Einer vom alten Schlag


Im ersten Song des neuen Albums „Hammered ‚, „Walk A Crooked Line „, stellst du ein paar Fragen. Die möchte ich jetzt dir stellen.

Okay.

Wen würdest du gerne in einem Film mimen ?

Am einfachsten wäre natürlich mich selbst, da kenne ich all die richtigen Bewegungen. Oder einen Piraten. Oder einen Cowboy. Ich habe früher Pferde gezüchtet, kann daher ganz gut reiten, ich reite zwar kaum noch, das letzte Mal vor zwei Jahren, aber so etwas verlernt man nie. Ich liebe Pferde. Sie haben einen großartigen Humor. Machen genau das Gegenteil von dem, was von ihnen erwartet wird. Eigentlich verdienen sie den Stellenwert, den wir Hunden zusprechen. Aber Pferde sind leider zu groß fürs Haus.

Du hast ja bereits Erfahrung als Schauspieler – in „Eat The Rieh“ und in dem Porno „John Wayne Bobbitt Un

cut (John Wayne Bobbitt wurde dadurch bekannt, dass seine Frau ihm im Schlaf den Penis abschnitt und auf den Müll warf. Das Teil wurde gefunden und wieder angenäht)… … ja, da hatte ich aber nur einen kurzen Gastauftritt. Bobbitt hat wirklich keinen schönen Schwanz. Ein Riesen-Arschloch, der Typ. Hat seine Frau ständig verprügelt, geschah ihm ganz recht…

Willst du mal wieder in einem Film mitspielen ?

Nicht wirklich. Zu anstrengend. Da sitzt man von vier Uhr früh bis abends herum, dann sagen sie einem:

„Wir brauchen dich heute nicht mehr.“ Und die ganze Zeit über muss man mit verschissenen Schauspielern rumhängen, die eh nur von sich selbst erzählen. Schauspieler sind nicht die interessantesten Menschen auf diesem Planeten.

Die nächste Frage aus dem Song: Wenn du wegen Mor- des vor Gericht stündest, was würdest du sagen ?

Es tut mir Leid. Oder: Er hat’s verdammt nochmal verdient. Aber das würde wahrscheinlich bei den Geschworenen weniger gut ankommen.

Weiter mit Fragen aus dem Song: Wenn du zum Mittag- essen gehst, was bestellst du dir?

Eine Frage des Budgets. Hummer, Fisch, Steak…

Kochst du auch mal selbst?

Klar, ich bin ein sehr guter Koch. Wer wie ich 44 Jahre als Junggeselle lebt, wird zwangsweise zu einem guten Koch. Aber eine Mütze trag ich nicht dabei, das sieht dann doch zu albern aus.

Was sind deine Spezialltaten ?

Ich habe einige ausgezeichnete Rezepte für Steaks mit Kartoffeln. Ich bin ein Soßen-Magier. Und iph mache sehr gute Spaghetti Bolognese.

Du lebst seit einigen Jahren in Los Angeles, fährst aber kein Auto. Wo gehst hin, wenn du ausgehst?

Ins Rainbow, ins Roxy, ins Whiskey und in den Key Club. Die sind alle zu Fuß zu erreichen und da ist immer was los.

Aber früher bist du Auto gefahren, das gehörte ja auch zu deiner Arbeit als Roadie …

Klar, ich bin alles Mögliche gefahren, aber einen Führerschein hatte ich trotzdem nie. Ich habe zwei Jaguars zerschrottet, den letzten hab ich so um einen Baum gewickelt, dass sich die Stoßstangen berührt haben. Da hat’s mir gereicht. Mein Benehmen und Autofahren passen einfach nicht richtig zusammen. Zu teuer, zu gefährlich.

Hier noch eine Frage aus dem Song: Wen mochtest du schlagen?

Alle! Als Mitglied einer Rock n’Roll-Band konkurriert man ständig mit anderen Musikern um die gleiche Sache. Das ist ein härterer Kampf als der, den ich gegen die Polizei um meine persönliche Freiheit kämpfe. Aber ich führe beide Kämpfe schon mein Leben lang und komme ganz gut über die Rundljh.

Im zweiten Song der Platte, „Down The Line , besingst du, wie ein Typ seine Freundin verlässt. Hast du gerade jemanden verlassen?

