am schlimmsten waren die Erfahrungen mit den Rauschproblemen bei der DX-1 von Yamaha ein Keyboard, das nun wirklich verdammt viel Geld kostet und von vielen Musikern als hervorragend

bezeichnet wird. Nur stellten wir bei den Aufnahmen zu unserem Ärger fest, daß die DX-1 unerträglich hohen ,Digital-Lärm‘ produziert. Den hört man auf dem Digitalband ganz eindeutig. Bei diesem Preis ist das doch ein Unding. Yamaha sollte sich schleunigst überlegen, wie man das Problem aus der Welt schafft. Die Aufnahmetechnologie wird rasant weiterentwickelt, und dann hat man mit solchen Keyboards zu tun, die viel zu viel rauschen! Lächerlich. Ich frage mich, ob die Yamaha-Leute überhaupt wissen, wie stark die DX-1 rauscht, wenn man sie auf Digitalband aufnimmt! Ich rede hier ja nicht von billigen Effektapparaturen wie Wah-Wah-Pedal und ähnlich brummenden oder rauschenden Dingern, sondern von teuren Verstärkern oder Keyboards, die noch viel zuviel Störgeräusche entwickeln.“

Meinen Einwand, daß bei diesem Standard von Instrumenten und Verstärker-Equipment die höheren Kosten für digitale Aufzeichnung verschwendetes Geld sind, will Mark Knopfler trotzdem nicht gelten lassen: „Nein, das stimmt auch wieder nicht. Die Probleme werden alle nur eindeutiger bei der Digitalaufnahme. Was für mich heißt, daß man für Studioaufnahmen halt Verstärker, Mikros usw. finden muß, die nicht mehr Rauschen oder Brummstörungen entwickeln. Denn darauf achtet man nun mal viel schärfer als vorher. Wenn man erst mal besseres Equipment gefunden hat, ist das Endergebnis, das man auf Band hat, auch befriedigender.“

Ohne daß ich ihn darauf gezielt ansprechen muß, kommt Knopfler plötzlich auf den Ärger zu sprechen, den er während der Aufnahmen mit den Magnetbändern selbst hatte. Denn „die 24-Spur-Maschine, die wir von Sony gekauft haben, erwies sich im großen und ganzen als zuverlässig, eigentlich sogar als fantastisch.

Aber ich habe den starken Verdacht, daß uns Sony schlechte PCM-Bänder verkauft hat. Man sagte uns, daß es sich um Spezial-Tapes handelte, die ganz genau auf mögliche Dropout-Probleme hin untersucht worden seien. Als wir dann die Bänder einiger Aufnahmen zu Brothers In Arms abspielten, merkten wir, daß sie stellenweise defekt waren. Da wollte nicht mehr runterkommen, was wir meinten, korrekt und technisch einwandfrei aufgezeichnet zu haben. Auf diese Weise verloren wir viele Tage Arbeit und Tausende von Pfund.“

Eigentlich, so halte ich Mark Knopfler vor, hätte Coproduzent und Ton-Ingenieur Neil Dorfsman doch mit den Dropout-Problemen bei Digitalbändern vertraut sein müssen; denn wie jeder Techniker mittlerweile aus Erfahrung weiß, stellen genau die immer noch die heikelsten Probleme dar: Fehlen plötzlich ge wissen Daten auf dem Band, ist die ganze Aufnahme praktisch ruiniert, und man muß neu aufzeichnen. Was viel Geld kostet.

Inzwischen macht sich die teure Digitalmaschine trotzdem bezahlt für Dire Straits, wie der Manager der Band bemerkt: Gemietet haben sie inzwischen unter anderem David Bowie, Frank Zappa, Stevie Wonder und Trevor Hörn für neue Aufnahmen, die noch nicht veröffentlicht sind. “ Trotzdem sollte man sich eine Garantie oder Rückversicherung geben lassen für den Fall, daß die Bänder stellenweise defekt sind“, sagt Knopfler. „Denn stell dir mal vor, unwiederbringliche Liveaufnahmen wären plötzlich technisch defekt! Wer kann das bezahlen?! Bei normalen Analogaufnahmen war das nach unseren Erfahrungen nie ein Problem! Dieser Unsicherheitsfaktor muß ausgeräumt werden. Für Brothers In Arms hatten wir drei oder vier Songs aufgenommen, die verloren sind!“

