Die Toten Hosen Düsseldorf Germany


Reich und sexy - vor ausverkauften Hallen verteidigen die Toten Hosen ihren guten Ruf. ME/Sounds ließ sich überzeugen: Campino & Co. bringen das Volk auf die Beine.

Oh, Gott!“ Lassen wir es dahin gestellt, ob der Herr im Himmel der bevorzugte Ansprechpartner einer Toten Hose in Problemfällen ist. Hosen-Bassist Andi jedenfalls hat nach zwölfjähriger Berufserfahrung die brenzlige Situation sofort erkannt und verschwindet aus der gerade noch leeren Bremer Stadthalle hastig hinter den Bühnenaufbau. Die Verbliebenen blicken den Bruchteil einer Sekunde verwirrt, bis ein schriller Schrei im Mehrzweck-Gemäuer wiederhallt. Die Türen sind auf, im Sprint laufen die Fans um den Platz in der ersten Reihe. Es ist gerade mal 18 Uhr.

Während in der bis auf den letzten der 9000 Plätze ausverkauften Halle die vorderste Front die nächsten 3 Stunden damit beschäftigt sein wird, den Kreislauf in Bewegung zu halten, kehrt hinter der Bühne Ruhe ein.

„Noch’n Dessert, Campi?“ „Neee, danke, glaub nich‘. Oder was iss ’n das. Zabaione?“ Wenn Campino die Süßspeise des dreigängigen Menüs der Hosen-eigenen Catering-Crew verweigert, hat das vielleicht seine Gründe. „Wenn mal alles aufgebaut ist, hast du nichts mehr zu tun. Dann sitzt du hier ‚rum und beschäftigst dich mit deinen Magenproblemen,“ klärt Breiti auf.

Es ist der zweite Tag einer sechswöchigen Tour. Nach dem „Kauf mich! „-Erfolg und der „Reich & Sexy“-Compilation die erste „reguläre“ Tour Deutschlands altvorderster Punk-Band. Vergangenes Jahr hat man zur Abwechslung vor U2, auf Geheim-Gigs, oder im Wohnzimmer der Fans gespielt. Diesmal will man es wieder wissen, will die Massen für sich toben hören. Und hat für landesweit ausverkaufte Hallen eine Produktion auf die Beine gestellt, die heute bei Aufbau und Soundcheck noch für gehöriges Magendrücken sorgt. Von der Bühne baumeln phosphoriszierende Riesenskelette, die Dia-Show flimmert im Testlauf.

„Das ist die Scheiße mit den Sender-Mikros.“ brummelt Campino über Lautsprecher. Die fünf Hosen proben das Bad in der Menge. Sie wollen partout auf der Zuschauertribüne erscheinen.

Doch da gibt es noch ein paar Probleme mit dem Sound, und überhaupt: Welche Seite wird dafür die beste sein? Vier Stunden später, bei der Premiere eines der schönen Spaße, die man „sich erst erlauben kann, wenn man richtig berühmt ist,“ hat der Scheinwerfer-Spot alle Mühe, die vier Hosen minus Schlagzeuger inmitten der reckenden Hände überhaupt zu orten. „Wahnsinn, wie die an mir gezerrt haben“, grinst Campino nach vollbrachter Arbeit. Die Trophäe des Nahkampfs: eine blutende Schramme auf seiner Backe.

Und das ist, was gefällt – bei aller Professionalität. Backstage bei den Hosen. Da gibt es wenig zu sehen, weil alles so normal ist in der fast familiären Infrastruktur, die die Band seit der ersten Stunde umgibt. Früher war alles anders, aber genauso lustig. Die Anekdote des Abends: „In Bremen hatten wir damals unseren allerersten Auftritt. An Ostern im Schlachthof – und die Veranstalter haben sich auf unsere Kosten einen Scherz erlaubt: Sie haben uns als .Die Toten Hasen‘ angekündigt. Die Leute haben uns damals keine sechs Wochen gegeben.“

Heute nehmen die Toten Hosen Bremen im Sturm, schlicht und ergreifend, weil sie zwölf Jahre nach dem ersten Amateur-Akkord eine Rock-Show liefern, die spontan, kraftvoll und im besten Sinne des ungeliebten Wortes professionell ist. Campino: „Ich bin mir jeden Abend bewußt, daß das, was wir hier gerade erleben, ein verdammter Ausnahmezustand ist.“