Die 50 besten Alben des Jahres 2016
Ja, 2016 war nicht sehr nett zu uns. Trotzdem: Gute Alben sind auch dieses Jahr erschienen. Hier sind unsere 50 Favoriten.
Platz 2: Nick Cave & The Bad Seeds – SKELETON TREE
Bad Seed Ltd./Rough Trade (9.9.)
Ganz früher war Nick Cave ein nichts als Unheil verkündender Rabendrogenrockvogel, längst jedoch ein anerkannter, wenn auch ewig dunkler Meister des traditionellen Songwritings. Die Stücke, die er für das 16. Bad-Seeds-Album schrieb, entstanden fast alle unter dem Eindruck des schrecklichen Unfalltods seines 15-jährigen Sohns Arthur im Sommer 2015. So wurde SKELETON TREE tatsächlich zu seiner finstersten Platte und wohl eine der untröstlichsten, die überhaupt je aufgenommen worden sind.
Kurz bevor dieses Werk erschien, lief in einigen Städten die Doku „One More Time With Feeling“. Sie zeigte die Entstehung dieser Platte, und sie zeigte – mehr davon und direkter, als man es erwarten und fast nicht ertragen konnte –, wie Nick Cave und seine Familie versuchen, mit dem Verlust fertigzuwerden. Wer diesen Film gesehen hatte, konnte sich kaum vorstellen, skeleton tree jemals ohne diese Bilder und die brüchige Stimme des gebeugten, nach Sinn scharrenden Cave im Kopf hören zu können. Doch inzwischen geht das. Und die Platte wächst als das, was sie sein soll: ein Statement weit über das Private hinaus, das Zeugnis eines Kampfes, das einen hohen künstlerischen Wert besitzt.
Ja, man darf das sogar fesselnd nennen, wie es dem Sänger mit seinem Blutsbruder Warren Ellis an der Seite gelungen ist, sich aus der Wortlosigkeit zu graben. Cave hat dafür schließlich sein Songwriting verändert. Er formuliert nicht mehr alles aus, bricht immer wieder mit der Poesie. Wo ihm das flehende Mantra als einziger treffender Ausdruck bleibt, wiederholt er eine Zeile wie „I need you“ genau so oft, wie es eben sein muss. Songs wie „Jesus Alone“ („With my voice I am calling you“) oder das besagte „I Need You“ („Nothing really matters when the one you love is gone“), in dem der wunde Cave den ohnehin nur schleppend marschierenden Seeds kaum zu folgen vermag, brechen einem fast das Herz.
Doch es strahlt durch diese spukhaften, improvisiert um Metablues-Muster, Loops, sphärische Synthesizer und Verstärker-Störgeräusche kreisenden Songs auch eine überirdische Schönheit. Ihre Anmut ist bisweilen atemberaubend. Und wenn die Sopranistin Else Torp in „Distant Sky“ gewissermaßen als Engel zum Aufbruch in eine andere Welt anstimmt: „Let us go now, my darling companion“, vermag Nick Cave sich und uns sogar für einen Moment zu erlösen. Oliver Götz
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