Die Gebote der Brüder


Die Söhne eines Predigers sind über Nacht zu Stars geworden. Die Kings Of Leon wissen allerdings, dass man auch als gewach- sener Rockmusiker eines nicht vergessen sollte: Es gibt kein leichtes Leben ohne Regeln.

„Wir glauben definitiv an Gott. Und wir sagen immer noch jeden Tag unsere Gute-Nacht-Gebete auf. Vor dem Mittagessen vergessen wir es manchmal, aber dann wurde schon ab und zu unser Essen vergiftet, also versuchen wir, daran zu denken.“ (Nathan Foliowill) gott und ihre christlich-strenge Erziehung können die Kings Of Leon nur vordergründig auf die leichte Schulter nehmen. Das ausschweifende Rockstar-Leben sollen andere leben. Die Kings Of Leon entwickeln sich weiter ohne ihre Vergangenheit zu negieren. Regeln bleiben für sie wichtig, allerdings haben die Kings Of Leon sich ihre eigenen gemacht. Und überraschen mit einem zweiten Album, auf dem sie ihrem Southern-Garagenrock den jugendlich übermotivierten Lärm und die überkandidelte Rockstarpose entziehen und durch überraschende Ernsthaftigkeit und Experimentierfreude ersetzen. Doch zurück zur kindlichen Unschuld, zum Anfang der Geschichte dieser Band. Einer Geschichte, in der die Bibel eine gewichtige Rolle spielt.

Genesis Das Licht der Welt erblicken Caleb und Jared Followill in Memphis, Nathan in Oklahoma City. Von Geburt an führen sie ein Leben ohne festen Wohnsitz. Vater Leon ist Wanderprediger mit jugendlich-rebellischer Vergangenheit. Auf langen Reisen legt er ab und an noch Led Zeppelin oder die Stones auf. Wenn seine Frau schläft. Die auf nur wenige Momente langer Überlandfahrten beschränkte rockmusikalische Sozialisation der Brüder Nathan, Caleb und ]ared findet zusammengepfercht auf dem Rücksitz statt. Die Followills hängen zwangsläufig ständig aufeinander. Sie lernen dadurch den Familienzusammenhalt als obersten Wert kennen und schätzen. Wenn sie nicht auf der Straße unterwegs sind, wohnen sie bei den zahlreichen Verwandten. Auch das jährlich im Sommer stattfindende fünftägige Familientreffen – knapp 150 Followills treffen sich dann im 143-Einwohner-Kaff Albion in Oklahoma – schweißt die Sippe weiter zusammen.

Die Followills wandern. Und die Followills predigen. In jeder Kirche, in jedem Zelt die gleiche Show. Die Kraft der Gospel-Musik, die anschauliche Verbreitung der frohen Botschaft, ein Publikum, das sich mitreißen lässt. Die Jungs erlernen für die Messen Instrumente; früh folgen die ersten Auftritte. Allerdings verläuft die musikalische Ausgestaltung der Gottesdienste nicht immer im Sinne des Erfinders. Caleb erinnert sich: „Nathan war schon mit fünf Jahren ein verdammt guter Schlagzeuger. Ich weiß noch mich, wie wir in der Kirche saßen und bei Gospelsongs mitklatschten, bis man auf einmal mittendrin den Schlagzeuger hörte, wie er (versucht ein Schlagzeuggeräusch nachzuahmen) brrm-boom-boomtsch-boom-hoom-tsch macht, was verblüffend gut zum Song passte. Meine Freunde und ich schauten uns an und lachten los, weil Nate da oben saß und dem Lied etwas hinzufügte, was er im Radio gehört hatte.“

