Der Punk und der Islam
Michael Muhammed Knight lässt in „Taqwacore“ Welten aufeinanderprallen.
Es war einfach eine Geschichte, so wie, Star Trek'“, sagt Michael Muhammad Knight über seinen Debütroman „Taqwacore“, den er kurz nach 9/11 schrieb, auch unter dem Eindruck von Feindseligkeiten gegenüber US-Muslimen. „Und dann wurde es real.“ Der 34-Jährige fühlte sich von den Regeln des konservativen Islam eingeengt – und dachte sich eine Muslim-Punk-WG aus. Mit dem Iro tragenden, Alkohol trinkenden Jehangir, dem beim Koranlesen kiffenden Fasiq, dem gesetzesgläubigen, aber tätowierten Umar, dem schwulen Freund Muzammil von der Westküste und, last but not least, mit Rabeya, die nie ohne Burka auftritt, aber Iggy-Pop-Songs singt und Feministin ist. Eine Provokation für Dogmatiker.
„Taqwacore“- eine Wortschöpfung aus „taqwa“, arabisch für Frömmigkeit, und der von Hardcore kommenden Endsilbe – entwickelte ein erstaunliches Eigenleben. Das Buch, das Knight zunächst als ringbuchgebundene Fotokopiensammlung selbst verteilte, wurde 2003 von Jello Biafras Label Alternative Tentacles vertreiben. So erreichte es immer mehr junge Muslime, die sich mit den Figuren aus Knights Buch identifizieren konnten und selbst Taqwacore-Bands gründeten. Life imitating art! Ein Dokumentarfilm zeigt, wie Knight mit den Musikern in einem grün angestrichenen Schulbus durch die USA reiste. Die Reaktion auf „Taqwacore“ bestätigte Michael Muhammad Knight in seinem Glauben, an dem er stark zweifelte, als er seinen Roman schrieb. Er wurde katholisch erzogen, konvertierte aber, inspiriert von Malcolm X, den er über HipHop kennenlernte, zum Islam. Heute sieht er in einer „verrückten“ Interpretation der Religion die Chance, diese zum Besseren zu verändern.
Knight hat auch hierzulande einen Nerv getroffen, bei Menschen, die die kulturelle Prägung des Islam nicht aufgeben wollen, sich aber auch andere Wege der persönlichen Verwirklichung offen halten möchten. Natürlich ist eine Binse, dass es DEN Islam nicht gibt, aber das gilt ja auch für anderes, wie einer der Muslim-Punks im Buch mit dieser Aussage beweist: „Es gab eine ganze Bandbreite an Interpretationen und Kriterien, was genau Straight Edge eigentlich bedeutete. Einige Hardliner trieben es mit der giftfreien Ideologie so weit, dass ich ihrer Meinung nach nicht Straight Edge sein konnte, wenn ich Tylenol gegen Kopfschmerzen nahm.“ Felix Bayer