Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 2
Von Afrob bis Westberlin Maskulin: Teil 2 unserer großen Liste der „40 besten Platten des Deutschrap“ - jetzt online!
Die folgende Liste ist chronologisch sortiert und zuerst im Deutschrap-Special der November-Ausgabe des Musikexpress erschienen. Inklusive Deutschrap-Quartett! Darin verraten wir Euch die 30 weiteren besten Deutschrap-Platten. Nach und nach aber auch online.
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 1
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 2
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 3
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 4
RAG
Untertage (1998)
Ein Mythos von einem Album. Direkt aus der Mitte der Tramperticket-Jam-Kultur der frühen und mittleren 90er, war UNDERTAGE ein wahres Untergrund-Manifest: Die assoziativen Offbeat-Reimketten von Pahel, die erhabene Lyrik von Aphroe, die wortgewaltigen Bilder des 2011 verstorbenen Galla, alles vorgetragen auf staubtrockenen Jazz Funk Greats von Mr. Wiz, Funky Chris (Too Strong) und Fast Forward (STF). Hervorgegangen war die Ruhrpott AG aus den beiden Ruhrpott-Crews Filo Joes und Raid. Creutzfeld & Jakob aus der Nachbarschaft waren noch spartanischer und angriffslustiger – RAG waren die belesenen Cousins mit den Rare-Groove-Platten und den Rakim-Zitaten. Unendlich dope. (Stephan Szillus)
Absolute Beginner
Bambule (1998)
Die Beginner und der Beginn der fetten Jahre: Mit dieser Platte wollten Eißfeldt, Denyo und DJ Mad an wirklich jeden Baum in ihrem Reviers pinkeln: „Ein Fuchs muss tun, was ein Fuchs tun muss.“ Es sollte und es wurde der große Wurf. BAMBULE war 1998 nicht nur das Album, das deutschsprachigen HipHop endgültig von seinem Jugendzentrum-Dasein loslöste (genaugenommen war es das erste Goldalbum der Szene, zu der die Fantas nicht gehören sollten und die Rödelheimer nicht wollten), sondern stilprägend für eine ganze Generation. In ungeahnter Perfektion bündelte sich hier alles, was Ende der 90er als Potential durch HipHop-Deutschland schwirrte: saugute, Electro-lastige, G-funkige Beats und Wortwitz, Radiotauglichkeit und linke Attitüde, Rap-Referenzen und dieser ureigene Hamburger Dicke-Hose-Style. Und um „Liebes Lied“ kam 1998 niemand zwischen 10 und 40 herum – ihr Beat hatte tatsächlich „Boom gemacht“. (Annett Scheffel)
Afrob
Rolle mit Hip Hop (1999)
Fett ist das Wort. Seinem Debüt, auf das der eritreischstämmige Junge aus dem „Schoß der Kolchose“ gewartet hat, bis er ausschließlich 1A-Ware zusammen hatte, hört man die US-Vorbilder nicht nur an, es kommt ihnen verblüffend nahe. Das liegt an mal satt-funky, mal wunderbar verspielten Beats von DJ Thomilla, DJ Friction und Tommy W. Auch Afrobs unaufhaltsamer Flow ist US-geschult. Er erzählt vom Scheißebauen und Kurvekriegen. Von Rassismus und Schikane. Sich wehren. Zusammenstehen. Aber auch von Party und natürlich seinem HipHop-Selbstverständnis – das geht so: Er ist der Größte – wir dürfen aber alle mitmachen! Und, ja klar, der Überhit „Reimemonster“ mit Ferris MC ist auch mit drauf. (Oliver Götz)
Doppelkopf
Von Abseits (1999)
Wenn man ein Album 17 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch nicht endgültig verstanden hat, dann ist es entweder völliger Quatsch oder große Kunst – auf das Doppelkopf-Debüt VON ABSEITS trifft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Letzteres zu. Das Trio trotzte den vorherrschenden Konventionen von HipHop-Hedonisten und erschuf ein sonderbares Konzeptalbum, das bis heute seinesgleichen sucht. Aus obskuren Samples schusterten Bubbles und Teaz psychedelische Klangwelten, die Rapper Falk mit seinen eigentümlichen, zwischen Realität und Fantasie oszillierenden Dystopien von Katzern und Kätzinnen oder Tapiren auf dem Mond bespielte. So mystisch und vor allem auch mutig klang deutscher Rap selten – damals wie heute. (Jan Wehn)
Freundeskreis
Esperanto (1999)
QUADRATUR DES KREISES (1997) hatte das Potenzial offenbart, das Rapper Max Herre und sein musikalischer Freundeskreis in sich trugen, doch erst mit ESPERANTO entfaltete es sich ganz: Jeder Song ein Hit, voller Zitate für die Wordcut-Hooks der nächsten 20 Jahre und Melodien für die Ewigkeit. „Anna“ hat die Tür für souligen Conscious-Rap in Deutschland geöffnet und Songs wie „Esperanto“, „Tabula Rasa Pt. II“ (mit dem jungen Dancehall-Deejay Gentleman) und „Mit dir“, das erste große Joy-/Max-Duett, referenzieren nicht nur Nas und die Fugees, sondern eben auch Al Green und Bob Marley – und Udo Lindenberg! Ein Album, das für die nächsten drei Jahre den Stand der Kunst definierte. (Stephan Szillus)