Exodus So weit, so gut, so gottgefällig verläuft das fromme und gleichsam frohe Leben der Predigerfamilie in seinen festen Bahnen. Dann brechen jedoch Plagen über die Familie herein: Der Vater verfällt dem Alkohol, die Eltern lassen sich scheiden. „Es war ein großer Schock für uns. Ich war hin und hergerissen „, erzählt Caleb. „Ich ging nach Oklahoma, weil ich fühlte, dass gerade mein Dad derjenige war, der jemanden um sich herum brauchte; aber nach einer Weile merkte ich, dass nichts voranging, und so wollte ich nur noch zurück nach Mountjuliet in Tennessee und sehen, wer ich eigentlich war.“Im Hinterland, 40 Meilen östlich von Nashville. Das gelobte Land sieht anders aus. Aber immerhin ist Caleb zurück bei den Brüdern. Er platzt direkt hinein in eine vermeintliche amerikanische Kleinstadtidylle mit peinlich von Rentnern gepflegten Rasenteppichen und Zierhecken. „Unsere Stadt hat 12.000 Einwohner. Ich hab meinen Abschluss zusammen mit genau vier Leuten gemacht.“ Heute kann Nathan darüber lachen. Nach derSchule herrscht jedoch Ratlosigkeit. Er und Caleb nehmen Gelegenheitsjobs an und arbeiten hart. „Wir strichen Häuser und deckten Dächer, ich arbeitete in einer Videothek. Wie ganz normale, gewöhnliche Typen von nebenan.“ ‚Es folgt in dieser Geschichte der Auftritt des Führers in der Wüste. Nathan und Caleb lernen den Manager Ken Levitan kennen, der erlebt einen kleinen Auftritt der Brüder in einem kleinen Cafe in Nashville und ist sofort von ihrem Harmoniegesang und ihrer Präsenz begeistert. Er steckt sie mit erfahrenen Songschreibern zusammen. Die Schulung und Kanalisierung zeigt Wirkung: Die Brüder schreiben schon ganz passable Songs. Einer landet sogar fast im Repertoire von Country-Pop-Diva Faith Hill. Viel wichtiger ist jedoch die Begegnung der Followills mit Angelo – Familienname Petraglia, in seiner Heimat Boston als versierter Songwriter bekannt, Mitglied der hingegen eher unbekannten Bands Face To Face und The Immortais, in Nashville wiederum unter seinem Vornamen semi-berühmt für einige, sogar Grammy-nominierte, Hits. In einem interview schildert er die erste Begegnung mit Nathan und Caleb so: „Diese zwei Typen kommen in mein Haus mit diesem ganzen Country-meets-Rock-Ding, den Teufel auf der einen Schulter, Rock’n’Roll auf der anderen, und drüber schwebt Gott, der versucht, das Ganze irgendwie zusammenzuhalten. „Er führt die Burschen an Vintage-Gitarren und Verstärker heran, öffnet ihnen weitere Fenster zur Rockmusikgeschichte, stellt erste Kontakte zu Plattenfirmen her-und zögert keinen Moment, als Nathan und Celeb zusammen mit ihrem kleinen, damals 15jährigen Bruder Jared (der niemals zuvor ein Instrument, geschweige denn eine Bassgitarre in der Hand gehalten hat) und ihrem Cousin Matthew (dessen Mutter zunächst um die Schulkarriere ihres Sohnes fürchtet) an der Gitarre eine Band gründen wollen. Beim ersten Auftritt der vier in der Garage der Familie sitzt bereits der Präsident der Plattenfirma RCA auf dem Rasenmäher.