Ja, eine Freundin, mit der ich ein paar Jahre zusammen war. Eines Morgens wacht man auf und weiß einfach, dass man ohne diese bestimmte andere Person weitergehen muss. Ohne dass das Mädchen irgendetwas dafür kann. Der Song dient so ein bisschen als Entschuldigung dafür.

Hattet ihr zusammengelebt?

Nee, ich habe zu viele schlechte Angewohnheiten, als dass ich mit einer Frau zusammenleben könnte. Furzen, schnarchen … das ist tödlich für enge Beziehungen . Aber ich habe ein paar Freundinnen derzeit. Und falls du mich auf das Thema „Nazismus“ ansprechen willst: eine von ihnen ist eine Farbige! Und mein Urgroßvater hieß „Moses“ und war Jude. Ich bin wirklich kein Nazi.

Es ist ja auch hinlänglich bekannt, dass du dich – trotz deiner Sammelleidenschaft für Nazi-Memorabilia immer gegen Rassismus und braunes Gedankengut aussprichst. Was mich interessiert: Wie viel ist deine Sammlung eigentlich wert?

Die Sammlung ist meine Rente, die ist ca. 250.000 Dollar wert. Ich kann jederzeit einen SS-Dolch verkloppen und sechs Monate davon leben.

Du bist eine politische Person in dem Sinne, dass du dich gegen jede Art von Politik und vor allem gegen Politiker aussprichst…

Stimmt, ich hasse Politik und ich hasse Politiker. Leute, deren Job es zu sein scheint, sich beim Küssen von Babies und alten Frauen fotografieren zu lassen – wozu sind die gut? Ich bin Anarchist.

Und du hast dich oft gegen Krieg ausgesprochen, hast gesagt, dass Krieg den Menschen von seiner schlechtesten Seite zeige. Trotzdem habe ich neulich ein Zitat von dir gelesen, in dem du den Afghanistan-Krieg befürwortet hast.

Ich bin gegen Krieg. Aber in diesem Fall bin ich verwirrt. Mein Bauch sagt mir, dass der Krieg nicht gerechtfertigt ist. Aber wenn ich dann an denn. September denke und an die Twin Towers, das war so furchtbar. Dann denke ich: Dieser Krieg muss sein. Man konnte danach nicht einfach stillsitzen, Bush musste etwas unternehmen. Und mir fällt auch nichts anderes ein, als diese Terroristen mit aller Härte zu verfolgen. Vielleicht liegt’s auch am Alter, vielleicht werde ich intoleranter. Normalerweise lautet meine Devise „Leben und leben lassen“.

Du wurdest kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges geboren. Hast du in deiner Kindheit noch dessen Auswirkungen mitbekommen ?

Allerdings. In Deutschland gab es, glaube ich, ab 1948 wieder normale Lebensmittelversorgung. In England bekamen wir noch bis 1953 Lebensmittelrationen. Noch nicht mal eine Banane. Ziemlich schäbig dafür, dass wir den Krieg gewonnen haben, oder?

Anderes Thema. Du – als Anarchist – hast dich dafür ausgesprochen, Metallica in ihrer damaligen Anti-Napster-Position zu unterstützen und MP3-Seiten, die kostenlose Downloads von Musik anbieten, zu verklagen. Klingt wenig anarchistisch…

Nein, aber Diebstahl bleibt Diebstahl. Wir verdienen unser Geld durch den Verkauf von unseren CDs. Wir verdienen kein Geld mit Konzerten, wir zahlen -»

für Tourneen sogar drauf. Ich sehe es nicht ein, dass unsere Ware von irgendjemandem umsonst per Internet verteilt wird. Man kann ja auch keine Kleidung kostenlos aus dem Netz runterladen, keine Autos und auch nicht den Klempner, der einem die Wasserleitung repariert. Ich bin ja selbst kein Freund von den riesigen Plattenfirmen wie Sony oder EMI, die Bands ausnutzen und sich eine goldene Nase an deren Musik verdienen. Ich finde die Idee des Internets als Vertriebsmittel faszinierend. Aber meine Arbeit muss bezahlt werden, sonst bin ich irgendwann pleite.