Nachdem sich Knopfler erst mal den ganzen Ärger über die Aufnahme-Probleme der letzten Straits-LP von der Seele geredet hatte, will er dann doch die Digitaltechnik nicht diskreditiert wissen. „Der Vorteil von PCM-Technik und Compact-Disc“, sagt er, „ist eindeutig der größere Dynamikbereich, der auch auf CD rüberkommt“

Aber auch hier macht der Sound -Perfektionist Einschränkungen: „Irgendwo klingt – jedenfalls für mich – E-Baß besser in analoger Aufzeichnung, weil irgendwo voller und wärmer, mächtiger, druckvoller. Vielleicht gilt das nicht für alle Bassisten, aber für einige nach meinen Erfahrungen eben doch. Manche Toningenieure behaupten, das gelte auch für Schlagzeugaufnahmen, aber da bin ich nicht so sicher. Digital aufgenommenes Schlagzeug klingt so .wirklich‘, so dreidimensional, daß man das Drum-Kit förmlich vor sich zu sehen meint. Alle anderen Instrumente klingen nach meinen Erfahrungen einfach besser in Digitalaufnahme – alle! Auch akustische-Streicher, die vor allem. „

Daß die CompactDisc das Ding der Zukunft ist, steht für den Dire Straits-Boß außerhalb jeder Diskussion. Der Preis, sagt er im Brustton der Überzeugung, wird sehr schnell fallen. Nicht wahr, sage ich, denn gerade in England kosten ganz normale CDs immer noch die Kleinigkeit von 10 bis 12 Pfund (also bis knapp 50 Mark), und für Import-CDs aus Japan darf man bis zu 15 und 20 Pfund hinblättern, während dieselbe Bruce Springsteen-Aufnahme auf schwarzer Scheibe allenfalls knappe 20 Mark kostet. Aber das, hofft Knopfler, wird sich ändern, sobald nur ausreichende Fertigungskapazitäten für CD weltweit zur Verfügung stehen: „Früher hat man Propellerflugzeuge gebaut, heute kommt man mit dem Düsenjet in den Urlaub. Diesen Fortschritt hat niemand vernünftigerweise aufhalten wollen!“

Schließlich kommt Knopfler auf seine eigene Arbeit als Musiker zu sprechen: „Ich bin jemand, dereine Aufnahme so gut wie möglich machen will -das ist mein Problem und nicht deines. Dann möchte ich, daß man sie auch in Mutterband-Qualität kaufen kann. Und genau das macht CD möglich – die schwarzen Vinylplatten nicht und schon gar nicht Cassetten, bei denen irgendwelche Techniker in einer Fabrik den Klang bis zur Unkenntlichkeit komprimieren. Wir haben schon mal 100000 MCs einstampfen lassen, weil die Klangqualität einfach schrecklich war. Ein Betrug am Käufer!

Mit CD hat das endlich ein Ende. Außerdem muß die Aufnahme auf CD nicht mal digital sein. Inzwischen besitze ich 120 CDs, von denen nur zwei digital aufgenommen wurden, nämlich Bob Till You Drop und Brothers In Arms. Und bei der sind nicht mal alle Aufnahmen digital! Viele analoge Rock-Aufnahmen klingen für meine Ohren ganz fantastisch auf CD. Ich bin kein Techniker, aber ich weiß genau, was ich höre, wenn ich Vergleiche über meine Anlage mache.

Irgendwann wird man auch Blind Willie McTell auf CD kaufen können. Obwohl ich meine, daß manche der älteren Aufnahmen auf schwarzer Scheibe besser aufgehoben sind. Beispielsweise Dylans Highway 61 evisited, die ich auch auf CD habe. Da hört man halt alle Fehler deutlich heraus, während die alte Analogscheibe .gnädiger‘ ist und längst nicht soviele Mängel enthüllt.

Es gibt auch den umgekehrten Fall: Neulich habe ich die London Howlin Wolfsessions auf CD gekauft, und die klingen trotz ihres Alters einfach fantastisch. Viel besser als auf Platte!

