Elkie Brooks
Neues Album, neue Single, gleich mehrere Auftritte im deutschen Fernsehen Englands Elkie Brooks zündet zum x-ten Mal eine Stufe ihrer Rakete nach oben. Daß sie alle nötigen Fähigkeiten zum Star hat, bezweifelt niemand. Nur, wo genau dieses „oben“ sich befindet, darüber herrscht offenbar Uneinigkeit.
Sooting Star“ lautet der Titel der neuen LP von Frau Brooks (siehe in ME 7/78), doch die Sache mit dem Senkrechtstart wollte bislang nicht recht klappen. Gewiß, man erinnert sich an unlängst erfolgreiche Singles wie „Sunshine After The Rain“ und vor allem „Pearl’s A Singer“, doch danach fand mal wieder ein Jahr Pause statt. Folglich muß die 498. Stufe der Brooks’schen Karriere jetzt erneut mit reichlich Aufwand betrieben werden: Elkie Brooks eilte im Juni durch deutsche TV-Studios, unter anderem anläßlich der „Plattenküche“, wo sie als reife Vollblut-Lady mit gebremst lasziver Dynamik präsentiert wurde.
Doch was oder wer ist diese Frau mit der wunderbaren Stimme eigentlich? Angefangen hat sie, Schwester des Teen-Idols der frühen sechziger Jahre, Billy J. Kramer, in Manchester, wo sie vor dreiunddreißig Jahren geboren wurde. In englischen und amerikanischen Tingel-Tangel-Bands mühte sie sich ab, sang in Eric Delaney’s Tanzkapelle und beim Dixie-Jazzer Humphrey Lyttelton – mit anderen Worten: ihre angerauhte, flexible Stimme wurde dabei zwar trainiert, aber auch vergeudet. Erst in den leicht angejazzten Bands Jody Grind und Dada fand sie 1970/71 ein optimales Umfeld. Beide Formationen starben jedoch sowohl an Erfolgsmangel wie auch an den Finanzen.
Mit ihrem Ehemann, dern Gitarristen Pete Gage, zog sie darauf das am Rhythm’n’Blues orientierte Sextett Vinegar Joe auf, wo sie neben dem heutzutage vorzugsweise als singendem Schönling bekannten Robert Palmer agierte. Vinegar Joe veröffentlichten drei vortreffliche Alben, „Vinegar Joe“, „Rock’n’Roll Gypsies“ und „Six Star General“, doch wiederum blieb der Erfolg so gering, daß man sich Ende 1973 trennte. Robert Palmer mimte fortan auf solo; Elkie Brooks litt zunächst einmal am Image der „weißen Tina Turner“, daß sie sich bei Vinegar Joe geholt hatte, als sie leger gekleidet nicht nur der Standfestigkeit wegen mit gespreizten Beinen vor dem Mikro hüftwackelte.
1975 trat dann Frau Brooks‘ Solokarriere in ihr erstes Stadium: Ein „Rieh Man’s Woman“ betiteltes Album mit zahlreichen hübschen Ansätzen, Songs von Leo Sayer, Gene Pitney und besonders der Sängerin selbst. Doch Elkie’s ansprechendes Komponiertalent ging in der musikalisch etwas diffusen Aufmachung des Albums unter; das Cover mit einer durch eine Feder-Boa dürftig bekleideten Künstlerin ließ den Betrachter eher an ein viertklassiges Disco-Mäuschen aus dem „Musikladen“ denken.Einmal mehr hatten Frau Brooks‘ Berater und Manager auf’s falsche Pferd gesetzt: Diese Frau sollte singen und weniger posieren.
In der Folge schien dann alles klar. „Two Days Away“ erschien 1976 und zeigte Elkie in verhaltener Stimmung mit teils vorzüglichen Interpretationen eigener sowie fremder Songs zwischen Eilie Greenwich und Leiber/Stoüer. Letzteres Duo, seit der Zeit des Rock & Roll berühmt und geschätzt, hatte die Platte produziert und dabei voll und ganz auf die Herausstellung von Elkie’s vokalistischen Talenten gesetzt. Mit Recht, denn der spröde Charme und die Spannung eines Songs wie „PearFs A Singer“ durchzog das gesamte Album. Frau Brooks endlich da, wo sie hingehört?
Weit gefehlt, denn statt diese Linie eindeutig zu verfolgen, kramte man im Management der Sängerin erstmal im Dunkeln, ließ zu viel Zeit verstreichen und wunderte sich, daß der Name Elkie Brooks zwei Jahre später nur noch wenigen als hitträchtig bekannt war. Und so nimmt denn Frau Brooks mit der angenehmen LP „Shooting Star“ schon wieder einen neuen Anlauf, der schon wieder reichlich wirr anmutet. Beispiele gefällig? Bitteschön: Zu einer recht anspruchsvollen, subtilen LP erscheint die Sängerin auf der Hülle zwar verhüllt, aber wie eine Spacelab-Lady mit Starfightern vereint. In der „Plattenküche“ tritt sie, schwarze Haarpracht und langes, weißsilbriges Kleid, wie ein körperbetonter Engel auf, der mit „Puttin‘ My Heart On The Line“ einen halbschnellen Disco-Rocker singt. Ihre neueste Single jedoch zielt wiederum woanders hin: „Lilac Wine“ müht sich klebrigvergeigt an die Ohren jener Leute, denen „Don’t Cry For Me Argentina“ noch nicht bombastisch genug war.
Mithin kann man erwarten, daß Elkie Brooks einmal mehr verheizt oder zumindest unpassend eingesetzt wird. Denn welcher Hörer soll sich durch diese undurchsichtige Mixtur aus Stilen und Images angesprochen fühlen? Für Rockfreunde zu seicht, für Popfreunde zu anspruchsvoll, für Unentschlossene nicht eindeutig genug – Elkie Brooks für alle und doch eigentlich keinen. Wann findet sich endlich der Produzent/ Manager/ Berater, der Elkie und ihre wunderbare Stimme richtig einzusetzen weiß?