Der melancholische Psychedeliker
Kevin Parkers Ich-AG Tame Impala geht auf ihrer zweiten Platte neue Wege.
Kevin Parker ist ein großer, dünner Junge, Jahrgang 1986, mit langen Haaren und tiefen Augenringen. Sechs Zeitzonen hat er vergangene Nacht durchflogen. Jetzt liegt er entspannt auf dem schwarzen Ledersofa im Tourbus und genehmigt sich einen Drink, Jetlag hin oder her. Der Tourauftakt der Europatournee in Köln ist ausverkauft. Es könnte schlechter laufen für Tame Impala, die Gruppe, die, was den Kreativprozess angeht, nur er selbst ist. Auch, wenn er den Begriff ablehnt: Er ist das Mastermind hinter der interessantesten Psychedelic-Rock-Band dieser Tage. Spricht man ihn auf dieses Alleine-Sein an, denkt er lange nach und erklärt dann: „Ich hab schon immer alleine musiziert. Wenn ich mit meinen besten Freunden Musik mache, dann geht’s darum, Spaß zu haben. Mit meinen eigenen Liedern möchte ich meine tiefsten, dunkelsten Gefühle ausdrücken.“
Der Albumtitel passt: Lonerism kommt von „Loner“, auf Deutsch Eigenbrötler. Die Songs erzählen entsprechende Geschichten, tragen Titel wie „Why Won’t They Talk To Me?“, „Music To Walk Home By“ oder „She Just Won’t Believe Me“. Doch Parker ist kein trauriger Kerl. „Ich könnte niemals einen ausschließlich traurigen Song schreiben. Aber glücklich sollen sie auch nicht klingen. An der Einsamkeit als Thema fasziniert mich, dass sie in der Literatur als etwas stets Deprimierendes beschrieben wird. Ich mag die Idee, Einsamkeit in einem positiven Licht darzustellen.“
Tame Impala forschen seit ihrer selbstbetitelten EP von 2008 an einer zeitgemäßen Version von Psychedelic Rock und sind mittlerweile auf der dritten Stufe angekommen. Die EP beinhaltete trockene, kompromisslose Rocksongs mit psychedelisch angehauchten Ausflügen, aber auch schweren Gitarrenriffs. Auf dem Debütalbum kamen erste Synthesizer-Flächen zum Vorschein, Parker hatte neue Effect Pedals für die Gitarre gekauft, die Songs wurden poppiger, doch als Gegenpol wirkten ausufernde Instrumentalstücke. Mit Lonerism hat Parker die Palette seiner Musik nun noch mal erweitert. Mittlerweile gilt den Synthesizern seine Leidenschaft („Die klingen wie ‚Star Wars‘!“), weswegen die Gitarre etwas in den Hintergrund rückt.
Ist es der Windschatten von Tame Impala oder liegt es mehr am Zeitgeist, dass plötzlich vermehrt Indie-Bands auftauchen, deren Sound dem der langhaarigen Australier ähnelt (z.B. Diiv, Toy, Django Django)? Parker zuckt mit den Schultern. „Ich hab kein großes Wissen über die aktuelle Musikszene. Wenn Psychedelic Rock wieder im Kommen wäre, hätte ich ein komisches Gefühl dabei. Das würde ja bedeuten, dass wir nur Teil eines bestimmten Trends wären, und dass unsere Musik danach nicht mehr bedeutungsvoll wäre. Das will ich nicht.“
Albumkritik ME 11/2012