Und was ich sonst nie tue: ich habe mir die frühen Dire Straits-Sachen zum erstenmal wieder angehört, als sie auf CD erschienen. Da habe ich dann doch ein paar hübsche Überraschungen erlebt. Die klingen plötzlich hundertprozentig wie auf dem Originalband. Mit der LP-Überspielung von ‚Once Upon A Time In The West‘ auf dem Ccommunique-Album war ich beispielsweise nie zufrieden. Als ich die CD auflegte, erinnerte ich mich wieder an all das, was wir im Studio unternommen hatten, um diese räumliche Tiefe zu erzielen. Bei der CD war wieder alles da.“

Selbst die „audiophilen“ LP-Pressungen für 50 bis 80 Mark davon ist Mark Knopfler felsenfest überzeugt – sind der CD technisch unterlegen, und zumindest ein Argument, das er am Ende des Interviews anführt, läßt sich nun mal nicht widerlegen, nämlich: „Ich möchte mit dir wetten, daß es mittlerweile mehr Besitzer von CompactDisc-Spielern gibt als solche, die zu Hause Super-Nobel-HiFi-Anlagen für 8000 oder 30000 Pfund stehen haben: Anlagen, in denen manchmal allein der komplette Plattenspieler die Kleinigkeit von 5000 Pfund kostet! CD Player kosten nur einen Bruchteil dieser Summe, aber sie spielen die Aufnahmen in Mutterband-Qualität! Irgendwo ist das sogar ein demokratischer Fortschritt für die Verbreitung von Musik, oder nicht?!“

Vielleicht sollte jemand bei Philips dem CD-Fan Mark Knopfler doch mal einen Player der neuesten Generation schenken. Er spielt seine Digitalplatten nämlich immer noch über einen CD 100, und der ist technisch mittlerweile wirklich ein wenig überholt!

Die wichtigste europäische Show der Unterhaltungselektronik-Branche nennt sich immer noch eine Funkausstellung. Mittlerweile spielt der Ton-Rundfunk allerdings längst die zweite Geige im Konzert der Aussteller. Viele Veranstaltungen in den Messehallen unterm Berliner Funkturm sind eine mit großem technischem Autwand inszenierte Selbstdarstellung des Fernsehens.

Eine vergleichsweise bescheidene Selbstdarstellung betreiben die Rundfunkanstalten der ARD. Die Rundfunkanstalten produzieren zwar nur noch den weitaus kleineren Teil der von ihnen ausgestrahlten Musik selber. Aber mit drei oder vier verschiedenen Senderketten ist jede dieser Anstalten eigentlich der größte „Verteiler“ von Musik.

Die privaten Anbieter, deren Musiksendungen man per Antenne aus dem Äther fischen kann, sind hierzulande – ganz im Gegensatz zu Italien oder natürlich den USA noch eine verschwindende Minderheit. Aber all das könnte sich gründlich ändern, wenn in den nächsten Jahren sämtliche juristischen und technischen Voraussetzungen für den Satellitenfunk geklärt sind.

Oder wie es die Gesellschaft für Unterhaltungselektronik anläßlich der diesjährigen Funkausstellung formulierte: „Um die Festlegung europaweit einheitlicher Normen geht es auch bei der Entwicklung von Tunern für den Hörfunkempfang von Satellitenprogrammen. Auch auf diesem Gebiet steht die Technik und damit die Industrie Gewehr bei Fuß. Erst wenn sich die Politiker europaweit geeinigt haben, können die bisher produzierten Prototypen – technisch eventuell modifiziert in Serienfertigung gehen.“

Solche Prototypen für den Empfang von (digitale) Satelliten-Tonprogramm hatten schon vor Jahren Konzerne wie Hitachi oder Telefunken den Fachjournalisten gezeigt. Die Rede war damals von 15 verschiedenen Stereo- und zwei Mono-Programmen, die via Satellit in bestmöglicher Qualität zu empfangen sein würden, und das von Südschweden bis zur Nordspitze Sardiniens bzw. im selben „Beam“ bis nach Rom und zwischen Paris und Warschau.

Für das, was da aus 36000 Kilometern Entfernung aus dem Äther kommen soll, wird man entweder eine Parabolspiegel-Antenne auf dem Dach montieren oder aber am Kabel einer entsprechend ausgerüsteten Gemeinschaftsanlage hängen müssen. Die neuen Tuner werden mit dem bekannten UKW-Empfänger soviel gemeinsam haben wie der herkömmliche Plattenspieler mit einem CD Player.

