Ding, dong! Ein Hausbesuch bei den eigenen Nachbarn


Einfach mal so bei den Nachbarn klingeln, mal „Hallo“ sagen, auch bei denen, die man nicht kennt.

Laut einer Studie der GFK gibt es die meisten Nachbarschaftsstreits in Hamburg. Die wenigsten in Berlin. Das ist natürlich Glück für uns. In der Studie heißt es, in über 60 Prozent der Fälle ginge es um Streitereien wegen der Lautstärke, was man gut verstehen kann, die eigene Familie ist ja oft schon zu laut. Aber hier gab es bisher noch keinen größeren Streit. Seit über einem Jahr. Mal gucken, wie das wird, wenn die Kinder im Sommer im Hof spielen oder wenn die Jugendlichen einen Geburtstag feiern. Menschen, die sich nicht mehr auf der Miet-Durchreise befinden, sollen ja öfter nicht mehr gewillt sein, den städtischen Lärm zu akzeptieren. „Wenn man eigene Küchen und Bäder hat, dann sind die Streitpunkte schon mal ausgelagert“, sagt Bettina. „Ich bin manchmal erstaunt, wie gut das funktioniert“, sagt Grazyna.

Einmal ist Lupo allein in die U-Bahn gestiegen, am Bahnhof Zoo wieder ausgestiegen, ist in den Tiergarten gelaufen und hat Hasen gejagt. Sven musste ihn abholen. Foto: Christoph Neumann
Einmal ist Lupo allein in die U-Bahn gestiegen, am Bahnhof Zoo wieder ausgestiegen, ist in den Tiergarten gelaufen und hat Hasen gejagt. Sven musste ihn abholen.
Foto: Christoph Neumann

Das Einzige, was an den Nachbarn manchmal nervt, ist die Mailingliste. Über 20 E-Mails kommen teilweise am Tag an. Mal fragt jemand, ob irgendwer seine Bohrmaschine gesehen hätte, oder ob man sich einen Katzenkorb ausleihen könnte oder ob jemand Theaterkarten haben möchte. Mal schickt jemand das Protokoll aus dem letzten Treffen der Arbeitsgruppe, die sich mit der Gestaltung der Außenflächen beschäftigt. Das ist natürlich ziemlich praktisch. Das Unpraktische ist nur, dass es auch Nachbarn gibt, die fast immer auf E-Mails antworten. „Ich habe zwar keinen Katzenkorb, aber viel Glück bei der Suche!“, oder: „Bin im Urlaub!“ Und diese E-Mails bekommen dann alle Nachbarn. Bettina findet: „Die Mailingliste ist super.“ Sie hat aber auch einen Trick: „Ich mache einfach manchmal tagsüber das Internet aus.“

Die Nachbarn treffen sich regelmäßig zu Arbeitseinsätzen. Klingt nach sozialem Druck, ist aber nicht so wie im Tennisverein. „Die Vernetzung ist gut. Ich empfinde uns wie einen kleinen Staat, ein Organismus. Das gibt mir Mut und Sicherheit“, sagt Grazyna. Und mindestens jeden ersten Montag im Monat trifft man sich zur Vollversammlung, wobei, so richtig voll ist es da nur selten, etwa wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Heute nicht, heute wird erst mal geredet. Es geht darum, unter welcher Rechtsform das Zusammenleben, so wie man es sich in den Grundsätzen formuliert hatte und so wie es den unterschiedlichen realen Bedürfnissen entspricht, weiterentwickelt werden kann. Was ist der Unterschied zwischen Nutzungs- und Wohnrecht? Bleibt die Genossenschaft bestehen, wie sie ist? Funktioniert das System als Altersvorsorge? Sollte die Genossenschaft expandieren? Das wird jetzt hier die nächsten Monate diskutiert. Mit Protokoll und Gesprächsleitung. Und es wird einiges erzählen darüber, wie Menschen zukünftig in Städten wohnen werden. Meine Nachbarn sind ein recht interessantes Hobby.

 

Dieser Artikel ist ursprünglich in der me.URBAN-Ausgabe 1/2015 erschienen.

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Christoph Neumann