Wenn du dich gerade mal nicht über Terroristen oder Internet-Diebe ärgerst – womit entspannst du dich ?

Ich lese wie ein Besessener. Philip K. Dick („Blade Runner“), Len Deighton, Geschichtsbücher … im Moment lese ich den „Herrn der Ringe“ mal wieder.

Hast du den Film gesehen ?

Noch nicht. Ich warte, bis er auf Video raus ist. Ich geh nicht gerne ins Kino. Da kann man nicht rauchen, nicht trinken – fuck’em!

Was macht deine lang angekündigte Autobiographie“.White Line Fever“?

Die ist fertig und kommt Ende des Jahres raus.

Wahrscheinlich voll mit guten Anekdoten…

Klar! Wie Sid Vicious mich bat, ihm das Bassspielen beizubringen. Aber er war ein hoffnungsloser Fall und drei Monate später der Bassist der Sex Pistols. Oder wie wir 1965 mit den „Rockin‘ Vickers“ als erste Band hinter den Eisernen Vorhang reisen und mit Tito zu Abend essen durften.

Wie war das?

Sehr seltsam. Wir mussten uns vor Traktoren fotografieren lassen. Tito faselte irgendwas vom kulturellen Austausch, und ich baggerte derweil die Frau von irgendeinem Botschafteran. Wir hatten im Osten viele wunderbare Erlebnisse. In Ungarn spielten wir vor 80.000 Kids, die meisten hatten keine Tickets und rannten einfach durch die Wachen mit den geladenen Kalaschnikows durch – Wahnsinn!

Du hast als Roadie für Hendrix gearbeitet…

Ja, für acht Monate.

Aber auf Fragen nach deinen musikalischen Vorbildern und Einflüssen antwortest du nie mit „Jimi Hendrix“. Warum nicht?

Stimmt, das erscheint seltsam, nicht? Wahrscheinlich halte ich es einfach für selbstverständlich, dass man ihn als eines meiner Idole erkennt. Er war der größte Gitarrist aller Zeiten, er hat das Gitarrenspiel revolutioniert. Ich weiß noch, bei einem Konzert in Hastings, da saßen Graham Nash und Eric Clapton am Bühnenrand und haben verzweifelt versucht rauszufinden, was Jimi da vorne spielte. Sie konnten es nicht verstehen, es war einfach zu einmalig. Und das zu Zeiten, als „Clapton Is God“ an den Wänden stand – gigantisch.

Hast du jemals Keith Moon getroffen?

Klar, ich bin in London oft mit ihm trinken gegangen. Er war voller Enthusiasmus, er wollte Leute immer überraschen und unterhalten. Manchmal war er als Priester verkleidet und tanzte auf der Bar, ein anderes Mal traf ich ihn auf der Post, da kaufte er, verkleidet als Long lohn Silver, Briefmarken. Das dollste Ding war, als er sich nackt auf der Motorhaube seines Bentleys zum Speakeasy (bekannter Londoner Nachtclub in den 6oern) fahren ließ. Er lief nackt runter ins Restaurant, in dem gerade John und Yoko saßen. Keith stellte sich an ihren Tisch und hängte seinen Pimmel in Yokos Essen – das bis dahin natürlich rein vegetarisch war. Sie sprang auf und rannte weg, John regte sich ein bisschen auf, „Mann, Keith, was machst du den nda… „, und Keith sagte schlicht: „Ich wollte doch nur, dass Yoko verschwindet, damit wir in Ruhe einen tiinken können.“ Und das taten sie dann auch.

Ein wilder Mann!

Ja, ich wünschte, es gebe noch mehr von der Sorte. Heute sind die alle so korrekt, faseln dauernd was von wegen „Wir haben eine Botschaft für euch, Kinder…‘.

Tvpen wie Limp Bizkit, das ist doch alles nur Show.

Deine alten Kumpels, die Ramones, wurden gerade in die Hall of Farne aufgenommen…

Zu Recht. Obwohl – ich würde nur ungern mit Motörhead dort aufgenommen werden. Das Konzept stinkt. Der Souvenir-Shop nimmt den meisten Platz ein. Und außerdem haben sie meine „Ace of Spades“-Jacke verschlampt, das nehme ich ihnen übel.

Joey Ramone war ein guter Freund von dir. Wie kam ’s ?