Aus Kostengründen, aber auch weil man einen neuen „Antennenwald“ von Parabolschüsseln vermeiden will, wird von manchen potentiellen Programm-Anbietern die „Kabel-Lösung“ bevorzugt. Allerdings wird man schon aus verfassungsrechtlichen Gründen niemand die Installation einer solchen „Schüssel“ auf dem eigenen Dach verbieten können, sobald erst mal der oder die Satellit(en) im Äther stehen. Einig sind sich die Politiker und ARD-Verantwortlichen hoffentlich in einem Punkt: Auch nach Einführung des Satellitenfunks muß die Versorgung durch terrestrische Sender weiterhin gewährleistet bleiben. Man wird schließlich niemand zwingen können, neue Antennen und Empfangsgeräte anzuschaffen, um weiter mit Tonrundfunk versorgt zu sein.

Und sooo schlecht ist die technische Qualität des UKW-Funks nicht mal, wenn man sie nicht gerade mit der von digitaler Technik vergleicht. Seit den Tagen von Detektor und Dampfradio hat der Rundfunk immerhin einen Standard erreicht, der täglich hunderttausende von Hörern dazu animiert, die ARD-Sender als vergleichsweise preiswertesten Musiklieferanten anzuzapfen und die Sendungen auf zig-Millionen Leercassetten mitzuschneiden.

Kein Wunder, daß die Plattenindustrie nicht unbedingt glücklich ist über die Höhe der jüngst verordneten Leercassetten-Angabe, denn sie befindet sich in einer Zwickmühle, aus der sie keinen Ausweg weiß: Ohne „airplay“ lassen sich ihre Produktionen von sogenannter U-Musik wohl kaum zu Pop-Hits machen. Damit aber kann jeder, der über ein Bandaufzeichnungsgerät verfügt, auf Cassette seine eigene Hitparade mitschneiden, ohne daß er die Platten kaufen müßte.

Mit den Platten, die ihnen die Musikindustrie liefert, bestreiten die Rundfunkanstalten viele ihrer beliebtesten Programme. Verwunderlich ist da eigentlich, daß dieselbe Plattenindustrie bislang noch nie den Versuch unternommen hat, ihre Kundschaft darüber aufzuklären, daß die Qualität dessen, was am Ende beim Rundfunkhörer ankommt, strenggenommen nicht dieselbe wie bei den LPs oder CDs sein kann.

Auf der ganzen Informationsstrecke vom Funkhaus bis zum Lautsprecher daheim gibt es etliche Situationen, die sich letztlich qualitätsmindernd auswirken.

Zweiter Punkt: Die dort benutzten Bandmaschinen und Plattenspieler sind nicht notwendigerweise von höherem technischem Niveau als gute HiFi-Anlagen, im Gegenteil: Auf hochgezüchtete Tonabnehmer-Qualität etwa wird beim Funk gern zugunsten mechanisch robuster Abtaster für den strapaziösen Dauerbetrieb verzichtet.

Zufrieden – so sie nicht gerade an einer indiskutablen UKW-Gemeinschaftsantenne hängen – scheinen trotzdem viele Rundfunkteilnehmer zu sein; zumal weil sich kaum jemand mal den Spaß erlaubt, parallel zu einer gerade ausgestrahlten Aufnahme die LP oder CD davon auf der eigenen Anlage abzuspielen. Dieser Vergleich fällt in aller Regel doch ziemlich ernüchternd aus. Technisch bedingt, hat das, was man aus dem Äther an UKW-Qualität fischt, in der Praxis kaum je die Signalqualität dessen, was heute auf LP oder CD geboten wird.

Auf dies Niveau wird man erst mit Einführung des Satellitenfunks kommen. Dann beginnen womöglich erst recht goldene Zeiten für die Millionen von Mit-Schneidern, auch wenn dem Vernehmen nach geplant ist, den Frequenzbereich des digitalen Stereo-Satelliten-Funks auf 15 kHz zu begrenzen. Wer bislang fleißig vom Rundfunk auf Leercassette mitschnitt, wird seine helle Freude haben an dem, was er dann an Signalqualität ins Haus geliefert bekommt. Ob das aber die Plattenindustrie entzücken wird, steht auf einem anderen Blatt.

PREISKRIEG BEI CD-SPIELERN A ul der Berliner Funkausstellung AAwerden sie nun ganz offiziell erstmals auch von den Elektronik-Riesen vorgestellt: CD Player zu Listenverkaufspreisen zwischen 700 und 800 Mark. Um auch die breite Masse zum Kauf zu animieren, kalkulierte man die neuen „Spar-Modelle“ offenbar zum Selbstkostenpreis. Ob damit die Digitalplatte zum „big business“ zu machen ist?

