Die Soloausflüge des ’neuen‘ Achim Reichel


Die RATTLES kennt wohl noch jeder, die WONDERLAND kennen viele, doch wer kennt schon die Aktivitäten des Gitarristen Achim Reichet seit damals.

Da hat ein Musiker in jahrelanger harter Arbeit eine gewisse Popularität erreicht, entdeckt auf dem Höhepunkt aber, dass ihn diese Musik auf die Dauer aber nicht befriedigen kann. Was tut er also? Er bricht alle Brücken ab, lässt sein zweifelhaftes Image hinter sich und setzt sich damit der Gefahr aus, ganz von vorne zu beginnen und damit durchzufallen. Dazu gehört Mut und Selbstvertrauen. Achim scheint beides zu besitzen. Sollte man das nicht zumindest anerkennen, wenn man schon den neu eingeschlagenen Weg nicht gutheisst!?

ECHO-PRINZIP

Obwohl Wonderland gute Erfolge feierte, sagt Achim heute: „Während des letzten Jahres mit ihnen entdeckte ich dieses Echo-Prinzip, dem ich auf allen 4 Solo-LP’s treu blieb. Mein Herz war in dieser Zeit schon ganz woanders und die Unlust machte sich breit.“ Auf diesen Echo-Teilen beruht jedes seiner Stücke, denn es bestimmt das Tempo in dem gespielt wird. Obwohl er dieses Prinzip immer anwendet, scheint es für ihn ein leichtes, laufend neue Strukturen zu entdecken und ein Ende des Ideenreichtums scheint noch nicht in Sicht zu sein. Immer wieder wird Achim mit seiner musikalischen Vergangenheit konfrontiert: „Als ich damals mit meinen Ideen bei verschiedenen Plattenfirmen vorsprach, wurde mir meist gesagt:,.Mann, du hast so einer guten Namen, du kannst doch nicht sowas machen!“ Den meisten Leuten scheint es offenbar Schwierigkeiten zu bereiten, mich wegen meiner Naiv-Rock-Zeit zu akzeptieren.“ Obwohl das allein schon schlimm genug wäre, kommt hinzu, dass auch seine Plattenfirma anfangs nicht an ihn zu gluben schien, denn sie rührte so gut wie keine Werbetrommel für das erste Solo-Album. Die denkbar schlechtesten Voraussetzungen also für den ’neuen‘ Achim Reichel.

4 SOLO-ALBEN

Inzwischen hat er bereits das 4. Album heraus und wie gesagt, sind seine musikalischen Ideen noch lange nicht verbraucht. Sein erstes Album nach dem Wonderland-Split hiess ‚Die grüne Reise‘ (Ende 1970) und teilweise hatte man das Gefühl, Achim wäre sich nicht ganz sicher, wohin ihn diese führen würde. Heute meint er dazu: „Damals hatte ich eine gewisse Entdeckungseuphorie, dank der ich alles mögliche ausprobierte. Das erste Mal überhaupt, dass es niemanden gab, der mich bevormundete!“ Obwohl Achim das Ziel hatte, eine ruhige, ausgeglichene Musik zu machen,“ jagte hier ein Thema das andere. Die 2. LP (Ende 1971) war eine doppelte und stellt eine Weiterentwicklung der ersten dar. Bei ‚Echo‘ wirken etwa 10 Gastmusiker mit, während ihr Vorgänger so gut wie allein von Achim produziert wurde. „Dabei hat sich die Studiotechnik ungeheuer ausgebreitet. Allerdings muss ich zugeben, dass es wahrscheinlich besser gewesen wäre, wenn ich aus ‚Echo‘ kein Doppel-Album gemacht hätte. Zum Teil wurde der Gedanke von der Musik überflügelt!“ Spätestens mit dem 3. Album (A.R. 3) hatte Achim den Gedanken und die Technik im Griff. Mit den differenzierten und in sich abgeschlossenen Stücken spielte er sich in die erste Reihe der deutschen Rock-Bands. Würde man ihr dieselben Promotion-Voraussetzungen angedeihen lassen (die hierzulande ausländischen Produktionen zugute kommt) bin ich sicher, dass sie sich auch im Ausland als grosser Renner erweisen würde. Nach langen Diskussionen mit Freunden nannte Achim seine Musik ‚meditative Rock-Improvisationen‘, was vielleicht nicht ganz richtig ist, aber doch schon einiges aussagt. Mit der neuesten Produktion, die sich schlicht ‚A.R. 4‘ nennt, kommt Achim seinen Idealvorstellungen von meditativen und fliessenden Songs bestimmt am nächsten. Jede Komposition nimmt eine ganze Seite in Anspruch, ist von einem durchgehenden, rhythmischen und melodiösen Klanggebilde durchzogen und beinhaltet mehr Jazz-Elemente als die 3 Vorgänger. „In letzter Zeit zog mich der Jazz in seinen Bann. Leider sind Jazz-Musiker meistens Technik-Freaks und grosse Tüftler, haben allerdings auch das Feeling, das ich gut finde. Feeling ist für mich gegenüber der Technik vorrangig!“ Die Texte auf allen LP’s schrieb übrigens sein alter Freund und Kollege Frank Dostal. Ich finde sie gut, doch wäre es meiner Meinung nach ratsam, wenn sich Achim vom Gesang lösen könnte. Kaum war das neue Album erschienen, hatte Achim schon die fünfte im Kopf. Sie wird sehr stark von Klassik beeinflusst sein und in einer intensiven Meditationsstimmung aufgenommen werden.

‚LIVE‘ NICHT MÖGLICH

Es hat seinen guten Grund, dass Achim jede Platte mit neuen Leuten und sogar mit wechselndem Toningenieur aufnimmt. „Das Auswechseln von Mitmusikern bringt mir immer neue Inspirationen. Würde ich es nicht tun, kann es sehr schnell langweilig werden.“ Diese neuen Impulse kommen Achim’s Musik zweifellos zugute. Live-Auftritte von ihm sind selten. Nicht weil der Plattensound ‚live‘ nicht reproduzierbar wäre, sondern weil die Musiker für Sessions nicht immer kurzfristig zur Hand sind. Zum Schluss Achim selbst zu seiner Arbeit: „Die Musik, die ich jetzt spiele, ist auf echte Kommunikation und freien Ausdruck aufgebaut, nicht mehr auf das Herunterspielen von eingeübten Stücken Für mich ist es ein Weg, der mir WIRKLICH etwas zu geben hat. Man kann hier noch finden, suchen, etwas ergründen. Rock an sich kann mir nichts neues mehr geben! Im wesentlichen blieb er bis heute gleich, nur dass er immer komplizierter wurde. Interessant wird er erst wieder, wenn man alle Stile verarbeitet und sie irgendwie abstrakter verwendet. Ich bin ungeheuer gespannt, wie Klassik mit einer Echo-Gitarre rocken kann.“