dEUS
Befremdet wendet sich der Mensch im Hemd von Motörhead ab: „Ist das schon die Hauptband oder was?“ Die Bierflasche im Anschlag, schiebt sich der Biker mitsamt seiner unbefriedigten Lust auf Lärm in Richtung Ausgang. Kein Wunder. Der Mann hat das falsche Konzert erwischt. Denn die fünf Belgier da oben auf der Bühne gelten eher als künstlerische Feingeister denn als musikalische Totschläger. Der Avantgarde stehen die Antwerpener jedenfalls näher als dem drögen Gedresche der Metallfraktion. Ungewöhnliche Klänge also, egal in welchem Genre die Ohren zu Hause sind. Trotzdem platzt das ‚Backstage‘ in München heute abend beinah aus den Nähten. Ein Bild, das vor drei Monaten so noch niemand vor Augen hatte, denn bis vor kurzem galten Deus als Geheimtip. Erst als die englische Musikpresse begann, das Hohelied auf den ideenreichen Rock aus dem Reich der Fritten zu singen, änderte sich die Situation für den Act aus Antwerpen. Plötzlich mochten auch die mächtigen Macher von MTV die musikalisch mutigen Mannen vom Kontinent. Der Karriereschub war somit vorprogrammiert. Erstaunlich genug, denn als massenkompatibel hatten sich die Belgier bis dahin nicht eben erwiesen. Eine Tatsache, die — allem Andrang zum Trotz — auch an diesem Abend gilt. Manchem fällt es in München schwer, zum musikalischen Makrokosmos der fünf Flamen Zugang zu finden. Unter denjenigen, die Deus nur über ihre launige MTV-Single „Suds & Soda“ definieren, stiften die Belgier jedenfalls kräftig Verwirrung. Kompromißlos leben die Musiker bei Songs wie ‚Via‘ oder ‚Hotel Lounge‘ ihre Lust am Gegensatz aus. Da zerfetzt ein kakophonisches Lärmgewitter die Harmonie gefälliger Gitarrenakkorde, da mündet ein anfangs harmloser Song in eine experimentelle Freejazz-Session. Gemein auch die völlig unvorhersehbare Breaks, die den gerade liebgewonnenen Beat einer gemütlichen Grunge-Nummer in nicht nachvollziehbarer Weise grausam zerhacken. Zusätzliche Facetten erhält das eckige Klangbild durch die Geige von Klaas Janzoons, der mal in ruhiger John Cale-Manier, mal in hysterisch anmutender Schräglage agiert. Dazu säuselt, keucht oder brüllt Tom Barman bizarre Geschichten, die mittels Mikro im Publikum ankommen, als ob da jemand sein Telefon mißbrauchen würde. Kunst? Oder ein Klang, der vorgibt, Kunst zu sein? Im Publikum gehen die Meinungen auseinander. Weil Deus aber zweifelsfrei eher ungewöhnlich klingen, einigt man sich sicherheitshalber darauf, daß hier etwas Wichtiges im Gange ist.