Wir trafen uns 1977, als sie das erste Mal nach England kamen. Joey hatte eindeutig am meisten Grips von der Truppe. Die Ramones waren genau wie wir: absolut unmodisch gekleidet, spielten Musik, die niemand verstehen konnte. Ich vermisse Joey.

Sind die meisten deiner Freunde Musiker?

Die meisten meiner Freunde sind Mädchen.

Keine alten Jugendfreunde ?

Nur einen, Billy. Der lebt in Wales, ich habe ihn seit 30 Jahren n ich t mehr gesehen. Aber wir schreiben uns regelmäßig.

Per E-Mal?

Nee, ich habe keinen Computer zuhause. Fax und Telefon bereiten mir schon genug Probleme. Wenn ich dann noch einen Computer mit Videospielen hätte, käme ich überhaupt nicht mehr aus dem Haus.

Du spielst gerne?

Oh ja! Ich gehe oft nach Vegas und zocke an den Einarmigen Banditen. Kartenspielen bleibe ich fern, da wird zu viel beschissen. Auf der Porno-Messe in Vegas habe ich zuletzt in einer Pause 9.000 Dollar aus einem Automaten geholt. Klappt aber nicht immer.

Magst du die Porno-Mädchen ?

Klar! Die wissen wenigstens, wie der Hase läuft. Da gibt’s kein langes Drumrumgerede. Die meisten von ihnen sind Nymphomaninnen. Ich mag auch Stripperinnen. Das sind ganz bodenständige Mädels, die erzählen dirkeinen Bullshit!

Welches ist dein Lieblings-Stnpclub in LA. ?

„Crazy Girls“, „Cheetah s ‚… da lassensie mich auch rauchen…

… nicht „Jumbo’s Clown Room ?

Der Club, in dem Courtney Love früher gestrippt hat? Nee, das sagtdoch schon genugüberden Laden. Courtney war vor ihren diversen Operationen schweinehässlich.

Wie sieht es mit deiner Gesundheit aus? Du lebst ja nicht gerade asketisch.

Ich will ja auch keine 105 werden und mich bis dahin zu Tode langweilen. Aber ich war vor ca. einem Jahr beim Arzt und habe mich durchchecken lassen: Lunge, Leber, Nieren, Cholesterin – alles in bester Ordnung. Wer hätte das gedacht? Ich bestimmt nicht. Krankheiten sind eine mentale Sache. Wenn man das, was man tut, wirklich mag, dann wird man auch nicht krank davon.

Gilt das auch für Drogen ?

Drogen, ach, darüber rede ich nicht mit der Presse. Das gibt zu viele Probleme.

Stimmt es. dass du überlegst, dich auf eine Ranch in New Mexico zurückzuziehen ? Pferde zu züchten ?

Das kann irgendwann passieren. Ich liebe New Mexico, eine spektakuläre Landschaft, und Pferde liebe ich eben auch. Aber das hat noch Zeit, vorher will ich noch ein paar Jahre Musik machen. Ich habe mir neulich Peter Sempels (Hamburger Indie-Regisseur) neuen Film „Lemmy“ angeguckt. Darin gibt es auch ein Interview mit deinem Sohn Paul. Wie viele Kinder hast du?

Zwei. Paul ist der Jüngere. Den Älteren habe ich nie getroffen, er wurde gleich nach der Geburt zur Adoption gegeben. Ich war damals 15.

Hast du ein gutes Verhältnis zu Paul ?

Ja. Er und seine Frau leben auch hier in L.A. Wir sehen uns recht regelmäßig.

Lass uns zum Schluss noch ein paar Ungereimtheiten klären: Du sollst mitWendy 0. Williams verheiratet gewesen sein…

Unsinn. Eine Erfindung. Genau wie die Nachricht meines Todes. Dreimal wurde ich bereits von der Presse für tot erklärt, eine französische Zeitschrift veröffentlichte sogar einen Nachruf. Etwas übertrieben.

Gibt es noch etwas, was fälschlich über dich berichtet oder gedacht wird?

Ja, die Leute denken, ich wäre dumm. Und sie denken , dass sie selbst nicht dumm sind. Dabei ist es meist umgekehrt. *- www.motorhead.com