Dekalog In Amerika werden die Kings Of Leon von den Formatradios und MTV verschmäht. Dafür hagelt es in Europa euphorische Kritiken für YOUTH AND YOUNG manhood, das teils ungelenke, aber ebenso begeistert ungestüme Debütalbum. Die Touren sind ausverkauft, Berühmtheiten wie Kate Moss und Liv Tyler bekennen sich als Fans. Und doch flippt keines der vier jungen Landeier aus. Man hält sich weiterhin an Regeln, findet zur eigenen Interpretation zumindest von einigen Geboten, die der Vater seit der Kindheit immer wieder gepredigt hat:

Ehre deinen Vater und deine Mutter Seit jeher ist dies das oberste Gebot für die Kings. Nachdem sie ihren Plattenvertrag unterschrieben hatten, kauften sie von ihrem Vorschuss als erstes ein kleines Haus für ihre Mutter. Wenn ihre Söhne zu Gast sind, muss sie ihnen zwar Porno-DVDs und sonstigen Kram nach räumen, doch mangelnden Respekt vor Vater und Mutter kann man den Kings Of Leon wahrlich nicht vorwerfen. Beide Elternteile, auch der Vater, der durch seine Alkoholsucht zum Außenseiter der Großfamilie geworden ist, spielen auch nach der Scheidung „eine große und wichtige Rolle in unserem Leben“, versichert Caleb. Und Nathan meint sogar, dass „die Musik bewirkt hat, dass sie gerne zu den selben Shows kommen. Auf eine seltsame Art und Weise hat unsere Musik es ihnen ermöglicht, sich gegenseitig leichter zu tolerieren, als es wahrscheinlich ohne der Fall wäre.“

Halte den Sabbattag, dass du ihn heiligst Das bedeutet für die Kings Of Leon: Pausen genießen, runterkommen, innehalten, zu Hause Kraft tanken. Und womöglich auch mal den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und einfach nichts tun. „EineSache an uns, die die meisten Leute nicht für möglich halten würden, ist die Tatsache, dass wir eigentlich alle fette Männer sind, die in den Körpern von schlanken Männern stecken „, sagt Caleb und grinst: „Wenn wir freihaben, sitzen wir vorm Haus und essen so ziemlich alles, was uns in die Hände fällt. Wie man es auf dem Land so tut. Und wir freuen uns, unsere Mom zu sehen, schwimmen ein bisschen im Swimmingpool und spielen Golf.“ Der Sport auf dem Grün bietet für Nathan mehr als nur Erspannung: „Ich liebe Golf. Ich tue nichts anderes, wenn ich zu Hause hin. Golfen ist wie eine Freundin haben. Ich habe keine Freundin. Ich gehe immer nur golfen.“

Du sollst keine anderen Götter haben als mich Freude über Erfolg und der Genuss von allen Annehmlichkeiten des Rockstar-Daseins sind erlaubt. Falsche Götzen jedoch beten die Kings Of Leon nicht an. Und so bereiten Besuche in Stripclubs (nach dem Konzert in Hamburg 2003 machten sie das „Dollhouse“ unsicher, wobei der damals erst 17jährige Jared Probleme mit dem Türsteher bekam), Drogenkonsum (neben viel Alkohol auch gerne mal ein Joint zur Versöhnung nach einem Streit unter Brüdern) und Begegnungen mit den tollsten Frauen der Welt (beim australischen „Big Day Out“-Festival 2004 hingen sie mit Drew Barrymore, der Freundin von Strokes-Drummer Fab Moretti, ab) zwar unbändiges Vergnügen, sind aber laut Nathan keine direkte Reaktion auf die strenge, christlich geprägte Kindheil: „Wir tun das alles nicht vorsätzlich. Aber ich bin mir sicher, dass es für die Leute so rüherkommt. Denn wenn du in einem strengen Haushalt aufgewachsen bist, musst du natürlich gegen alles rebellieren. Aber nein, wir haben einfach Glück, dass schöne Frauen, die in Filmen und Magazinen zu sehen sind, zu unseren Shows kommen.“ Bescheidenheit ist eine Zier für die Kings Of Leon. Erfolg bietet laut Caleb schließlich und vor allem die Möglichkeit, „weiterhin hart zu arbeiten, dann nach Hause zu kommen und die Belohnung zu genießen „.

Du sollst nicht stehlen Immer wieder diese Vergleiche. Nach YOUTH AND young manhood gab es sie im Dutzend billiger. Pharisäer wollten nur eine moderne Variante der Allman Brothers Band, die garagenrockenden CCR oder d ie pun kigen Small Faces in den Kings entdeckt haben. Doch kann man der Band eben keine übliche Rocksozialisation nachweisen; durch das Elternhaus fast hermetisch angeschirmt (Ausnahmen siehe „Genesis“), drang nur wenig weltliche Musik an die jungen Ohren. Von Diebstahl kann also nicht die Rede sein, denn „du musstja wissen, was du stehlen willst, um es zu stehlen „, meint Nathan. „Wir hatten nie zuvor diese Musik gehört, hatten keine Ahnung, dass wir etwas machten, was es vor 30 Jahren schon gab. Es war reiner Zufall, dass unsere Musik überhaupt nach irgend etwas klang. Aber ich habefestgestellt, dass zu unseren Konzerten tatsächlich mehr ältere als junge Fans kommen. Die einen freuen sich, an ihre Jugend erinnert zu werden, dieanderen werfen uns vor, beiden Musikern von damals zu klauen. Naja, solange sie unsere Platten kaufen oder ihre Söhne es tun, reicht das ja schon. Wir wollen nur, dass jede Familie eine hat.“

Du sollst nicht als falscher Zeuge gegen deinen Nächsten auftreten Und noch so ein versteckter Vorwurf. Die Lebensgeschichte der Followills klingt abenteuerlich. Manch Ungläubiger vermutete ein turmhohes Lügengebäude hinter dem traumhaften Aufstieg von den wanderlustigen Predigersöhnen hinauf zur größten Landeier-Schau im Rock des noch frischen Jahrtausends. Und doch ist diese Geschichte wahr, versichern die Followills. „Es gibt nichts an uns, das erschwindelt wäre oder eine Lüge“, betont Caleb. „Wir haben gehört, dass Leute behaupten, unsere Geschichte sei eine Lüge, und dachten, das wäre eigentlich lustig, denn dann könnten wir uns ja einfach etwas anderes ausdenken, irgendwas Cooleres als dieTatsache (lacht), dass wir nun mal Brüder sind.“ Du sollst nicht deines Nächsten Weib begehren Verwandtschaftlich enge Bindungen und Familienzusammenhalt hin oder her – dieses Gebot unter drei ausgesprochen gutaussehenden Brüdern einzuhalten, ist schwierig, und Caleb muss einräumen, dass es da „sicher einige,solche Momente’gab, aber wir versuchen, das hinter um zu lassen. Und normalerweise verstehen wir es ja gut, wenn der andere so einen Moment der Schwäche hat (lacht). Naja, so oft ist es dann auch nicht vorgekommen, dass einer den anderen betrogen hat. Einmal oder so…“

Du sollst nicht Verlangen tragen nach deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Ochs, Esel oder sonst nach irgendetwas, was deinem Nächsten gehört Neid und Missgunst sind den Kings Of Leon nach eigenem Bekunden fremd. Caleb findet diese Haltung ganz selbstverständlich: „Ich habe mich niemals an anderen Leuten orientiert. Ich habe wirklich hart gearbeitet, und als ich endlich herausgefunden hatte, was ich wirklich tun will, habe ich nicht aufgehört, bis ich es erreicht hatte.“

Das neue Testament „Die Tour endete Mitte Januar 2004, dann waren wir vier Wochen daheim, schrieben Songs bei Unmengen von Wein, danach ging es nach L.A., wo wir die Platte in fünf Wochen aufnahmen“, erzählt Nathan über die Arbeit an a-ha shake heartbreak, ihrem zweiten Album. Mit außerordentlicher Arbeitsmoral allein sind diese selbstauferlegten Strapazen allerdings nicht zu erklären. Caleb räumt denn auch ein, „dass wir uns selbst erst gar nicht in die Situation bringen wollten, uns zu viele Gedanken zu machen und nervös zu werden. Deshalb ging’s nach Hause, wo wir versuchten, möglichst ehrliche und unverfälschte Songs zu schreiben. Als wir unsere erste Platte aufnahmen, hatten wir keinen einzigen Fan. Wir taten es nur für uns. Und deshalb nahmen wir einfach – obwohl wir inzwischen leider Fans haben – auch die zweite Platte wieder nur für uns selbst auf Das istderGrund, warum wirklich große Künstler für lange Zeit unverfälscht und gut bleiben, weil sie die Musik nurfiir sich selbst machen. Auch wenn sie vielleicht irgendwann abtauchen und nur noch seltsame Sachen machen, die keiner mehr versteht. Um dies zu verhindern, setzen die Kings Of Leon auf bewährte Hilfe. Auf Ethan Johns (u.a. Produzent von Ryan Adams und Ben Kweller), der schon beim Debüt nach Meinung der Band Gutes vollbrachte. Dazu wurde Angelo (siehe Kapitel „Exodus“) engagiert, um den Songs neue Aspekte abzugewinnen. Um auf gar keinen Fall „youth and young manhood Teilzzu machen „, erklärt Nathan. „Es gibt so viele Bands, die auf dem zweiten Album versuchen, noch mal alles zu wiederholen, was jedermann am ersten Album mochte, und das macht dich krank. Ethan war dafür zustandig, die Platte noch genug YOUTH-and-young -manhood -mäßig zu halten, so dass unsere Fans sie verstehen, während Angelas Arbeit uns hoffentlich neue Fans verschafft.“

Es könnten tatsächlich ein paar Menschen zurückbleiben. Im denkbar unflexiblen Sinne wertkonservarive Fans der ersten Platte. Die die Band nicht mehr verstehen. Das beginnt schon mit dem Titel des neuen Albums. YOUTH and YOUNG MANHOOD war ein Stück ungeschliffene, unbändige und laute Rockmusik, Ausdruck von Kraft und Wut der in jeder Hinsicht bewegten Jugend der Kings Of Leon. Der Titel passte wie kein anderer. Das neue Album trägt den Namen a-ha shake HE artbreak und könnte auf den ersten Blick wie der Versuch wirken, eher sinnarmen, aber eingängigen Ur-Rock’n’Roll-Schlachtrufen wie „Be Bop A Lula“ eine neue Variante hinzuzufügen. Wie so oft, ist die Erklärung einfacher und komplizierter zugleich: „Eigentlich gab es einen Song, der diesen Titel trug, aber nachdem wir den Klang so mochten, änderten wir den Titel des Songs in ,Taper Jean Girl‘. Die ganze Platte heißt jetzt a-ha shake heartbreak, denn als ich diese Phrase zum ersten Mal hörte, kam in mir ein ganz bestimmtes Gefühl auf. Das eines kleinen jungen, der ein Mädchen sieht, das ihm die größten Schmetterlinge im Bauch beschert, ihm aber das Herz bricht. Doch ein paar Jahre später bemerkt er, dass er viel zu jung war und dass dieser Herzschmerz eigentlich gar nicht existierte. Aber er weiß, dieses Mädchen wird für den Rest seines Lebens diejenige sein, an der er alle anderen misst- er hebt sie auf ein Podest. A-HA shake heartbreak bedeutet für mich, Liebeskummer zu haben, noch bevor du überhaupt lieben kannst.“

Das gilt glücklicherweise nicht für das Album selbst, a-ha SHAKE Heartbreak strotzt vor Spiel- sprich: Lebensfreude bei gleichzeitig großer Gelassenheit. Es spielt aber auch mit den Erwartungen: Das erste Stück „Slow Nights, So Long“ konterkariert die Erwartungshaltung an einen Opener, bricht nach langsam aufgebauten, in sich verzahnten Gitarrenriffs ab, klingt mit Latino-Percussion und Piano aus. „Milk“ mit seinen verhaltenen Keyboard-Flächen hingegen löst das Versprechen ein, das bereits das bluesig-düstere „Trani“ auf dem ersten Album gegeben hat: Es ist ein Klagelied von fast biblischen Ausmaßen. In der Ballade „Day Old Blues“ wird gejodelt, und „Re-Memo“, das letzte Stück, lässt den Hörer betont sanft aus der Platte gleiten. Zwischendurch gibt es natürlich auch die (gewohnten) musikalischen Schläge ins Gesicht, die richtigen Single-Hit-Knaller, wie sie auch schon beim Debütalbum begeisterten. Allerdings klingen diese Kracher jetzt so losgelöst und unbeschwert wie bei einem Kind, das seinen ersten Silvester-Böller loslässt. Solche Momente einfangen, die „uns zum Lächeln bringen, das wollten wir“, erklärt Caleb. „So wie die alten HipHop-Platten, die wir früher als Jungs hörten, wenn wir zu Freunden gingen, die uns Tone-Locoder so was vorspielten. Wir wollten, dass du etwas fühlst – ich weiß nicht was, ich kann das Gefühl schwer beschreiben … Wir haben oft ,Be My Baby ‚gehört, das ist so ein unverfälschter Song: So etwas wollte ich erreichen!“ Es geht

um ein Gefühl, das es herüber weht durch die Zeit. Es geht um Erinnerungen an Gefühle. „Die Songs sollten sich anfühlen wie bestimmte Momente meines Lebens. Als Kind mit dem Fahrrad über irgendeinen dreckigen Hügel springen. Oder auf dem Rücksitz des Autos die sich drehenden Reifen hören. Sie sollten wie eine offene Wunde sein, die alles von uns preisgibt.“

Preiszugeben gäbe es allerdings auch so manches aus der jüngsten Geschichte der vieT Rockmusiker. Auch diese Dinge haben zwar Spuren auf dem Album hinterlassen, wie Nathan zugibt, aber „eher unterbewusst, denn du merkst gar nicht, wie cool die Dinge um dich herum sind, bis du zurück nach Tennessee kommst und denkst: Mann, letzten Monat um diese Zeit bin ich mit einem hübschen schwedischen Mädchen durch Stockholm flaniert. Diese Erfahrungen übertragen sich, auch wenn wir dann nicht unbedingt genau über dieses Erlebnis aus unserem persönlichen Standpunkt heraus schreiben, sondern versuchen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Auf diese Weise können wir brutal ehrlich sein “ – und schließlich sogar ein Lied über Erekrionsstörungen („Soft“) schreiben, ohne preisgeben zu müssen, wem da vielleicht ein Missgeschick passiert ist.

Ein bisschen Untersterblichkeit darf’s am Ende dann schon sein. Nathan hofft, dass „du im Jahrzo^o eine Band fragst, wieso sie nach den Kings Of Leon klingt „. Doch noch vor richtigem Rockstar und rockmusikalischem Wegweiser will Nathan Ehemann und Vater sein. „Ich möchte eine große Familie -fünf Kinder“, sagt er. Und wie sehen – nach den Erfahrungen der eigenen Kindheit – Nathans pädagogische Vorgaben für die Erziehung seiner Kinder aus? „Wenn ich eine Tochter habe, wird sie das Haus nicht verlassen, weil: Sie könnte ja jemanden wie mich treffen. Und wenn ich einen Sohn bekomme, dann hab ich jetzt schon Mitleid mit seiner Freundin, denn er wird genau wie ich sein „, sagt Nathan lachend. „Ich kann es kaum erwarten, viele Kinder zu haben“, lautet auch Calebs Lebensplanung. „Ich hoffe, ich habe meinen Körper bis dahin nicht zu sehr ruiniert und eine schöne Frau gefunden, die nach der Heirat auf einen eigentlich ziemlich fetten Mann vorbereitet ist.“