Schon auf der „Audio Fair“ 1984 in Tokio hatte Sony den bis dahin preiswertesten Player zum (japanischen!) Listenpreis von weniger als 600 Mark vorgestellt. Den Preiskrieg hatte zuvor Yamaha angezettelt, als man das Modell CD-X1 das man im übrigen für sage und schreibe 13 andere Firmen als Basismodell am Fließband fertigte – in den USA für weniger als 400 Dollar anbot.

Den leicht (selbst)mörderischen Kampf um Marktanteile lieferten sich die Firmen schon damals nicht zuletzt deswegen, weil es darum ging, Lagerbestände an Modellen der sogenannten „ersten Generation“ so rasch wie möglich zu räumen. Der Philips-Konzern machte da, Berichten des Branchenblatts „Billboard“ zufolge, keine Ausnahme. In Versandhäusern, aber auch im sogenannten Fachhandel erhielt man Auslaufmodelle teilweise für weniger als 500 Mark. Bleibt die Frage: Lohnt es sich angesichts solcher Preis-Stürze, auf die verlokkenden Angebote einzugehen?

Die Antwort ist etwas heikel.

Denn in den leichtgewichtigen Spar-Versionen findet man – wie bei Billig-Kameras – mehr Plastik denn je. Die Verarbeitung läßt bei der Mechanik bisweilen sehr zu wünschen übrig. Und manches Gerät weist gewisse Kinderkrankheiten auf, die nicht unbedingt für ungetrübten Musikgenuß bürgen.

Indiskutabel sind CD-Geräte, bei denen die Laufwerkgeräusche so deutlich stören, wie man das bei einem herkömmlichen Plattenspieler nie und nimmer akzeptieren würde. Bisweilen fühlt man auch den windigen Bedienungstasten schon an, daß sie irgendwann ausfallen werden. Die Firmen warben für die neuartigen Plattenspieler zwar mit Slogans wie „Reiner Klang für immer“ oder gar „HiFi für ewig“. Aber davon konnte in der Einführungsphase keine Rede sein.

Jenseits von Preisüberlegungen kann etwas Sorgfalt bei der Auswahl des Players nicht schaden.

Eigentlich wird der Preis nach wie vor über die Bedienungs- „Features“ geregelt und dem Käufer meistens suggeriert, daß es keinerlei hörbare Unterschiede gebe. Aber solches Marketing-Kalkül ist Augenwischerei. Ähnlich wie bei anderen Artikeln des täglichen Gebrauchs gibt es herstellerseitig unterschiedlich gründliches Know-How.

Bezüglich des idealen Konzepts hat für einige Monat jeweils eine andere Firma die Nase vorn. Im Moment ist das möglicherweise der holländische Elektronik-Gigant Philips, der seine CD Player kompromißlos auf den letzten Stand der Technik brachte. Die Top-Modelle von Philips sind nicht mehr „halbe Oversampler“, sondern arbeiten mit (für jeden Kanal getrennten) 16bit-Wandlern, 4fach-Überabtastung und (wiederum getrennten) Digitalfiltern, um optimalen Frequenz- und Phasengang sowie das beste Impulsverhalten zu gewährleisten.

Die Konkurrenz schläft selbstverständlich nicht. ScKon in Kürze wollen auch andere mit entsprechenden Top-Modellen nachziehen. Denn was in dieser Technik zu noch vernünftig kalkulierbaren Kosten machbar ist, das wird man früher oder später auch machen. Unter anderem Ausgänge für direkte „data to data“-Kopie, für den Anschluß an Heimcomputer und das Fernsehgerät.

Schon redet man branchenintem von der (ein einziges Mal) selbstbespielbaren CD, die zunächst im Computerbereich eingeführt werden und möglicherweise die Floppy Disc verdrängen soll. Den rasch expandierenden EDV-Sektor betrachtet man als entschieden kapitalkräftiger und innovationsfreudiger als die Unterhaltungselektronik-Branche.

In einigen Jahren wird womöglich aber auch der HiFi-Fan, der seine eigenen CDs bespielen möchte, davon profitieren. Aber wird er dann auch Daten-Banken anzapfen können, um von ihnen digital gespeicherte Musik gegen Gebühr abzurufen? Eine Frage, die sich die Musikindustrie irgendwann wird stellen müssen.