Dynamite Deluxe
Deluxe Soundsystem (2000)
In der Hip-Hop-Landschaft der späten 90er-Jahre war Samy Deluxe, gelinde gesagt, eine Ausnahmeerscheinung. Schon in schierer Körpergröße überragte er, was man sich in Deutschland bis dahin unter einem MC vorstellte, und auch sein Können war von einer neuen Dimension. Samy sah aus wie ein Rapper, bewegte sich wie ein Rapper und rappte wie eine Offenbarung. Mit Tropf und DJ Dynamite hatte er zudem das perfekte Team für sein Talent. Sowohl ihr Demotape auf dem eigens gegründeten Eimsbush-Label als auch dieses offizielle Debütalbum sind Klassiker, voll mit tonnenschweren Beats, tödlichen Flows und Hooklines für die Ewigkeit. Um in der Lingo zu bleiben: zornig. (Davide Bortot)
Westberlin Maskulin
Battlekings (2000)
„Du denkst wirklich, du hast irgendwas begriffen und willst rappen. Ihr stagniert stark ohne es zu merken und verwandelt euch zu Staub. Deine Crew braucht dicken Schwanz und kriegt ihn auch.“ Das zweite Album von Westberlin Maskulin ist voll mit solchen Zeilen – Battlerap galore, politisch inkorrekt und mit schiefen Vergleichen. Kool Savas und Taktlo$$ schien alles egal, so wild schossen sie um sich – vornehmlich auf Wack-MCs aus Hamburg oder Stuttgart. So präzise wie Kool Savas seine Reime auf die Vierspur-Snare fallen ließ, bekam man eine Ahnung davon, wozu der noch im Stande sein würde. Im herrlichen Kontrast dazu: Taktlo$$, dessen Beschimpfungen nur scheinbar unbeholfen auf die Beats plumpsten. (Jan Wehn)
Torch
Blauer Samt (2000)
Kaum zu glauben, dass es dieser Frederik Hahn aus Heidelberg, Symbolfigur und Urvater des deutschen HipHops, nur zu dieser einen Solo-Platte brachte. Dafür bannte er auf diese lyrisch-dichte 74-Minuten-Platte alles an persönlichen Gedanken, politischer Message und der alten Zulu-Nation-Vision von HipHop als verbindende Kraft, was er zu bieten hatte. Es ist das letzte große Denkmal der Alten Schule und schwebt schon damals als Fremdkörper in der sich verändernden Szene. BLAUER SAMT erzählt von den alten Tagen der Jam- und Graffitikultur, vom großen Ganzen, von Vergangenheit und Liebe, Konsumwahn und Lebenssinn. Und in „Wir waren mal Stars“ so reflektiert wie ironisch sogar vom eigenen Niedergang. (Annett Scheffel)
Creutzfeld & Jakob
Gottes Werk & Creutzfelds Beitrag (2000)
Es gab Freundeskreis, Afrob oder Curse in den Charts, aber es war dort noch kein Platz für roughen Rap-Shit aus dem Ruhrgebiet. Mit dem Debüt von Creutzfeldt & Jakob sollte sich das Ende 2000 ändern. Die geballte Überheblichkeit von Mr. Staublunge Flipstar in Kombination mit dem in einer Tour Punchlines sabbelnden Plapperpappmaul Lakmann One machten sich gut auf den atmosphärischen Beats von Grönemeyer-Neffe Till, dessen Produktionen es locker mit den 90-BPM-Kopfnicker-Loops von der US-Ostküste aufnehmen konnten. Veredelt mit den Scratches von DJ Edla entstand so in Witten um die Jahrtausendwende ein Meisterwerk von spröder Schönheit, das bis heute nichts von seiner Düsternis und Dichte eingebüßt hat. (Jan Wehn)
Blumentopf
Eins A (2001)
Niemand hatte um die Jahrtausendwende mehr Schalk hinter den Ohren als der T.O.P.F. (außer vielleicht Fettes Brot). Die Münchner hatten ihre wunderbar witzigen, selbstironischen und wortgewandeten Nacherzählungen von Alltagssituationen bis dahin so weit ausgefeilt, dass sie sie nahtlos mit größeren Themen verknüpfen konnten, ohne den Spaß dabei zu verlieren: etwa Kritik an Sexismus und Kifferkultur der Szene („Das einzige, was ich durchzieh’, ist mein Ding und andere durch’n Kakao.“). Weiterer Pluspunkt: DJ Sepalot, der sich hier auf erstaunlich wenig Samples und viele eigene, sommerlich federnde Beats verlässt. Und: „Liebe und Hass“, der bis heute vielleicht beste, typischste Blumentopf-Track. (Annett Scheffel)
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Die 30 weiteren besten Deutschrap-Platten verraten wir Euch im Deutschrap-Special des neuen Musikexpress. Nach und nach aber auch online in vier Teilen: