Die kleinen Kunstwerke von Little Feat
Nein, nein, die Band heißt nicht Little Feet, mit zwei e, nein, damit würden sie sicher nicht einverstanden sein. Denn auf "kleinem Fuß" steht ihre Musik bestimmt nicht. Little Feat muß es richtig heißen, und damit kommen wir der Sache schon beträchtlich näher: Wenn sie eines nicht kennen, dann sind es Minderwertigkeitsgefühle.
Obwohl im restlichen Land so gut wie unbekannt, empfing man sie in Hamburg wie den totgeglaubten „Jungen“, dessen In-See-Stechen schon Freddy vor Jahren tränenerstickt nachweinte.
Man merkte der Band allerdings an, daß sie bis etwa zur Mitte ihres Konzertes der Sache doch noch ein wenig mißtrauisch gegenüberstanden. Lowell wirkte zu allem Überfluß müde und abgeschlafft, um nicht zu sagen mürrisch. Die ersten vier Stücke deshalb auf Sparflamme und im gemäßigten Mitteltempo. Irgendetwas fehlte, was dieser ominösen Starrheit ein Ende bereitet hätte.
Der Funke
Etwa nach der halben Spielzeit strahlte plötzlich die Light-Show heller und links und rechts wurden zwei riesige Kaktus-Stauden hochgehievt, so daß man sich nunmehr in die Wüste Arizonas oder New Mexicos versetzt sah. Die Band schien diesen Gag offensichtlich ebenso wirksam und witzig zu finden wie das tobende Volk in den Rängen, denn mit einem Male war der „Seemannsknoten“ gelöst! Der langersehnte Funke sprang über und erst jetzt begann das Konzert im eigentlichen Sinne. Die Gitarren klangen fortan selbstbewußter, Lowells herrlich „kalter“ Gesang wurde gefühlvoller und die Geschlossenheit der Musik löste sich zusehends. Es wurde auch Zeit…
Die Musiker
Mit „Dixie Chicken , dem Titelsong ihrer dritten LP, kam Leben in die Bude. Erstmalig wurde längere Zeit improvisiert (ca. 1 stolze Minute), und die einzelnen Musiker bekamen Gelegenheit, zu zeigen, was in ihnen steckt. Wobei Pianist Bill Payne den Vogel abschoß und Lowell ein Slide-Solo hinlegte, das seinesgleichen sucht. Bassmann Kenny Gradney hörte ohnehin nie damit auf, in wild zuckenden Bewegungen seine rechte Bühnenseite unsicher zu machen. Streckenweise erinnerte er an einen dieser eleganten, supercoolen Gentleman-Neger, der ausversehen in eine brodelnde Voodoo-Orgie hineingeraten war. Richard Hayward dürfte sich den Titel „heavy-ster Drummer der letzten Jahre“ gesichert haben, und, na ja, Rhythmusgitarrist Paul Barrere war wahrscheinlich der einzige, dem die Sache bereits von Anfang an einen höllischen Spaß bereitete. PercussionistSam Clayton trat erst richtig in Erscheinung, als er begann, das Rumbakugeln-Preiswerfen einzuleiten, dem viele Fans ein Andenken an dieses Konzert zu verdanken haben.
Etwas humorlos
Über weite Strecken erinnerte Littte Feat an die Kompaktheit und Dichte, in der ihre Bühnenanlage aufgebaut war, und der fast in jedem Song vorkommende zwei- und dreidimensionale Gesang klang live ebenso ausgefeilt wie auf ihren Platten. Darunter litt stellenweise natürlich die Spontaneität. Man hat sich eben damit abzufinden, daß sie sind, was sie sind: etwas dogmatische und meist humorlose Spitzenkönner des Country-beeinflußten Rhyhthm’n’Blues. Fehlende kleine, spontane Freiräume, die auf Platten nicht ins Gewicht fallen, sind das Salz der Live-Suppe, und das sollten sich auch Little Feat hinter die Ohren schreiben.
Stolze Bilanz
Aber wie gesagt, gegen Ende ging das Konzert doch noch gehörig los. Aus den stillvergnügten Geheimtip-Fetischisten waren inzwischen begeisterte Fans geworden, die es kaum auf ihren Stühlen hielt, und aus den Pflichtabsolventen auf der Bühne ausgelassene Spitzenmusiker. Die drei Zugaben, die sich das Publikum ertrampelte, waren nach dem fantastischen letzten Drittel „obligatorisch“ und setzten niemanden in Erstaunen. Als Lowell das erste Mal wieder die Bühne betrat, völlig erschöpft, aber strahlend, nahm man ihm das „Thank you“ mit befriedigtem Gesicht ab. Am Schluß bequemte er sich gar zu einem Publikumswunsch, den er fast ohne Begleitung akustisch vortrug.
Nach diesem erfolgreichen Konzert dürften sie Deutschland wieder freundlicher gesinnt sein – oder wenigstens Hamburg. Aber obwohl ihre Musik keinerlei progressiven Anspruch oder unkommerziellen Charakter in sich trägt, gehört Little Feat, und daran sollte kein Zweifel aufkommen, nach wie vor zu den bedauernswerten, typischen Kritikerbands, die zwar hervorragende Kritiken ernten, dem Großteil des Rockpublikums jedoch meist nur als Geheim tip in Erinnerung bleiben. Und daran sollte sich schleunigst etwas ändern!!